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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 1): Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.71525#0177
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steigen, Innenvoluten und Hüllblätter fehlen, und der Ka-
pitellkörper wird einmal von der Deckplatte abgesetzt
und geht ein andermal direkt in sie über.
Das Grundschema der beiden Blattreihen ist einfach.
In der kaum differenzierten Wiedergabe der Blattstege
und Blattzacken gewinnen die tiefen Negativrillen ein
Übergewicht, und die Negativrillen enden in den Spitzen
der Blattzacken, ohne Einzelelemente in übergreifender
Bewegung abzulösen.
Apsisinnengesims und Archivolte des Apsisbogens
(Taf. 63a). Das Apsisinnengesims setzt sich rechtwinklig
umbiegend als Kämpfergesims der Archivolte auf der
Westseite fort. Die Archivolte des Apsisbogens ruht also
nicht auf Pilasterkapitellen, sondern auf diesem sie
gleichsam ersetzenden Gesims. Auf die äußere Leiste
folgt ein cyma recta mit unten abschließender niedriger
Leiste. Der in situ befindliche Teil der Apsisarchivolte
läßt erkennen, daß seine Profilfolge weitgehend mit der
des Innengesimses übereinstimmt und daß beide mit den
Profilformen der Säulenkapitelle (Taf. 63c) eine Einheit
bilden.
Säulenkapitelle. Toskanische Kapitelle (Taf. 63c. d)
Von den fünf im Oberflächenbefund auszumachenden
Kapitellen sind vier mit profiliertem und eines mit glat-
tem Echinus gearbeitet. Maße der zwei Kapitelle mit
Echinusprofil, die wir genauer untersuchen konnten:
H 48. uD 53. HKh 26,2. HE 14 (mit unterer Leiste).
BD 67. Maße des Kapitells mit glatter Echinusschräge:
H 44,5. uD 53. HKh 23. HE 14. BD 68,5.
Der Kapitellhals ist bei den beiden Kapitellen, die wir
aufnehmen konnten, wesentlich höher als der Echinus.
Das flache, in seiner unteren Wölbung nur wenig ausla-
dende cyma recta der erstgenannten Kapitelle (Taf. 63c)
wiederholt sich bei den Profilformen, die sich der ersten
Bauphase zuweisen lassen. Vergleichen wir alle Kapitelle
mit den entsprechenden Formen der ältesten Kirchen des
Gebel Sinüän, so zeigt sich, daß nur bei einem Kapitell in
Sinhär der Kapitellhals wesentlich höher ist als der Echi-
nus. Neben den unterschiedlichen Proportionen trennt
der Scamillus der Deckplatte die nördlichen von den süd-
lichen Kapitellen.
Die Türen. Neben der Tür des südlichen Apsisneben-
raumes und der Tür zwischen diesem und der Apsis ist ein
Sturz im Oberflächenbefund auszumachen, der seiner
Lage in der NW-Ecke der Kirche nach zur Tür der West-
fassade oder zu einer Tür der Nordfassade gehört haben
kann. Die Türen des Apsisbereichs besaßen keine Seiten-
gewände und nur ein einfaches Gebälk mit der Folge von
oberer Leiste, cyma recta mit unten abschließender nied-
riger Leiste und hohem Fries. Die Tür im Westbereich
wurde ebenfalls ohne profilierten Rahmen und mit ein-
fachem, glattes Kymation und unteren Fries verbinden-
dem Gebälk gearbeitet.
Gesamtbild der Baudekoration. Es sind bis jetzt nur
fünf von insgesamt zwölf Säulenkapitellen bekannt, und

so ist offen, ob toskanische Kapitelle dominierten oder ob
sie vielleicht mit Konsolenkapitellen in einer Reihe saßen.
Auffallend ist, daß in den drei bisher vorgestellten Kir-
chen unter den Säulenkapitellen kein ionisches oder ko-
rinthisches Kapitell vertreten ist, und wenn wir beden-
ken, daß die Ausgangsform des Konsolenkapitells dem
toskanischen Kapitell nahesteht, so ist das Bild erstaun-
lich homogen. Dem Gesamtbild in der Kirche von Ru-
weiha (Taf. 62a) vergleichbar sind der Verzicht auf Orna-
mente im Innenraum und die Wiederholung einfacher,
immer gleicher Profilformen, während der Kontrast zwi-
schen den Kapitellen der Säulenstellungen und denen der
östlichen Halbsäulen in Ruweiha keine Parallele hat. Es
wäre wichtig, durch Freilegungsarbeiten im Inneren die
Form der westlichen Vorlagekapitelle zu klären984), da
die östlichen Kapitelle in die Nähe der Säulenkapitelle der
El Hosn (Taf. 65d) und der E 5 (Taf. 71e. f) führen und
ihre geübte Ausarbeitung im Gegenüber zu den entspre-
chenden westlichen Kapitellen in der E 3 überrascht.
Nicht nur der Kontrast zwischen den Säulenkapitellen
und denen der östlichen Halbsäulen, sondern auch der
Befund der Türen im Ostteil der Kirche werfen die Frage
auf, ob die Kirche vor oder nach den beiden großen Kir-
chen El Bäras errichtet wurde - ich werde sie erst nach
Vorstellung aller Kirchen des G. Zäwiye diskutieren985).
Die ursprüngliche Form der Apsis in der E 3 ist leider
nicht bekannt. Vergleichen wir jedoch die Gestaltung der
Ostseite in Ruweiha und Sergilla und das Kapitellpro-
gramm aller drei Kirchen, so fällt auf, daß die Apsis nicht
durch reichere Formen hervorgehoben wurde und die
Kapitelle der östlichen Säulenstellungen den westlich an-
schließenden nicht übergeordnet sind. Es wurden also
andere Akzente gesetzt als in den Kirchen des 4. und der
ersten Hälfte des 5.Jhs. im Norden des Bergmassivs.
Butler datierte die Kirche von Sergilla um die Mitte und
die An- und Nebenbauten, die vor der zweiten Hälfte des
5.Jhs. nicht denkbar sind, an das Ende des 4.Jhs.986). Er
hob die altertümlichen Züge in der Gesamtkonstruktion
hervor und kam im Vergleich mit den Kapitell- und Pro-
filformen der Kirche von Fafertin (372 n. Chr.) zu dem
Ergebnis, daß letztere vor 372 eingeordnet werden müß-
ten. Wir werden im folgenden die Kirche von Dallöza
kennenlernen, einen Bau mit »arcuated lintels«, dessen
Dekorationsformen der zweiten Hälfte des 5. Jhs. ange-
hören, können also eines der Hauptargumente für die
Frühdatierung vorläufig ausklammern. Zu fragen bleibt,
wie die Existenz eines Apsisinnengesimses und einer Ver-
bindungstür zwischen Apsis und südlichem Nebenraum,
984) In Butlers Grundriß sind auch die westlichen Vorlagen als Halb-
säulen gekennzeichnet. Ich konnte im Oberflächenbefund keinen siche-
ren Anhaltspunkt dafür finden, doch war zu Zeiten Butlers der Erhal-
tungszustand wesentlich besser.
985) Dazu S. 162 f.
986) PAESIIB118.

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