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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 1): Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.71525#0224
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geführt und mit ihm das Wulstprofil und das von Leisten
gefaßte Rundprofil. Da eine gegenseitige Beeinflussung
nicht erkennbar ist, sich sogar deutliche Unterschiede
zwischen großen, bis jetzt in ihrem eigenen Charakter
nicht genau greifbaren Zentren herauskristallisieren,
kann bis jetzt nur angenommen werden, daß diese Neue-
rungen von einem großen städtischen Zentrum ausgin-
gen.
Der überwältigende Reichtum an Einzelornamenten
und Medaillonformen, der schon im 4.Jh. das Bild der
Baudekoration in den zentralen und nördlichen Regio-
nen prägt, findet sich im G. Zäwiye nicht. Es genügt die
Gegenüberstellung der Kirchentüren von Ruweiha und
Dar Qitä und die Zusammenstellung der sich immer wie-
derholenden einfachen Kreuzmedaillons in den Kirchen
innerhalb und außerhalb El Bäras, um bewußt zu ma-
chen, daß der Norden und der Süden bei allen Gemein-
samkeiten verschiedenen Traditionen folgten1133).
In den zentralen und nördlichen Regionen wurden
Säulenkapitelle von lokalen Werkleuten in der Regel
ohne Scamillus gearbeitet, ein Befund, der weitgehend
damit zusammenhängt, daß die Gesamtform immer aus
der Arkadenhochwand heraus und in engem Bezug zum
auflagernden Arkadenstein entworfen wurde. Im G. Zä-
wiye dagegen besitzen alle Kapitelle der Werkgruppen
städtischer Tradition einen Scamillus, und selbst bei
Hauskapitellen kommt er häufig vor. Dennoch ist er auch
dort bei lokalen Werkleuten nicht die Regel, wie der Be-
fund in den Kirchen von Sinsaräh und Mugleyya zeigt.
Detailliert ausgearbeitete Akanthusformen sind im 4.
wie im 5. Jh. eine Art Prüfstein für das Können der einzel-

nen Steinmetzen und für die Einstellung lokaler Werk-
leute gegenüber antiken Formen. Im Norden wie im Sü-
den kann noch im 6.Jh. allein mit der Form des Einzel-
blattes, ohne ergänzende Aussage der Kapitell-, Tür- und
Gesimsformen, selten ein Bau datiert werden. Wenn wir
fragen, worin denn die bei lokalen Werkleuten so häufig
anzutreffende Vereinfachung der antiken Form besteht,
so ist an erster Stelle das Bewegungsschema, das Zusam-
menspiel von aufeinander zu- und voneinander wegstre-
benden Blattelementen, unterstützt von übergreifenden
und zusammenfassenden Negativrillen zu nennen. An
zweiter Stelle dann die Übertragung dieser Formen auf
das rundplastische Kapitell, die z. B. noch in der letzten
Kirche des Markianos den Abstand zwischen Säulenka-
pitellen und Türfriesen bestimmte.
Abschließend sei noch einmal daran erinnert, daß
keine Kirche des G. Zäwiye vollständig freigelegt und de-
tailliert aufgenommen wurde. Mit dem sicher reichen Be-
fund der Fußbodenmosaiken und der Fülle an Dekora-
tionsformen, die noch ans Tageslicht kommen werden,
ist zu erwarten, daß die hier vorgeschlagenen Datierun-
gen und Deutungen eines Tages verbessert und korrigiert
werden.

m3) £s wjrc| vielleicht einmal gelingen, diese Gegensätze mit bestimm-
ten Städten zu verbinden, und d. h. auch die bei allen Gemeinsamkeiten
eigenständige Tradition der einzelnen Städte gegenüber Antiochia
nachzuweisen. Hier könnten vor allem die Grabungen in Apamea eines
Tages weiterführen.

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