Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0137
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Anhang. Rembrandt.

129

seinen erhaltenen Werken gibt die Anbetung der Könige in den
Uffizien darüber am besten Aufschluss, Raphael hat darin, wie
gezeigt wurde, in seinen Gemälden der Stanza delle Segnatura
ganz unter dem Einflüsse Leonardos und in den Nebengruppen
unter dem Donatellos gestanden.
Ganz anders componirt man in der Barockzeit. Tizians grosse
Altarbilder, die Assunta, die Pala Pesaro und der Petrus Martyr
geben zuerst in völliger Klarheit den Typus, 1 gleichzeitig etwa
schlägt auch Correggio die dem neuen Stilgefühl entsprechende
Bahn ein. Die Composition entwickelt sich malerisch in der Rich-
tung der Diagonale und bricht gern in entgegengesetzter Richtung
nach der andern Diagonale um. Gewöhnlich sind die Figuren unten
von links nacli rechts, die Architektur oder Landschaft darüber
von rechts nach links oben bewegt, so dass die Richtung beider
unter einem Winkel von neunzig Graden steht.
Rembrandt componirt seiner Zeit gemäss vorwiegend in letz-
terer Art. Ich greife seine Radirung von 1634, die Verkündigung
an die Hirten (Kn. 38) heraus. Sie erinnert ganz auffallend an
Tizians verbrannten Petrus Martyr. Die Richtung des laufenden
Hirten gibt die Axe der Figurengruppe unten, der kahle Baum-
stamm darüber die senkrecht darauf stehende Axe der oberen
Bildmassen und des eindringenden Lichtstrahls. Um dieselbe Zeit
etwa entsteht auch das Opfer Abrahams in der Ermitage (Kl. B.
192), wo die über Eck gestellte Composition besoncleis deutlich
ist. Auch die Anatomie von 1632, (Kn. 14 ff, Kl. B. 437) baut sich
in ihrem rechten Teile so auf, der Leichnam liegt quer durch
von rechts vorn nach links hinten, Dr. Tulp sitzt in der Richtung
der andern Diagonale dahinter.
Daneben aber wendet Rembrandt schon früh die alte Re-
naissancecomposition an. So gleich in den Gruppen der beiden
figurenreichen Compositionen von 1628, der Darstellung im
Tempel bei Weber in Hamburg und der Gefangennahme Simsons
im königl, Schlosse zu Berlin (Bode 7 und 6). In beiden baut
sich die Hauptgruppe im Dreieck etwa wie Raphaels Canigiani-

1 Vgl. Preussische Jahrbücher Bd. 79, S. 39 ff.
 
Annotationen