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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0100
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94 Correggio.
verlorenes, zwischen Raphael und Correggio vermittelndes Werk
des Leonardo herein.
Für die Kuppel von S. Giovanni Evangelista (Kn. 39 ff.)
war der Gegenstand bestimmter umschrieben. Die Personen
sollten, so neu die Gesammtdarstellung auch ikonographisch
ist, doch dem typiscli entwickelten religiösen Darstellungskreis
angehören. Wir haben eine Vision des Kirchenpatrons vor uns:
Johannes sieht Christus inmitten der Engelsphären schwebend,
umgeben von den auf Wolken gelagerten elf Mitjüngern. Für
den Quattrocentisten wäre die Ausführung mit Hilfe der über-
lieferten Typen überaus einfach gewesen. Was nun macht Cor-
reggio daraus? Ricci hat nur Lob für diese „Giganten" und findet
in einem Apostel ein Schönheitsideal, das sich den besten Werken
der antiken Skulptur an die Seite stellen lasse. Das ist nur be-
dingt zuzugeben. Die Gestalt an sich mag. von antiker Formen-
schönheit sein; aber die Art wie Correggio sie vor unseren
Blick stellt, ist unantik. Correggio hat keinen plastischen Sinn,
Beine und Arme drängen sich in seinen Gemälden vor Brust
und Kopf, die man nur sieht, wann das malerische Motiv sie zu-
fällig vortreten lässt. Man könnte Ricci's Lob gegenüber versucht
sein, in das entgegengesetzte Extrem zu verfallen und zu sagen:
statt Christus mit all dem Adel zu umkleiden, den besonders
die byzantinische Kunst ihm gegeben und die italienische gemil-
dert übernommen hat, führt Correggio uns einen glatzköpfigen
Herren vor, den wir gerade in dem für seine Erscheinung un-
günstigsten Augenblicke sehen, wie er nach dem Bade, in sein
Leintuch gewickelt, gymnastische Hebungen macht oder ein Luft-
bad nimmt. Dafür benehmen sich die Apostel, an denen etwas
Derbheit der Auffassung eher zulässig gewesen wäre, um so wür-
diger: behaglich auf weiche Wolken gelagert, hat sich dieses
Collegium schöngeistiger Professoren in Gedanken vertieft, von
denen sie der augenblickliche Vorgang nicht recht loszureissen
vermag. Die wolkenschiebenden oder wie um die antike Statue
des Nil kletternden Putti bilden gleichsam den Schülerchor, der
die Gelegenheit ernster Sammlung des Aufsichtsrates benutzt, um
sich recht mutwillig dem Spiele hinzugeben.
 
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