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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0113
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Correggio.

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die „Schule Amors" bezeugt, dass Correggio durch Leonardo
den Anstoss zu dieser ganzen Gattung erhielt und sich nie ganz
von dem Einflüsse seiner Werke freimachen konnte.
Die siegreiche Lösung der ursprünglichen künstlerischen Ab-
sicht und des Problems überhaupt, gibt die Jo. (Ricci zu S. 232).
Dadurch, dass Correggio die Gestalt einfach umdreht und sie vom
Rücken zeigt, ist er allen Schwierigkeiten von vornherein aus
dem Wege gegangen. Und wie er dann in diesem Rahmen mit
unnachahmlicher Schönheit ein grenzenloses Sichhingeben verkör-
pert, das zeigt am besten der Vergleich mit einer ähnlich com-
ponirten Gestalt im archäologischen Museum des Dogenpalastes.
Wir sehen auf der Schmalseite eines antiken Altars auf einem
mit einer Draperie überhängten Felsen ein Weib vom Rücken
und der Seite gesehen sitzen, wie sie, das eine Bein auf den
Sitz emporgestemmt, einen Satyr umarmt, der sie von oben
herab mit der rechten Hand um die Brust fasst und einen Kuss
auf ihre Lippen drückt. Das Motiv ist zu verwandt mit der Jo,
als dass es nicht interessant und lehrreich wäre, beide zu ver-
gleichen. Ich bilde daher das Relief hier ab. Uns mag es in
erster Linie als Massstab für die Ausdrucksfähigkeit der Kunst
eines Correggio dienen. Auf der Ara bleibt es beim Kuss. Cor-
reggio steigt die ganze Stufenleiter der Hingabe an den Geliebten
empor bis zum Gipfel. Dem durch eine edle Liebe Geweihten
wird sein Bild wie die keusche Enthüllung des Heiligtums der
Natur erscheinen.
Mit der Jo hat Correggio etwas ähnlich Unüberbietbares ge-
schaffen, wie Raphael in der Sixtina. In diesen beiden Bildern
sind die Pole des Weiblichen verkörpert, in dem einen die in
ihrer Unschuld unnahbare Hoheit, in dem andern jener Zustand
des Weibes, wo es ganz aufgelöst ist in seelischer und physischer
Hingabe. Dazwischen liegt die ganze Fülle weiblichen Empfin-
dens, Und wie Raphael in seiner Madonna di S. Sisto das höchste
geleistet hat, so hat aucli Correggio nichts geschaffen, was eine
Entwicklung über die Jo hinaus bedeuten würde. Darüber belehren
zwei Altarbilder, mit deren Betrachtung wir schliessen.
Der Weg, den Correggio von der Madonna mit dem hl.
 
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