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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0132
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Anhang. Rembrandt.

gestalt Dürers traumverloren vor sich hinstarrend denken, einsam
dasitzend in der freien Natur, dann stellen sich die drei Bäume
ihm gegenüber dar als der Punkt, zu dem sein Auge immer und
immer wieder zurückkehrt, weil sie im Bilde einen Dreiverein
verkörpern, der einst sein eigenes Dasein war und den der Sturm
des Lebens grausam zerschmettert hat.
Die Landschaft mit den drei Bäumen ist 1643, also kurz
nach Saskias und der Mutter Tod entstanden. Wie die eine in
hohem Alter stand — man halte sich nur die Radierung von
1628 (Kn. 2.) vor Augen, wo sie beim Modellsitzen am Einschla-
fen ist, oder die verschiedenen Oelbilder (Bode 19 und 21—24),
als letztes das Bild von 1639 in Wien, in dem sie sich altersschwach
auf ihren Krückstock stützt — so sehen wir den Baum rechts
mit spärlicher Krone, teilweise entlaubt dastehen und sich herü-
berneigen zu dem kräftigen Mittelstamm, zu dessen Rechter, innig
mit ihm verbunden, so dass man die Baumkronen nicht genau
scheiden kann, ein zweiter Stamm erscheint, dessen Krone voll
ausladet und sich in schönem Umriss vom Horizont abhebt. Saskia
starb kaum dreissig Jahre alt in der Blüte des Lebens. Die
vielen Porträts, in denen Rembrandt sie verewigt hat, geben
alle den Typus einer jungen, kräftigen Frau, bisweilen auf das
innigste mit dem Gatten vereint, wieder. Man erinnere sich nur
der beiden Doppelporträts von 1636, der Radierung (Kn. 69)
wo beide in ihrer trauten Häuslichkeit erscheinen und des Dres-
dener Champagnerfrühstücks, (Kn. zu 47) wo sie dem Beschauer
in fröhlichster Stimmung lachend ein Prosit bieten.
Diese Zeiten liegen weit hinter Rembrandt. Die Gestalten
jener vergangenen Tage aber wachsen in seiner Phantasie
und stehen so unverrückbar mächtig da, wie die drei Bäume
in der Landschaft. Indem der Künstler ihre Kronen hoch über
den weiten Horizont aufragen lässt, drängen sie sich dem Be-
schauer zuerst und immer wieder auf und das alltägliche Treiben,
welches ihren Dreiverein wie das Handwerkzeug die Frauenge-
stalt bei Dürer umgibt, der Fischer, der Landmann, die Menschen,
und Thiere auf der Landstrasse, vermögen nicht den Blick des
Beschauers abzulenken. Er sieht, wie die inmitten alles Lebens
 
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