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Anhang. Rembrandt.
Rembrandt hat diese Folge mit 21—24 Jahren gemalt,
Michelangelo seine Propheten im Alter von 34—38 Jahren. Man
sollte meinen, dass zur Schaffung einer Gestalt, wie der des Nürn-
berger Greises, die volle Reife der Erkenntnis und des Urteils
notwendig sei, wie sie das Alter Michelangelos gibt. Rembrandt
hat diese schon als Jüngling erreicht; ohne die imposanten
Formen und die bedeutende Bewegung, die der grosse Floren-
tiner auf seine Gestalten wendet, weiss er seinen ruhig dasitzen-
den Männern eine Grösse zu geben, die um so mehr wirkt, als
sie nicht wie bei Michelangelo Hauptaufgabe ist, sondern mehr neben-
bei, gelegentlich der Studien von Licht und Schattenproblemen,
denen die angeführten Bilder offenbar dienen, auftritt. Auch in
späteren Jahren kommt Rembrandt wiederholt auf dieses Lieb-
lingsthema seiner Jugend zurück, der Gelehrte der Braunschweiger
Galerie (Bode 43), der Philosoph und der Gelehrte des Louvre,
der sogenannte Hieronymus im Zimmer (eine Radierung von
1642, B. 105), der herrliche lesende Student der Sammlung Pein
in Berlin, die Radierung des Bürgermeisters Six (B. 285) eine
ähnliche Handzeichnung des Kupferstichcabinets in München u. a.
m., endlich sein Dr. Faust (Kn. 120,) zeigen immer dieselbe ge-
dankenvolle Art, die kräftig herausgeht über Dürers gemüt-
vollen Hieronymus im Gehäuse und in den drei Greisen aus der
Jugendzeit Michelangelos Propheten erreicht.
Eine dritte Parallele für Rembrandt mit den grossen Meistern
der Renaissance ergibt sich, wenn wir seine Compositionsart ins
Auge fassen, und zwar zunächst die Anordnung der Figuren
im Raume. Donatello schon in seinen paduanischen Reliefs aus
der Antoniuslegende hat es energischer als andere versucht, und
Leonardo ist es gelungen das Problem der Gruppe zu lösen,
welches die Renaissancemalerei seit Giotto beschäftigt hat. Der
architektonisch im Dreiecksumriss gegliederte Aufbau der Haupt-
gruppe mit aufrechten Figuren vorn in den Ecken, die coulissen-
artige Einschiebung der Nebengruppen von der Seite her, dazu
die zwischen Mitte und Ecke, Vorder- und Hintergrund vermit-
telnde Rolle einzelner aus der Masse hervorragender Figuren, das
ist ungefähr die Norm, wie sie Leonardo geschaffen hat. Unter
Anhang. Rembrandt.
Rembrandt hat diese Folge mit 21—24 Jahren gemalt,
Michelangelo seine Propheten im Alter von 34—38 Jahren. Man
sollte meinen, dass zur Schaffung einer Gestalt, wie der des Nürn-
berger Greises, die volle Reife der Erkenntnis und des Urteils
notwendig sei, wie sie das Alter Michelangelos gibt. Rembrandt
hat diese schon als Jüngling erreicht; ohne die imposanten
Formen und die bedeutende Bewegung, die der grosse Floren-
tiner auf seine Gestalten wendet, weiss er seinen ruhig dasitzen-
den Männern eine Grösse zu geben, die um so mehr wirkt, als
sie nicht wie bei Michelangelo Hauptaufgabe ist, sondern mehr neben-
bei, gelegentlich der Studien von Licht und Schattenproblemen,
denen die angeführten Bilder offenbar dienen, auftritt. Auch in
späteren Jahren kommt Rembrandt wiederholt auf dieses Lieb-
lingsthema seiner Jugend zurück, der Gelehrte der Braunschweiger
Galerie (Bode 43), der Philosoph und der Gelehrte des Louvre,
der sogenannte Hieronymus im Zimmer (eine Radierung von
1642, B. 105), der herrliche lesende Student der Sammlung Pein
in Berlin, die Radierung des Bürgermeisters Six (B. 285) eine
ähnliche Handzeichnung des Kupferstichcabinets in München u. a.
m., endlich sein Dr. Faust (Kn. 120,) zeigen immer dieselbe ge-
dankenvolle Art, die kräftig herausgeht über Dürers gemüt-
vollen Hieronymus im Gehäuse und in den drei Greisen aus der
Jugendzeit Michelangelos Propheten erreicht.
Eine dritte Parallele für Rembrandt mit den grossen Meistern
der Renaissance ergibt sich, wenn wir seine Compositionsart ins
Auge fassen, und zwar zunächst die Anordnung der Figuren
im Raume. Donatello schon in seinen paduanischen Reliefs aus
der Antoniuslegende hat es energischer als andere versucht, und
Leonardo ist es gelungen das Problem der Gruppe zu lösen,
welches die Renaissancemalerei seit Giotto beschäftigt hat. Der
architektonisch im Dreiecksumriss gegliederte Aufbau der Haupt-
gruppe mit aufrechten Figuren vorn in den Ecken, die coulissen-
artige Einschiebung der Nebengruppen von der Seite her, dazu
die zwischen Mitte und Ecke, Vorder- und Hintergrund vermit-
telnde Rolle einzelner aus der Masse hervorragender Figuren, das
ist ungefähr die Norm, wie sie Leonardo geschaffen hat. Unter