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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0139
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Anhang. Rembrandt.

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der rechten Hand nicht zutraut. Es scheint, dass Rembrandt durch
diese Hand und den aufgerichteten linken Fuss das Mittellot be-
tonen wollte. Und so lässt er auch, um die Seitenlinien fortzu-
führen, einen Bettler mit dem Arm in der Richtung von Christi linker
Schulter nach rechts auf eine Krankengruppe weisen, welche die
rechte Ecke des ganzen Bildes füllt. Dort bildet der von einer
alten Frau geführte Blinde, dem Arzt der linken Seite entsprechend,
den in der rechten Ecke des Dreiecks aufragenden Gegenpfeiler.
Diese ganze Art ist genau die des Leonardo in seiner Anbetung,
das Erhebenlassen der Hände zu bestimmten Compositionszwecken
deckt sich mit gleichen Absichten Michelangelos in seiner Pietä.
Wenn man sich ferner erinnert, wie in Leonardos Grottenma-
donna inmitten des Dreiecksumrisses eine vorspringende Seite nach
dem aufgestützten linken Arm Christi über die schirmend erho-
bene Hand der Madonna läuft, so wird man hier im Hundert-
guldenblatt eine Analogie dazu finden in der vom Rücken gesehen
mit gefalteten Händen knieenden Frau — einer Lieblingfigur Rem-
brandts, die er schon zwanzig Jahre früher im Joseph der Darbringung
bei Weber angebracht hat — und den emporgestrekten nackten
Armen der flehenden Gestalt dahinter.
Das Mitteldreieck mit seinen Gegenstützen in den unteren
Ecken dürfte sich dem Leser jetzt klar herausheben. Der Künstler
hat es für den ersten Blick auf eine doppelte Weise verdeckt, einmal,
wie schon Leonardo, indem er die Figurenanordnung durch eine
andere Lichtcomposition durchsetzte, zweitens dadurch, dass er die
linke obere Ecke ausserhalb des Dreiecks ganz anders behandelte
als die rechte Seite. Auf der linken Seite schiebt er die Re-
naissance-Coulisse ein; es sind jene Männer, welche um eine Ba-
lustrade herum gruppirt sind: zunächst der vornehme Jüngling,
der gleichmütig beobachtend dasitzt und sich die Nase zuhält; er
gibt in Kopf und Rückenlinie noch die Richtung der Dreieckseite.
Ueber ihm und links hinter dem vermittelnden Petrus ein Leichen-
bitter mit neugierig zusehenden Nachbarn, dann zur Ecke über-
leitend zwei Männer, welche sich nach links hin auf die Ba-
lustrade stützen und endlich der gestikulirende Greis ganz links,
der die Bewegung nach aussen aufnimmt und zurück nach der Mitte
 
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