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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0016
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Einleitung.

die sich in dem ängstlich besorgten Festhalten überlieferter Motive
verrät — wie Maria mit der linken Hand das Gewand auf-
nimmt, Joseph im Tanzschritt dasteht, die Begleitfiguren die
Köpfe neigen u. a. m. — scheint organisch begründet in des
Künstlers Natur, die sanft hinnimmt, wo ein Anderer, um neu zu
sein, ablehnen würde.
Der Sposalizio entstand 1504. Kaum zehn Jahre später schuf
Raphael sein Heliodorbild im Vatikan. Wir trauen unsern Augen
kaum, wenn wir hier das gerade Gegenteil dessen dargestellt
sehen, was so anmutig im Sposalizio hervortrat. Mit einer Energie,
die nach den eben gemachten Beobachtungen doppelt überraschen
muss, ist Alles zurückgewiesen, was irgend an die alte Art an-
klingen könnte. Die Hauptgruppe rechts, die himmlischen Rächer,
welche den Heliodor niederwerfen, durchdringt eine so mächtige
Kraft, dass wir empfinden: diese Gestalten sind aus einer
wahren Leidenschaft geboren. Gleich darauf aber müssen wir
zusetzen, Raphael hat mit dieser Gruppe seine Kraft erschöpft,
die linke Seite kommt der rechten nicht nach. Und doch hätte
das die Anordnung verlangt; denn in dieser herrscht immer
noch die Mittelaxe, nur wird sie — und das ist bei der Gegen-
überstellung des Sposalizio von 1504 und des Heliodor von 1514
die zweite überraschende Thatsache — nicht mehr durch die vom
Gegenstände geforderten Hauptgestalten, sondern durch einen
leren Raum gegeben. Raphael geht hierin nicht minder energisch
ins Zeug, wie mit der Heliodorgruppe, die er geradezu tollkühn
auf die rechte Seite geworfen hat. Nicht genug, dass er dem
Raume die ganze Mitte des Vordergrundes opfert, lässt er ihn
auch im Helldunkel bis tief in den Hintergrund reichen. Für
diese beiden Motive gibt er dann die Wahrhaftigkeit in der
Durchbildung des Gegenständlichen hin. Die Gruppen links sind
zum Teil unwahr und aus der Verlegenheit geboren, vor Allem
ist der Papst mit seinen Schweizern eine so ungeheuerliche Un-
wahrheit, dass da gar keine Entschuldigung Raphael, an den wir
den höchsten Maassstab legen, reinwaschen kann. Man sieht,
die Neuheit des Heliodormotivs, der Effekt dieser im Zusammen-
hänge mit der Raumaxe geschaffenen Composition durchglüht ihn
 
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