Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0017
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung.

13

so stark, dass er um ihretwillen sich mit einer unwahren Lösung
des Gegenständlichen zufrieden gibt.
Noch weiter geht hierin das Hauptgemälde der dritten
Stanze, der Brand des Borgo. Das Gegenständliche tritt ganz
zurück, wir sehen nicht das Wunder, wie der Papst den Brand
löscht, dargestellt, sondern den Brand selbst. Die Einfalt mit der
im Sposalizio gerade der Gegenstand gewissenhaft erschöpft war,
ist ganz verschwunden. Aber auch von der dramatischen Kraft,
deren stürmische Regung Raphael im Heliodor tollkühn machte,
ist im Brand des Borgo nicht viel übrig geblieben, trotzdem der
Gegenstand an sich dazu mehr als genug Anlass geboten hätte.
Der schärfer Prüfende empfindet alle diese Mängel mit Erstaunen,
auch die Raum- und Lichtverteilung erscheint im Verhältnis
zum Heliodor und den Fresken der ersten Stanze kleinlich. Was
den Blick des Beschauers immer wieder fesselt und für das
Fehlende entschädigt, sind die schön bewegten Gestalten des Vor-
dergrundes, deren plastische Rundung in der Malerei kaum ihres-
gleichen hat. Um ihretwillen hat Raphael die gegenständliche
Wahrhaftigkeit, die dramatische Zuspitzung und die Weiter-
führung. der grossartigen Raum- und Lichtprobleme hingegeben,
sie allein füllen ihn jetzt offenbar aus und erschöpfen das, was
er mit dem Bilde will.
Einige Jahre später starb Raphael. Auf seiner Staffelei blieb
unvollendet ein Bild zurück, das wir die Transfiguration nennen.
Ist sie das wirklich, oder sollen wir das Gemälde nicht eher die
Heilung des Mondsüchtigen nennen? In dem Bilde steckt ein
Doppelwesen. Der obere Teil zeigt den Raphael, den wir aus
dem Sposalizio kennen. Wie dort hält sich die Composition an
die gute, alte Tradition, schon die Byzantiner haben diesen
Typus der Verklärung geschaffen. Raphael bildet ihn nur orga-
nischer durch, indem er Christus als Mittellot mächtig hervorhebt,
und die Erzväter sicli diesem zuneigen lässt, so dass sich im Gan-
zen ein pyramidaler Aufbau entwickelt. Im Kopfe Christi liegt
soviel Gemütsweichheit als sich von dem gereiften Schöpfer des
Sposalizio nur immer erwarten lässt. Während dieser Oberteil die
verklärteste Ruhe atmet, leiten die drei vom Schlaf erwachenden

2
 
Annotationen