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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0047
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II. Raphael und Bramante.

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des Aufbaues, Beschränkung auf die vollendete Durchbildung der
ruhigen Form, erzählende oder repräsentirende Art des Gegen-
standes, das Ganze dargestellt als eine Schnittfläche im natür-
lichen Raum und natürlichen Lichte, so erweist sich Raphael im
Heliodorbilde durch und durch als das Gegenteil, er hat alle in-
dividuellen Mittel der Malerei entdeckt und ist weit entfernt von
aller Form und Flächenmalerei der Renaissance. Seine Gruppen
schwanken in labilem Gleichgewichte, die Form ist nicht mehr
um ihrer selbst willen, sondern als Ausdruck einer lebendigen
Bewegung angewendet, der Inhalt ist ein dramatischer geworden
und, was das Wesentlichste ist, zum künstlichen Raume der ersten
Stanze ist nun, wie gesagt, auch das künstliche Licht getreten.
Der Umschwung im Formengefühl des Künstlers tritt am
deutlichsten in der Architektur hervor. Die weite, luftige Halle
der Schule von Athen ist durch einen gedrückten, dunklen Ap-
sidenbau ersetzt, an Stelle der hochaufragenden Tonnengewölbe,
welche die himmelan strebende Mittellösung nur ahnen lassen, ist
eine Folge schwer lastender Kuppeln getreten, die nur spärlich
Licht zulassen, das dann in den Seitenräumen ganz fehlt. Die
Flächenarchitektur, mit ihren glatten Pilastern und belebenden
Statuen und Reliefs, hat einer massiven Pfeiler- und Säulenarchi-
tektur Platz gemacht, die auf jeden plastischen Schmuck ver-
zichtet. Und wie die Tonne der Kuppel, der Pilaster der Säule
gewichen ist, so ist auch an Stelle der perspectivisch zusammen-
laufenden Pavimentlinien ein breit hingelagertes Muster von acht-
eckigen Platten getreten. Alles das sind Neuerungen, die im Ge-
folge der Absicht auf ein wirkungsvolles Durchbilden des künst-
lichen Lichtes auftreten. Aehnlich wenden Correggio und Rem-
brandt in ihren Jugendwerken die Säule gern an, um deren Rundung
aus dem Lichte herauszumodelliren und auch sie schliessen den
Raum ab, um ein Helldunkel herstellen und das Licht ganz nach
Gutdünken handhaben zu können. Man vergleiche Correggios
Nacht oder die gleichzeitige Madonna in der Tribuna und daneben
Rembrandts Paulus im Gefängnis oder die Darstellung im Tempel.
Nicht minder bezeichnend für die Hand in Hand gehende
allgemeine Aenderung des Stilgefühls bei Raphael ist die Compo-
 
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