III. Raphael, die Antike und Michelangelo.
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Meister; obwohl sich die Gestalten anscheinend im freiesten Linien-
flusse der Glieder bewegen, ist doch jede störende Divergenz mit
den qualvoll hemmenden Zwickelumrahmungen vermieden. Was
da dargestellt ist, erscheint als notwendig so und hält sich fern
von allem malerischen Zufallspiel, wie es Correggio in dem
Laubendach des Klosters von S. Paolo in Parma gegeben hat.
In dem Gegenüber dieser beiden etwa gleichzeitig entstandenen
Cyclen stehen zwei Welten vor uns: die Welt der reinen Form
in Raphael, diejenige alles dessen, was die Form umgiebt, in
Correggio.
In den grossen Abschlussfresken der Farnesina, dem Götter-
gericht und der Hochzeitsfeier an der Decke, erscheint in einem
idealen Raume, dessen Existenz wir in unserer Phantasie an die
Wolkenbank knüpfen, die dem Ganzen als gefälliger Untergrund,
wie schon in den Zwickeln, untergeschoben ist, ein Statuenwald,
dessen Anordnung in einem Halbrund mit malerischen Eckfiguren
in der Mitte des Vordergrundes (Flussgott, Hebe) besteht, woran
dann durch die Bewegung einer Nebenfigur vermittelt (Janus,
Hephaistos) Seitengruppen (Psyche und Merkur, Apoll, Venus und
die Musen) anschliessen. Diese Composition vermag nicht ganz
über die leichthin durchgeführte Aneinanderreihung der Figuren
hinwegzutäuschen. Es ist ein breites Erzählen, ein episches Be-
hagen, das dem Lyrischen, dann Dramatischen der vorhergehenden
Entwicklungsstufen Raphaels auffallend entgegensteht. Dabei sind
die Gestalten, wie in der Galathea, in ein breites, gleichmässiges
Licht getaucht und heben sich in plastischem Umriss von ein-
ander ab.
Man könnte meinen, dass Raphael diese Art nur anwendet,
wo sie ihm, wie bei antiken Stoffen, am Platz erscheint, dass
wir es also mit einer dem Künstler wohlbewussten Specialbehand-
lung zu thun haben. Dem aber ist nicht so. Noch vor dem Amor
und Psyche Cyclus entstanden die Fresken der dritten Stanze;
hier nun handelte es sich um die Vorführung mittelalterlicher Le-
genden, die sich jedenfalls viel besser für ein mystisches Halbdunkel
geeignet hätten, als für die klare Behandlung im plastischen Stil.
Nun ist aber Thatsache, dass sich kein besseres Beispiel für die
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Meister; obwohl sich die Gestalten anscheinend im freiesten Linien-
flusse der Glieder bewegen, ist doch jede störende Divergenz mit
den qualvoll hemmenden Zwickelumrahmungen vermieden. Was
da dargestellt ist, erscheint als notwendig so und hält sich fern
von allem malerischen Zufallspiel, wie es Correggio in dem
Laubendach des Klosters von S. Paolo in Parma gegeben hat.
In dem Gegenüber dieser beiden etwa gleichzeitig entstandenen
Cyclen stehen zwei Welten vor uns: die Welt der reinen Form
in Raphael, diejenige alles dessen, was die Form umgiebt, in
Correggio.
In den grossen Abschlussfresken der Farnesina, dem Götter-
gericht und der Hochzeitsfeier an der Decke, erscheint in einem
idealen Raume, dessen Existenz wir in unserer Phantasie an die
Wolkenbank knüpfen, die dem Ganzen als gefälliger Untergrund,
wie schon in den Zwickeln, untergeschoben ist, ein Statuenwald,
dessen Anordnung in einem Halbrund mit malerischen Eckfiguren
in der Mitte des Vordergrundes (Flussgott, Hebe) besteht, woran
dann durch die Bewegung einer Nebenfigur vermittelt (Janus,
Hephaistos) Seitengruppen (Psyche und Merkur, Apoll, Venus und
die Musen) anschliessen. Diese Composition vermag nicht ganz
über die leichthin durchgeführte Aneinanderreihung der Figuren
hinwegzutäuschen. Es ist ein breites Erzählen, ein episches Be-
hagen, das dem Lyrischen, dann Dramatischen der vorhergehenden
Entwicklungsstufen Raphaels auffallend entgegensteht. Dabei sind
die Gestalten, wie in der Galathea, in ein breites, gleichmässiges
Licht getaucht und heben sich in plastischem Umriss von ein-
ander ab.
Man könnte meinen, dass Raphael diese Art nur anwendet,
wo sie ihm, wie bei antiken Stoffen, am Platz erscheint, dass
wir es also mit einer dem Künstler wohlbewussten Specialbehand-
lung zu thun haben. Dem aber ist nicht so. Noch vor dem Amor
und Psyche Cyclus entstanden die Fresken der dritten Stanze;
hier nun handelte es sich um die Vorführung mittelalterlicher Le-
genden, die sich jedenfalls viel besser für ein mystisches Halbdunkel
geeignet hätten, als für die klare Behandlung im plastischen Stil.
Nun ist aber Thatsache, dass sich kein besseres Beispiel für die