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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0086
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Das Werden des Barock.

System. — Wenn wir auf der andern Seite ausgehen vom ent-
wickelten Barock, so ist der Kritik dafür noch keine feste Grund-
lage gegeben. Wir werden eine solche in Italien auch vergebens
suchen. Die Spitze der Barockmalerei liegt jenseits der Alpen,
wie ich glaube, in dem grossen Rubens. Von ihm ausgehend,
werden wir zunächst den reinen Typus des Barock in der Malerei
feststellen und dann seine Entwicklung auf italienischem Boden
zurückverfolgen müssen bis — ja bis auf wen oder auf welche Zeit?
Ich glaube, dass man die eigentliche Geschichte des Barocl<
wird beginnen lassen müssen mit jenen drei Grössen, die gewöhn-
lich als die Krone der Renaissance hingestellt werden: mit Leo-
nardo, Michelangelo und Bramante. Worauf es dabei im Wesent-
lichen ankommt, ist, dass diese drei Künstler neue Werte, d. h.
Werte schufen, welche der Antike und dem Mittelalter wohl be-
kannt, der Renaissancekunst aber ganz abhanden gekommen waren.
Diese hatten für jene Zeit eine solche Bedeutung, dass dadurch
die Renaissance völlig aus ihren allmählich gewohnten Geleisen ge-
worfen wurde. Was Bramante im Anschluss an die gothische und
spätrömische Kunst an Raum vor seine Zeitgenossen stellte, Michel-
angelo gleicherweise und zwar mittelbar in der Gothik, unmittel-
bar in der Antike fussend, immer aber aus der eigenen titanischen
Empfindung heraus an Massen und Formen entwickelte und
Leonardo völlig neu mit Hülfe des Lichtes an Vertiefung des
Ausdruckes leistete, das war damals so unerhört, dass dadurch
die Renaissance aus den Angeln gehoben wurde. Italien hat ein
halbes Jahrhundert gebraucht, um sich in diese neuen Werte ein-
zuleben und als man 1580 wieder zur Besinnung kam, war der
Barock fertig. Auf dem Gebiete der Malerei hatten sich nur
Correggio und die Venetianer selbständig weiterentwickelt. In
Leonardo und Mantegna, bezw. Leonardo und Michelangelo wur-
zelnd, waren sie zu Barockkünstlern geworden, die wie mit dem
neuen Stilgefühle auf die Welt gekommen scheinen. Für Correggio
suche ich die Entwicklung im zweiten Essay dieses Büchleins dar-
zustellen; die Venetianer anlangend, habe ich an anderer Stelle
bereits in aller Kürze darauf hingewiesen, dass wir dort, nachdem
die Renaissance mit Giorgione in einem stimmungsvollen Abend-
 
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