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Strzygowski, Josef
Das Werden des Barock bei Raphael und Correggio: nebst einm Anhang über Rembrandt — Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.71578#0096
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Correggio.

reich flutenden Gewänder geben der Gestalt in beiden Bildern
einen Reiz, der nur überboten wird durch das rührend seelige
Aufgehen der Mutter in ihrem Kinde. In den Uffizien liegt das
Baby splitternackt auf dem Stroh am Boden, Auge und Händchen
der Mutter entgegen, die sich etwas gezwungen vorneigt und die
Hände dem Würmlein unten entgegenbreitet. Ins Unendliche ge-
steigert erscheint das weltverlorene Mutterglück in dem Dresdener
Bilde, wo das Kind in süssem Schlaf auf dem Holzstosse liegt,
umschlungen und gehütet von der regungslos im Anschauen ver-
harrenden Schutzfrau. Die Verkürzung im Kopfe der Madonna und
dem des Kindes ist unsagbar glücklich getroffen. In der Nacht ge-
sellt sich zur Madonna noch Joseph, der hinter ihr dem drollig
störrigen Esel beizukommen sucht, wodurch der Eindruck des
freundlichen Familienidylls noch gesteigert wird.
Correggio stellt also denselben Gegenstand zweimal dar. Und
nun ist trotzdem die Nacht doch etwas ganz anderes als die Ma-
donna der Uffizien. Das liegt ja allerdings schon in dem Contract
für die Nacht von 1522 begründet, worin von Correggio keine
Madonna, sondern eine Geburt des Herrn mit den dazu gehörigen
Figuren gefordert wurde. Der Künstler wandelte den Tagin Nacht
und machte das Kind selbst in unnachahmlicher Natürlichkeit
zur Lichtquelle; dann malte er zu seinem Madonnenidyll noch
die üblichen staunenden Hirten und Frauen und oben den Chor
der Engel zu. Es frägt siclr nur, ist damit auch die zerfahrene
Composition des Hirten links im Vordergründe und das nach
Vasari wie vom Himmel herabgeregnete Engelgewirr erklärt, das
links oben die Ecke füllt? Der Gegensatz zwischen der gemüt-
vollen Anmut und Ruhe in Form und Bewegung auf der rechten
Seite und diesen aufdringlichen Gestalten links ist zu gross, als
dass sich nicht von vornherein der Eindruck geltend machen sollte,
dass da etwas Fremdes, nicht unmittelbar aus der vorliegenden
Kunstschöpfung Strömendes hereinspielt.
Damit sind wir beim Kernpunkt dieser Untersuchung ange-
langt: die linke Seite der „Nacht" bezeichnet einen so krassen
Stilwandel in der Art des Correggio, dass wir unwillkürlich nach
den Gründen desselben fragen. Man halte zudem die Madonna
 
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