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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 7.1916-1917

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Drittes Heft (Juni 1916)
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Ring, Thomas: Gedichte
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Brand, Karl: Gedicht
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Knoblauch, Adolf: Die Seherin: Für Anna Knoblauch
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Walden, Herwarth: Kunstvermittler
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https://doi.org/10.11588/diglit.37112#0038

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Gedichte
Thomas Ring
Die Nacht schauert
Dein Antiitz fahlt
Trauer tropft aus wehen Augen
Mondumweint
Meine Sehnsucht ragt um dich
Weitwöiber Dom
Pfeiier schwingen tönende Bogen
Fenster sprühen bäumende Qiut
Kiänge stürzen wirbein schluchzen
Atmen dich

Glocken dröhnen deinem Tode
Lieder beben hauchen Schmerz
Nächte klagen
Mein Atem schüttert deine goldenen Strähnen
Meine Schultern kauert Grauen
Meine Stirn zerhämmert Gram
Pulsgedrängt
Lechzer Schreie Garbe sprengt den Raum
Erde splittert
Blüten tränen Blut in eise Ode

Sonne wirbelt sprühe Pfeile
Aus des Waldes Harzodem
Brodeln Nebel
Nachtgeduckt
Glanzumlohter Leib verfkauert
Hände pressen knospe Brüste
Nacken steint
Augen schauern rückgewandt
Irre Sterne
Mein Hauch überblüht deine Wangen
Die Ketten deines Schlafes brechen
Lächeln regt deinen bleichen Mund,
Zage Blüten
Zittern unsere Seelen
Dolden träufeln Honigdüfte
Perlbesprüht
Saugen Kelche des Morgens Goldtaumel

ln deinen Tränen perlt mein Blut
Siedheiße Tropfen
Meine Adern welken
Die Sonne zerhaucht
Qualhingeweht

Gedicht
Rar! Brand
Bern Mädchen
Zerfallen
ist mein Gesicht in Tränen,
sandversickert.
Sprungbereiten Fingern entfällst du.
Ich war ein tauverwehtes Wiesenmeter
nun
harter Weg unter wehen Tritten.
Und fimenumleokt
gietschern Gemäuer meiner Lustgebirge

in kalten Seen.
Entrieselt meinem Altarstein
wiegen Wolken.
Zerstieben
Dich — meine Sonne —
schleichst du nachts
tappend schlafverloren
um meine Augenlider.

Die Seherin
Für Anna Knoblauch
Aus greisem Nordmeer, zum grauen Mittag
, ragt die Seherin, gebeugten Riesenleibes,
ihr Antlitz glimmt unbeweglich hinauf.
Goldene Wimpel blitzen triumphierend,
Goldgestalten glühen um die Seherin,
durchsichtig hoch ineinander geschnitten.
Ihre Häupter, Leuchttürme von Gold,
sind gebannt in Kreise von Schwertblitzen.
Unter Bögen zarten vieifarbenen Lichts
schlafen ihre sichtbaren Herzen.
Als der Sturm unendliche Schwärze wälzt,
die Wasser rollt über ihr segnendes Glück,
als sie sich betrübt im Wirbel des Grenzenlosen,
ist ihr Antlitz starr, die Augbraue hoch,
das Auglid nimmermüd . . .
Ueber die wüsten Wirbel
hat sie die unendliche Brücke gespannt,
auf Pfeilern gegründet,
von Schwertblitzen der Gottsöhne gehärtet.
Sie steht auf aus stillem Tal,
Mädchen, gehütet und geborgen.
Sie tritt mitten aufs Meer,
Füße beschuht mit roter Koralle,
feurig der Leib, gegürtet mit Flechten der Tiefe.
Sie schwingt sich zu des Himmels Schatten,
an ihre Sohlen schmiegt das Meer den Tierrücken.
Sonne überwindet ihr Haupt,
bricht den Riegel seiner Nacht,
schmilzt Ametyste, Opale, Rubine,
und glüht weiß ihre Stirn,
daß sie durch Stein und Felsen dringe
in die finsterste Kammer.
Als sie im Gemach der Mütter weilt,
traulich auf dem Schemel zu ihren Füßen,
als des Geliebten Arm um sie gegürtet liegt,
stockt ihr Herzschlag vor dem stillen Atmen,
nah ist das Leben, reglos . . .
Der Nacht Gewölb verklärt ein holder Stern
im blauen Fenster. Die Herzen der Mütter
sind eingeschlafen in den Armen der Liebenden
und ruhen heilig beisammen.
Sie hört des Mittags Wärme tönen,
sein unhörbar Rasen erlauscht sie in Himmelsferne,
und er umschlingt sie mit seinen Armen
im duftend gelockerten Kraut.
Er hebt sie auf, rasend in Zärtlichkeit,
und sie ist seines mächtigen Werkzeugs
tönende Saite, fernhelle Weise.
Ungeheures Haupt auf ihrem Busen!
Bebende Füße, treibendes Herzklopfen,
gespreitete Hände, Zittern, Jauchzen.
Tiere, Bäume, Gras, Wasser, Winde,
Erde, Sonne, Wolken umspringen sie,
der unzählbaren Herden Getümmel,
und rufen sie zum Spiel,
schmeicheln ihr, küssen ihre Glieder,

entzücken ihre Augen, köstlich, flammend,
kränzen frohlockend ihr Haupt,
bis sie zutraulich wird, unschreckbar
mit Tier, Hügel, Himmel, vorm Meer
fürder ihr Fuß nicht stockt.
Es gibt Lippen, Hände, Glieder, Scham
und sie legen sich an Lippen, Hände, Glieder, Scham.
Sie scherzt sinnend unschreckbar,
und freut sich am Wohigeruch,
der um die Felsen heilig fließt;
bekränzten Hauptes, goldner Lenden
liegt sie gebettet in schlanker Hüften Beugung.
Ruhiges Gewölk in der Tiefe sind ihre Augen,
reine Quellen, die aus Felsen springen, ihre Rippen.
ln greiser Nacht geht sie aus sanftem Tal
gebeugten Riesenleibes, die Schultern düster,
ihr Antlitz glimmt von zehrenden Tränen,
Alädchen, gehütet und geborgen . . .
Adolf Knoblauch
Aus dem Buch von Adoif Knobiauch: Kreis des Anfangs
Frühe Gedichte / Erschienen im Vertag Der Sturm i Bertin
Mai 1916

Kunstvermittier
Ber Kaukasier
„Niggerei. Die neueste Kunstmode. Nachdruck
verboten. Von Fritz Stahl. Wenn man jetzt in
unsere Kunstausstellungen geht, in denen die Pa-
role des Tages gilt, so muß man die Hoffnung
draußen lassen, Menschen unserer Welt zu finden,
Form, Bewegung, Ausdruck, die uns vertraut sind,
die unsere Sprache reden. Höchstens ein paar
reife Männer, die diese hebe Jugend von heute
dafür verkaikt schimpft, wagen es noch, der-
gleichen zu schaffen. Den Mut, es an sichtbare
Plätze zu stellen, bringen sie aber nicht mehr
recht auf. Von der kaukasischen Rasse hat etwa
noch der Muschik Bürgerrecht in der Welt des
Schönen. Mehr gilt schon der Mongole. Aber der
eigentliche Beherrscher ist der Neger, in ihm sehen
diese Künstler den idealen Menschen — er hat den
Hellenen abgelöst." Man kann solchen Künstlern
den Vorwurf nicht ersparen, daß sie sich Herrn
Fritz Stahl als Vorwurf entgehen lassen. So ein
reiner Kaukasier ist eine feine Sache. So ein heb.
lenischer Kaukasier hat zweifellos ein Bürgerrecht
in der Welt dies Schönen. Aber Ruhe ist kiie
erste Bürgerpfiicht. Und die Welt des Schönen
sollte die Menschen unserer Weit finden, die
unsere Sprache des Beriincr Tageblatts reden.
Herr Fritz Stahl nimmt den Rassenkampf gegen
Mongolen und Neger auf, die den idealen Menschen
Fritz Stahl abgelöst haben. Er weiß, wie er aus-
sieht und ist sich selbst schön genug. Er schafft
noch Form, Bewegung und Ausdruck, die uns ver-
traut sind. Ja, früher waren bessere Zeiten: „Wie
früher einmal die Künstler idealisierten und in
einer Frau den Anklang an die Venus liebten und
verherrlichten . . Das war Alusik für seine
tauben Augen. Darum sagt er in unserer Sprache:
„So sage ich lieber: Niggerei. Vielleicht bringt das
derbe deutsche Wort hie und da einen zur Be-
sinnung. Künstler oder Mitmacher, was eigentlich
diese Ausschaltung der kaukasischen Menschheit
bedeutet." Kunst. „Ist es nicht Wahnsinn?" Herr
Fritz Stahi hat diie Methode. „Hat die Kunst gar
keinen Umgang mehr mit dem Gefühl oder wenig-
stens mit dem Takt?!" Der Umgang mit der
kaukasischen Menschheit hatte sträfiiehe Folgen.
Und der Umgang mit dem Takt war zu sächlich
und führte zum Taktieren. Diese Musik wurde

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