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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Neuntes Heft
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Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [5]: Dichtung zwischen Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0202
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Sie kommen aus diesem Haus.
Haben Sie Bekannte dort
Mein Arzt wohnt hier
Mein Schwager
Das also ist ihre Schwester
Sie sind in Behandlung
Darf ich Sie begleiten
Wartet meine Schwester nicht auf Sie
Ich treffe Ihren Herrn Schwager auch später.
Sie machen es sich leicht. Sie sind immer
der zweite.
Ich verstehe nicht. Uebrigens habe ich
nicht den Vorzug Ihre Frau Schwester zu
kennen.
Also bin ich wenigstens nicht die Dritte.
Bitte.
Wenn Sie mich zu Siegfried begleiten wollen.
Warum haben Sie gestern geweint.
Das hat er Ihnen erzählt.
Wir haben als Freunde keine Geheimnisse
vor einander.
Fahren wir lieber etwas in die frische Luft.
Auto
Ist der Herr Doktor zu sprechen
Verzeihung
Womit habe ich Sie erschrocken, gnädige
Frau
Ich dachte, ich vermutete, ich wartete
Es ist doch Sprechstunde
Mein Mann muss gleich zurück sein, wenn
Sie hier
Ich bin Kollege. Sie sind krank gnädige
Frau
Uebermüdung
Ich schätze Ihren Gatten ausserordentlich.
Seine grundlegende Arbeit über Hysterie
veranlasst mich ihn zu besuchen.
Es wird meinen Mann sicher sehr freuen,
das zu hören.
Der Kollege kennt die Frauen, er hat sie
mit einer logischen Schärfe seziert
Das ist Ihre Ueberzeugung.
Sie interessieren sich für das Thema, gnä-
dige Frau
Mein Mann hat mir die Arbeit bisher nicht
gezeigt.
Sie ist auch nicht für Laien. Ich finde es
auch sehr rücksichtsvoll, wie es Ihr Herr
Gemahl als Mensch sicher ist. Um so
mehr, da die Frau doch sozusagen das
Objektjseiner Kritik ist.
Ich verstehe nichts von solchen Dingen.
Sie müssten sich dafür interessieren gnädige

Frau. Die natürliche Erklärung jedes so-
genannten psychischen Vorgangs leuchtet
mir um so mehr ein, als ich selbst früher
nicht frei von sogenannten psychischen
Anwandlungen gewesen bin.
Jetzt haben Sie die Seele überwunden.
Ueberwunden dürfte nicht das richtige
Wort sein. Aber ich kann mir jetzt jeden
psychischen Vorgang erklären. Wenigstens
bei der Frau.
So erklären Sie mir doch wie ich bin.
Dazu dürfte Ihr Herr Gemahl besonders in
diesem Fall der Berufenste sein.
Ich leide unsagbar
Und was sagt Ihr Herr Gemahl dazu
Mein Mann versteht mich nicht.
Sie müssen Vertrauen zu ihm haben gnä-
dige Frau. Sich in seine Behandlung be-
geben
Zu Ihnen als Arzt hätte ich Vertrauen.
Allerdings muss ich zugeben, gnädige Frau,
dass der eigne Gatte vielleicht doch nicht
immer objektiv genug ist
Helfen Sie mir.
Eine Behandlung könnte ich nur im Ein-
verständnis von Ihrem Herrn Gemahl über-
nehmen.
Wenn ich Sie bitte mir zu helfen.
Ich müsste Sie über so intime menschliche
Dinge fragen
Fragen Sie
Sie erinnern mich so sehr. Aber es ist
nicht möglich.
Was ist nicht möglich
Es ist schon halb fünf
Sie müssen mir helfen.
Das Problem ist nach der Analyse Ihres
Gatten höchst einfach. Aber seine Auffas-
sung würde sie vielleicht verletzen.
Reden Sie.
Kurz und hart gesagt. Alle Frauen sind
hysterisch.
Was ist das
Ja, gnädige Frau. Das ist eben das Pro-
blem. Nehmen Sie ein Beispiel an. Ein
junges Mädchen liebt mich und ich liebe
es. Die äusseren Bedingungen sind selbst-
verständlich erfüllt. Das junge Mädchen
will mich nicht heiraten. Wie würden
Sie da urteilen.
Das Mädchen liebt Sie nicht genug zum
Heiraten.
Wenn ich Sie aber versichere gnädige Frau,
dass das junge Mädchen, Verzeihung aber

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