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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Zehntes Heft
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Walden, Herwarth: Unter den Sinnen, [6]: Dichtung zwischen Menschen
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [13]: Briefe gegen Paul Westheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0222
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So musst Du Deine Erinnerung suchen
Du bist es, wirst es immer sein.
So bist Du glücklich, wirst es immer sein.
Ruhe in meinem Raum. Und lebe Mensch
wie die andern. Mensch unter Menschen,
Und musst Du leiden, erinnere Dich. Ueber*
menschlich ist es, Mensch zu sein.
Ende

Zur Geschichte des Sturm und
des deutschen Journalismus
Briefe gegen Paul Westheim
Dreizehnter Brief
Niemand kann mir den Vorwurf machen,
dass ich zu eilig über Sie urteile. Eher könnte
man mich tadeln, dass ich gar so ernsthaft
untersuche, was Sie schreiben, anstatt es
als völlige Sinnlosigkeit auf sich beruhen
zu lassen. Wie immer bei solchen Unter-
nehmungen, fehlt es nicht an solchen, die
nicht begreifen, warum ich mir mit Ihnen
so viel Mühe mache und Ihnen obendrein
noch zu einer Berühmtheit verhelfe. Ich
schreibe nicht für den Tag und nicht für
das Jahr. Wer sich in hundert Jahren über
das deutsche kritische Schrifttum dieser
Zeit und seinen fff Geist unterrichten
will, wird die Briefe gegen Paul Westheim
lesen. Auch er wird mir nicht den Vorwurf
machen, dass ich über Sie eilig geurteilt
habe. Und wenn ich es erlebe, dass ich
die Wurzel des journalistischen Uebels zei-
gen kann, dann wird Jeder verstehen, wa-
rum dieser furchtbare Fall Westheim mit
einer Ausführlichkeit und einer Genauigkeit
untersucht werden muss, an die man bis-
her nicht gewöhnt war. Wäre weiter nichts
zu zeigen, als dass Sie gleich anderen
Schriftstellern mit der deutschen Sprache
nicht umgehen können, so hätte ich mich
kürzer fassen können. Wer sich aber der
verhunzten deutschen Sprache bedient wie
Sie, der kann Anderen Leichenfledderei,
Namensmissbrauch, Fälschung und Schwin-
del vorwerfen, und hinterher bestreiten,
etwas Ehrenrühriges behauptet zu haben.
Er wartet ab, was sich aus Worten
und Sätzen beweisen lässt, die man nach
hundert Seiten untersuchen muss, um
wenigstens die Spur eines Sinnes heraus-
zufinden. Denn das grade ist Ihre Un-
wissenheit, dass Sie denken, die Wörter

führen kein eigenes Leben. Sie glauben, ein
„Fall“ sei deswegen kein Fall, weil Sie
beim Schreiben an eine Mausefalle gedacht
haben. Oder Sie bestreiten, dass ein Ge-
schäftsbetrieb etwas mit Geschäften zu tun
habe, weil Ihnen einige Monate später
etwas anderes einfällt. Wenn Sie aber
einen, der unter dem Geschäftsbetrieb den
Geschäftsbetrieb versteht, zum Schwindler
machen, so ist das mehr als Ihre Un-
wissenheit. Und wenn Sie vergessen,
Andere, die Sie beim Wort nehmen, gleich-
falls Schwindler zu heissen, und sie gar
noch als Ihre Zeugen anrufen, so ist das
akkurat der Fall, den wir jetzt gründlich
untersuchen wollen.
Im Juli 1920 schrieb Herwarth Walden im
Sturm:
„Herr Westheim behauptet, dass Feininger
dem Geschäftsbetrieb des Herrn Walden
entlaufen sei. Herr Westheim unterstellt,
dass Feininger wegen geschäftlicher Aus-
beutung und wegen seiner Erkenntnis des
höheren Wertes des Herrn Westheim den
Sturm verlassen habe. Zu diesem Fall
schreibt mir Feininger: „Lieber Herr Wal-
den. Ich erhielt Ihre gestrige Karte.
Es gibt keinen Fall Feininger! Dass ich
vor zweieinhalb Jahren von Ihnen fortging,
lag nur an meiner Ueberreiztheit, denn
unsere Beziehungen zu einander waren und
sind heute noch herzlich. Uebrigens brauche
ich nur aut meine Briefe damals zu ver-
weisen. Mit besten Grüssen Ihr Lyonei
Feininger.“
Ich mute keinem Menschen zu, dass er
sich in dem Gewirr von Entlaufenen und
Fällen zurechtfindet. Mich aber, sozusagen
als Spezialisten, würde es schlecht kleiden,
wenn ich meinen Westheim nicht aus-
wendig kennte. Und ich weiss nur von
einem Feininger, der dem Geschäftsbetrieb
des Herrn Walden entlaufen ist. Wenn ich
ein Jahr habe draufgehen lassen, um
festzustellen, dass Sie einmal von einem
Fall Marc geschrieben haben, dann wird
mir der Himmel die Zeit nicht lassen, in
der ich Ihnen beweisen könnte, dass von
einem Feininger, der dem Geschäftsbetrieb
entlaufen ist, bis zu einem „Fall Feininger“
nicht einmal ein Schritt ist. Sie aber sind
übel dran. Endlich dürfen Sie einmal nach
Herzenlust leugnen und können es nicht.
Denn wenn es auch keinen „Fall

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