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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Zwölftes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [15]: Briefe gegen Paul Westheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0267
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im Wesen so sehr gleicht, dass ich ihn für
Paul Westheim halten müsste. Von Ihnen
aber sollte er sich durch die Reinheit des
Stils und die Genauigkeit des sprachlichen
Ausdrucks bedeutend unterscheiden. Dieser
andere Westheim, der Sie leider nicht sind,
dürfte sonst alle Fehler des wirklichen West-
heim haben, und ich brauchte mich mit ihm
nur halb so vielzu plagen. Auch Andere haben
sich viel Mühe mit Menschen gemacht, die
sie für allgemeine und ganz besondere
Schädlinge hielten. Aber während sie nicht
zweifeln konnten, was sich ihre Herren
Gegner gedacht hatten, als sie dieses und
jenes schrieben, muss ich auf allen Wegen
nachsehen, was Sie denn überhaupt ge-
schrieben haben. Ihr Stil ist so minder-
wertig, Ihr sprachlicher Ausdruck so lässig,
dass ich ihn für beabsichtigt hielte, wenn ich
Ihnen eine solche Geschicklichkeit zutrauen
dürfte. „Das, was er jetzt bringt,
Wauer, Bauer, Nell Walden,
Schwitters.“ Aha, er bringt
jetzt! Und wohin bringt er? Darüber
müssen Sie mich aufklären. Denn wenn
Sie mich etwa belehren wollen, dass Sie
die deutsche Syntax nicht kennen, so ist
das weder eine Neuigkeit noch eine Auf-
klärung. Wohin also bringt er jetzt? Und
was bringt er? Wie sieht das Schwitters
aus, das er jetzt bringt? Oh, wären Sie
doch der andere Westheim. Der hätte ge-
schrieben, dass die Zeichnungen des Kurt
Schwitters, die Herwarth Walden im Sturm
reproduziert hat, jenen der Fröhlich und
Loe gleichen. Und dann hätte er sein
Manuskript zerrissen, weil ihm die Torheit
seiner Behauptung durch die Eindeutigkeit
der Sprache zum Bewusstsein gekommen
wäre. Le style est l’homme meme. Davon
haben Sie noch nichts gehört oder Sie haben
es nie begriffen. Es war nicht übertrieben,
als ich sagte, der andere Westheim könnte
mir nicht die halbe Arbeit machen. Ver-
suchen Sie sich in einem klaren Ausdruck
und einem reinen Stil und Sie werden nichts
mehr zu schreiben haben. Die Sprache
selbst wird Ihnen die Nichtigkeit Ihrer Ver-
dächtigungen beweisen wie die Torheit Ihrer
Urteile. Es mag neu für Sie sein, dass die
Wörter das Denken leiten. Es ist Ihre Un-
fähigkeit, sich in einer klaren Sprache zu
äussern, die Sie so besonders unfähig macht,
über Kunstwerke zu urteilen. Es ist die

Lässigkeit Ihrer Sprache und Ihre Verach-
tung des Worts, die Sie zu bösen Taten
treibt. Wer Wort und Sprache missachtet
wie Sie, beschuldigt andere schwerer Ver-
gehen und glaubt, er habe nichts zu be-
richtigen. Und er schreibt: Das, was er
jetzt bringt. Ich möchte Ihr Geschrei nicht
hören, wenn ich Ihnen auf den Kopf zu-
sage, dass Sie unter dem Schwitters, das
er jetzt bringt, die Zeichnungen des Malers
Kurt Schwitters verstehen und nichts anderes.
So, Herr Westheim, verfälsche und ver-
schwindele ich Ihre Sätze. Das ist so eine
„Giftmischerei, gebraut auf der Hinter-
treppe des Sturm“. Sie werden mir jetzt
vielleicht zugeben, dass man Gift mischen
und zur Not brauen kann, und dass nur
ein ABC-Schütze im stände ist, Giftmische-
reien zu „brauen“. Aber Sie werden mir
nicht sagen können, ob das Gift auf den
Hintertreppen gefährlicher gemischt oder
gebraut wird. Leute Ihrer Art, die sich nur
in Redensarten und Klischees äussern, schrei-
ben wohl von Hintertreppen-Romanen, ohne
sich etwas vorzustellen. Auch mag es sein,dass
auf den Hintertreppen Romane besonderer
Art gelesen werden. Aber nur Sie bilden
sich ein, dass es die Beschäftigung der
Dienstmädchen und kleinen Leute sei, auf
Hintertreppen Gift zu brauen. Und von
dieser Art ist Ihr Denken und Schreiben
auch dann, wenn Sie sich an die Kunst
heranmachen oder Ihre Verdächtigungen
in die Welt setzen. Warum haben Sie so
viel zu leugnen und wissen doch nicht, was
es zu berichtigen gäbe? Weil Sies beim
Niederschreiben nicht gewusst haben, wie
viel törichtes Zeug in Ihren Sätzen steckt.
Jetzt staunen Sie, dass die Zeichnungen des
Kurt Schwitters denen des Fröhlich und
des Loe gleichen. Und wenn Sie es be-
streiten, eine solche hahnebüchene Torheit
jemals geschrieben zu haben, so will ich
Ihnen Spasses halber Recht geben. I m
Wesen, Herr Westheim, im Wesen
ist das Schwitters das gleiche wie die Zeich-
nungen von Fröhlich und Loe. Nur dürfen
Sie nicht glauben, dass ich mir den Kopf
zerbreche, was Sie wohl unter dem Wesen
einer Zeichnung verstehen mögen. Denn
wenn Sie sich dabei so viel gedacht haben,
wie bei der Giftmischerei, die auf Hinter-
treppen gebraut wird, dann ist Ihr „Wesen“
ganz gewiss ein Nichts. Entweder wollen

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