Abb. 18: Eugene Delacroix, Studien zum »Mort de Sardanapale«, um 1827, Paris,
Louvre, Departement des arts graphiques.
Dass die Figur des Sardanapal von Delacroix ursprünglich als Frevler
und Zyniker konzipiert war, zeigt die bekannte Vorzeichnung im Lou-
vre, in der der alles dominierende Mann mit einer kopflosen, ganz auf
ihren Leib reduzierten Frau konfrontiert wird (Abb. 18).64 In der end-
gültigen Fassung des Bildes dominiert dann allerdings die kontemplati-
ve Haltung; der zwangsjackenartig eingebundene linke Arm verweist
auf Selbstbezüglichkeit und Introvertiertheit.65 Boccaccio hatte in sei-
ner Verurteilung des Sardanapal im 13. Kapitel des 2. Buches vom
Glück und Unglück berühmter Männer und Frauen vor allem den Aspekt
nutzloser Zeitverschwendung durch den Despoten betont. Delacroix
wertet diese Nutzlosigkeit um in das Habitusmerkmal des wahren
Künstlers, der selbst in der krisenhaftesten Situation unmittelbar vor
seinem Tod an der Muße der Kontemplation66 - Voraussetzung jeder
ästhetischen Gestaltung - festhält. »Geistesaristokratisch« und damit
dem Künstlerselbstverständnis der Romantik entsprechend sind an die-
ser Haltung die stolze, selbst gewählte Isolation, die im Bild durch das
Bett als Ruhepunkt gegeben ist, von dem das Chaos der wertlos gewor-
denen Accessoires weg und aus dem Bildraum zu rutschen scheint. Der
romantische Künstler verfügt über die Autonomie in der Formgebung
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