sein Auge an den unendlichen Verdiensten der nordwestlichen Künstler übte,
ein sehnsuchtsvoll verehrender Blick nach Südosten immer offen gehalten."
Goethe war von Weimar aus mit dem Herzog, dem jungen von Stein oder
allein mehrmals in Leipzig. Bei seinem Aufenthalt vom 24. Dezember 1782
bis 2. Januar 178Z besuchte er die Winckler-Sammlung, wahrscheinlich auch
am Neujahrstage 1797, als er mit dem Herzog in Leipzig weilte. Goethe
schreibt an Meyer am 19. Januar 1797, daß er ein .Kunstkabinett besichtigte,
in welchem ihn ein dem Domknichino Zampieri zugeschriebenes Bild „Hagar
mit dem Kinde und dem Engel" angezogen hatte, welches er aussührlich be-
schreibt. Ich habe das Bild sowohl in der Winckler- als auch in der Richter-
Sammlung nicht feststellen können. Aus der Sammlung Hirzel ist in der
Leipziger Universitäts-Bibliothek ein Brief vom Herzog Karl August vom
10.Juni 1780 aus Leipzig an Oeser in Dölitz vorhanden, in dem er schreibt,
daß er und seine Frau den nächsten Tag die Sammlung Winckler besuchen
wollen. Am 1. Mai 1794 schreibt Johann Heinrich Meyer, der Goethe-
Meyer oder Kunst-Meyer genannt (1759—1832),von Leipzig aus an Goethe:
„Von Winklers Cabinet habe ich Ihnen vieles zu melden. Er selbst ist der
gefälligste und kunstliebendeste Mann, den ich je gesehen, lebend und webend
und glücklich kn der Idee des Besitzes seiner Bilder und derer, die er noch
anzuschaffen gedenkt, ein Kenner, so viel ich davon verstehe, von der nieder-
ländischen Schule, in so fern er cs seyen kann. Wie Tischbein erzählt er
gerne die Anekdoten von seinen Gemählden, doch bescheidener, ist aber, so oft
es auf Auslegung des Sujets oder auf Geschichte der Kunst ankömmt,
unglücklich und verworren. — Es ist ohnmöglich, drey Zimmer voll Bilder
nur einmal zu sehen und nicht viel Merkwürdiges zu übergehen,- deswegen
kann ich Ihnen nichts Vollständiges geben, sondern nur von denen ein Ver-
zeichnis, welche mir besonders in die Augen fielen." Dann folgt eine aus-
führliche Beschreibung von Bildern, die ich in den neuen Katalog hinein-
gearbeitet Habe. Am 4. Mai 1796 schreibt Meyer an Goethe: „Wenn
Durchlaucht der Herzog disponiert seyn sollte, etwas von der Winklerischen
Sammlung an sich zu bringen, so wenden Sie doch ja Ihren ganzen Credit
an, daß die Wahl auf etwas Gutes fällt. Der Guido, die Artemisia mag
200 Thaler wert seyn, er ist schön,- die übrigen italienischen Stücke bekommt
man hier besser und wohlfeiler. Vor dem Raphael ist sich zu hüten, so wie
vor den zwey Hackertischen Landschaften und den Bildern von Dietrich. Von
Tenters sind sehr gute Stücke und einige Bildnisse von Niederländern. Eine
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ein sehnsuchtsvoll verehrender Blick nach Südosten immer offen gehalten."
Goethe war von Weimar aus mit dem Herzog, dem jungen von Stein oder
allein mehrmals in Leipzig. Bei seinem Aufenthalt vom 24. Dezember 1782
bis 2. Januar 178Z besuchte er die Winckler-Sammlung, wahrscheinlich auch
am Neujahrstage 1797, als er mit dem Herzog in Leipzig weilte. Goethe
schreibt an Meyer am 19. Januar 1797, daß er ein .Kunstkabinett besichtigte,
in welchem ihn ein dem Domknichino Zampieri zugeschriebenes Bild „Hagar
mit dem Kinde und dem Engel" angezogen hatte, welches er aussührlich be-
schreibt. Ich habe das Bild sowohl in der Winckler- als auch in der Richter-
Sammlung nicht feststellen können. Aus der Sammlung Hirzel ist in der
Leipziger Universitäts-Bibliothek ein Brief vom Herzog Karl August vom
10.Juni 1780 aus Leipzig an Oeser in Dölitz vorhanden, in dem er schreibt,
daß er und seine Frau den nächsten Tag die Sammlung Winckler besuchen
wollen. Am 1. Mai 1794 schreibt Johann Heinrich Meyer, der Goethe-
Meyer oder Kunst-Meyer genannt (1759—1832),von Leipzig aus an Goethe:
„Von Winklers Cabinet habe ich Ihnen vieles zu melden. Er selbst ist der
gefälligste und kunstliebendeste Mann, den ich je gesehen, lebend und webend
und glücklich kn der Idee des Besitzes seiner Bilder und derer, die er noch
anzuschaffen gedenkt, ein Kenner, so viel ich davon verstehe, von der nieder-
ländischen Schule, in so fern er cs seyen kann. Wie Tischbein erzählt er
gerne die Anekdoten von seinen Gemählden, doch bescheidener, ist aber, so oft
es auf Auslegung des Sujets oder auf Geschichte der Kunst ankömmt,
unglücklich und verworren. — Es ist ohnmöglich, drey Zimmer voll Bilder
nur einmal zu sehen und nicht viel Merkwürdiges zu übergehen,- deswegen
kann ich Ihnen nichts Vollständiges geben, sondern nur von denen ein Ver-
zeichnis, welche mir besonders in die Augen fielen." Dann folgt eine aus-
führliche Beschreibung von Bildern, die ich in den neuen Katalog hinein-
gearbeitet Habe. Am 4. Mai 1796 schreibt Meyer an Goethe: „Wenn
Durchlaucht der Herzog disponiert seyn sollte, etwas von der Winklerischen
Sammlung an sich zu bringen, so wenden Sie doch ja Ihren ganzen Credit
an, daß die Wahl auf etwas Gutes fällt. Der Guido, die Artemisia mag
200 Thaler wert seyn, er ist schön,- die übrigen italienischen Stücke bekommt
man hier besser und wohlfeiler. Vor dem Raphael ist sich zu hüten, so wie
vor den zwey Hackertischen Landschaften und den Bildern von Dietrich. Von
Tenters sind sehr gute Stücke und einige Bildnisse von Niederländern. Eine
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