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XL
Der zweite Aufenthalt in Venedig.

»ich pin ein zentilom zw Fenedig worden«.

Dürer.

emeiniglich pflegen wir die Lebensgefchichte
eines Mannes nach auffälligen äüfseren Er-
eigniffen in derfelben zu gliedern. Für
Künftler zumal, welche keine wechfelvollen
Schickfale aufzuweifen haben, fuchen wir die
entfcheidenden Wendepunkte in ihren Reifen;
von der richtigen Vorausfetzung geleitet, dafs
diefelben eine unmittelbare Einwirkung auf
ihren Genius üben müfsten. Sehr nahe liegt
diefer Gedanke auch bei jenen beiden Reifen Dürers, die ihn für längere
Zeit in die beiden Hauptländer der modernen Malerei führten und von
denen er uns felbft fo werthvolle fchriftliche Berichte hinterlaffen hat.
Und doch würden wir uns täufchen, wenn wir von dem Venetia-
nifchen Aufenthalte im Jahre 1506 oder von der Niederländifchen
Reife im Jahre 1520 irgend einen wefentlichen Umfchwung in Dürers
Kunftthätigkeit herleiten wollten. Beidemal war der Abfchlufs einer
entfcheidenden Entwickelungsperiode Dürers der Reife bereits vor-
angegangen.

Die Zeit, da Dürer Lernens halber Venedig aufgefucht'hatte, war
feit einem Jahrzehnt vorüber, als er, ausgeglichen mit fich felbft und
mit den Beftrebungen Anderer, in bewufster Zuverficht dahin zurück-
kehrte. Dazwifchen lag ein fchweres Ringen nach Wahrheit, ein
Kampf um die Geftaltung des Höchften und Betten, wie ihn nur je
eine Künftlerfeele gekämpft hat. Und zwar fällt der Klärungsprocefs,
der Dürer plötzlich zur völligen Selbftändigkeit, zur klaren Erkennt-
nifs feiner künftlerifchen Sendung erhebt, gerade in das Jahr 1503,
ohne an irgend welche äufsere Lebensverhältniffe anzuknüpfen. Aller-
dings mochte der Tod des Vaters am Ende des Vorjahres, der Dürer
fo fehr erfchütterte, feine Einkehr in fleh felbft mit veranlafst haben.
 
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