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Thiersch, Hermann
Pharos: Antike, Islam und Occident ; ein Beitrag zur Architekturgeschichte — Leipzig, Berlin, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.6241#0050
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KAPITEL II

DIE NACHANTIKEN QUELLEN

1. Die abendländischen Autoren

Verhängnisvoll war Adlers Versuch (S. 6), seine Hypothese von der wesentlichen Abänderung des Pharosoberbaues
im 6. Jahrh. auf den Bericht des Adamnanus zu stützen. Der Autor versagt völlig für diesen Zweck. Genauer besehen
geht nämlich seine Pharosnachricht nicht auf das 7. Jahrh., sondern auf das 4. bzw. 1. nachchristliche Jahrhundert
zurück, gehört also noch zu den guten antiken Quellen. Adamnanus, der Abt von Jona, erzählt im wesentlichen nur
wieder, was ihm von dem gallischen Bischof Arculf nach dessen Rückkehr aus dem h. Lande im Jahre 666 berichtet
wird. Diesen Reisebericht hat er dann weiter ausgebaut durch starke Beiziehung des sogen. „Hegesippos". So gerade
für Alexandria. Vgl. Paulus Geyer, Adamnanus, Progr. d. St. Anna-Gymnasiums zu Augsburg, 1895 S. 4 u. 12. Auch
die Notiz über den Pharos entstammt dieser Quelle (de excid. urbis Hieros. IV, 27), einer freien lateinischen Bearbeitung
des Flavius Josephus aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts1). Dies festzustellen ist besonders auch deshalb wichtig,
weil dadurch endlich die Unsicherheit über die Art und Weise der antiken Befeuerung des Pharos beseitigt wird. Sie
wurde eben nicht durch Steinöl, wie Adler (S. 6) glaubte, sondern durch Holz und Pech bewerkstelligt, wie Veitmeyer
(S. 15 ff.) mit Nachdruck befürwortete. Auch die mächtigen Steindämme um den Fuß des Pharos, deren Adamnanus
Erwähnung tut, sind also keine anderen als die schon von „Hegesippos" resp. von Josephus beschriebenen, denen
dann des Kaisers Anastasius Tätigkeit zugute gekommen ist. — Beda (de locis sanctis c. XVIII) und Wilhelm von
Tyrus geben nichts Neues.

Die letzten Erwähnungen des Pharos im ausklingenden Latein und Griechisch des Mittelalters sind Stellen, welche
den Turm unter den sieben Weltwundern aufzählen. So bei Gregor von Tours, Beda Venerabiiis und Georgius
Cedrenus. Über die Tatsache, daß diese Zusammenstellung sieben merkwürdiger Bauwerke bis in frühhellenistische
Zeit zurückgeht, siehe oben S. 20, Anm. 1. Diese Erwähnungen ergeben aber alle nichts Neues bis auf einen merk-
würdigen Punkt, der ebenso merkwürdig bei den Arabern dann wiederkehrt. Es kann sich dabei keineswegs um
eine Erfindung arabischer Phantasie handeln, wie man bei der vielfach wiederholten Erzählung erst glauben könnte.
Es ist der Passus über die vier kolossalen Krebse von Glas, auf denen der unterste Teil des Turmes ruhen solle. Ja,
diese wunderbaren Krebse von Glas scheinen immer mehr der Grund zu werden, um dessentwillen der Bau überhaupt
unter den Wundern genannt wird. Das war freilich nicht von Anfang an so; ursprünglich war es sicher nur die
enorme Höhe des Bauwerks und sein Leuchtapparat, welche dazu Veranlassung gaben. Auffallend ist dabei, daß jene
fabelhafte Erzählung bei den Griechen völlig fehlt und erst bei den abendländischen Lateinern auftaucht. Dazu ist mit
van Berchem, Materiaux p. 482 der Ausdruck „cancri" sicher buchstäblich zu nehmen, nicht etwa in übertragener Be-
deutung, wie Quicherat (Melanges d'archeologie et de l'histoire p. 506ff.) wollte: als von Gewölben zu verstehen.
Ebenso werden bei Adamnanus, die cancri der Taufkirche im Jordan und der Kirche in Nazareth, vielleicht auch die-
jenigen unter dem Theater von Heraklea in Bithynien wörtlich zu nehmen sein. Der Text eines spätlateinischen
Manuskriptes zu Charleville (Dep. Ardennes), zitiert von Quicherat p. 507, gibt ziemlich dasselbe wie der ebenda
p. 509 note 2 angeführte Wortlaut bei Gregor von Tours: die Krebse aus Glasfluß seien so groß gewesen, daß ein
Mann sich lang ausgestreckt zwischen ihre Scheeren habe legen können.2)

1) Vgl. unten im Nachtrag. 2) Dieselbe Stelle kehrt fast identisch wieder in einem Pariser Codex (n. 8818 saec. XI. fol. 59v); so nach
L. Traube bei Schott, de Septem orbis spectaculis quaestiones, Appendix II, p. III. Nach Quicherat a. a. 0. heißt der Passus: „Farus Alexan-
driae super quatuor cancros fusiles vitreos sub mari passus viginti fundata. Quomodo tarn magni cancri fusi sint, vel quomodo deportati in
mare et non fracti, vel qualiter fundamenta caementicia super illos adherere potuerint, et sub aqua qualiter caementum Stare potuerit, vel
quare cancri non frangantur et cur non lubricat fundamentum desuper: hoc magnum miraculum est, ac qualiter factum sit, ad intelligendum
videtur difficile." —Diese Nachricht lautet so bestimmt, daß es schwer hält, Butler beizustimmen, der (The Arab Conquest of Egypt p. 376 ff.)
nachzuweisen sucht, die Pharos-Krabben wären nur irrtümlich aus den Krabben und Skorpionen entstanden, welche einst den beiden Obe-
lisken vor dem Cäsareum als Eckuntersätze gedient haben. Die Konfusion bei Ibn el-Faqih (vgl. unten) wird gerade dadurch eben erst ent-
standen sein, daß es dergleichen Getier nicht nur unter den Obelisken, sondern auch unten im Pharos gab.

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