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Geister, sich zu Luther und seiner Refor-
mation zu bekennen. Er hat dies getan mit
dem monumentalen kleinen Kupferstich des
Lutherkopfes von 15 20 (3) und aller folgenden
Bildnisse, die den Reformator als den gott-
erleuchteten und gottgesandten Propheten
dem Volke vor die Augen stellten; mit den
Kampfbildern von der Art des Passionais
Christi und Antichristi, mit der immer neuen
Mitarbeit an der Illustration der Lutherbibel,
mit denBildnissen der führendenMänner und
Bekenner der evangelischen Sache, mit den
großen Altargemälden schließlich, vor denen
die Gemeinden den Gottesdienst als deutsche
Messe hielten, vor denen die starken Glau-
benslieder der Reformation erklangen.

Schon in Wien hatte Cranach enge Fühlung
mit den humanistischen Kreisen der Uni-
versität, mit den Männern, die neue Wege
suchten. In Wittenberg steht er an der Seite
Friedrichs desWeisen,eines tief frommen und
wirklich weisen Regenten, dem man 1519
die Kaiserkrone anbot, der es aber fertig-
brachte, in vielleicht zu bescheidener Einschätzung seiner eigenen Machtposition, sie auszu-
schlagen ; der es aber auch fertigbrachte, sich von den angesammelten Schätzen mittelalterlicher
Frömmigkeit, die doch Wittenberg zu einem Rom der Frömmigkeit machen sollten neben
dem Athen der Bildung in der Universität, zu lösen und in den ungewissen Anfangsjahren der
Reformation dem umstrittenen jungen Professor Luther den Weg frei zu halten in allen
Gefahrzonen. Cranach verbindet bald enge Freundschaft mit Luther, und interessant ist es, in
seinem künstlerischen Werk den Wandel zu spüren, den diese Begegnung und Entscheidung
für ihn bedeutete. Der Weg vom Katharinenaltar, von den 14 Nothelfem bis zu den großen
Altären der Reformation ist ein weiter Weg. Bestimmte Themen gewinnen sein besonderes
Interesse, wie das von ihm eigentlich erst geschaffene »Lasset die Kindlein zu mir kommen«7,
des wieder ganz nahen Christus oder das andere von Christus und der Ehebrecherin8, dieses
so radikalen Angriffs auf harte gesetzliche Frömmigkeit und des Aufleuchtens göttlicher Ver-
gebung, die retten und wandeln, nicht richten und verdammen will.

In den großen reformatorischen Altären finden solche Wegzeichen ihre Vollendung. Die
Tagespolemik der Kampf bilder und Flugschriften schweigt, und es werden positive Glaubens-
aussagen versucht über Gott, Christus, die Kirche, über den Menschen vor Gott, so wie ihn
die Bibel sieht und sehen lehrt. Cranach der Ältere vollendet sein Lebenswerk in diesen Mo-
numentalwerken, Cranach der Jüngere erreicht in Mitarbeit daran und dann in eigener Ge-
staltung die meisterliche Flöhe seiner Kunst.

3 : Oben links: Wahrscheinlich Selbstbildnis Cranachs. 1520.
Aus dem Erstabzug des ältesten Lutherbildes. Weimar

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