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Poensgen, Georg; Trübner, Wilhelm [Editor]; Heidelberger Kunstverein [Editor]
Trübner in Heidelberg: Wilhelm Trübner aus Anlass seines 50. Todestages zum Gedächtnis; Heidelberger Kunstverein, 25. November 1967 bis 7. Januar 1968 — Heidelberg, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.36917#0016
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Aus „Das Heidelberger Schloß" von Wilhelm Trübner

Erschienen im Feuilleton der Frankfurter Zeitung am 15. Oktober 1905.

Man darf nun wohl mit Sicherheit annehmen, daß nachdem die Verhandlung über das Schicksal
des Heidelberger Schlosses brennend geworden ist und da das daraus entstehende Ergebnis
verhängnisvoll werden kann für das Ansehen der deutschen Kunst, auch die Maler und Bild-
hauer ihre unerbetene Stimme in der Sache abgeben werden, was dann nicht unberücksichtigt
bleiben kann. Denn es muß offen ausgesprochen werden: mit der kunstfeindlichen Maßregel,
Maler und Bildhauer von allen öffentlichen Kunstangelegenheiten auszuschiießen, hat man der
Monumentalkunst unserer Zeit den Todesstoß versetzt. Will man eine Wandlung zum Besseren
herbeiführen, damit Deutschland nicht ferner verunziert und die Liebe zur Heimat durch diese
im größten Maßstabe betriebenen Verunstaltungen nicht gänzlich getötet werde, so muß dem
Vorrecht der Architekten, alle öffentlichen Kunstangelegenheiten in der bis jetzt geübten, wenig
künstlerischen Weise allein zu handhaben, Einhalt geschehen. Die erste Tat muß darin bestehen,
bei der Regierung zu beantragen, daß das letzte noch dastehende Dokument höchster deutscher
Kunstblüte, daß der Ott-Heinrichs-Bau im Originalzustande erhalten werde und von jeder un-
künstlerischen Vergewaltigung, wie sie der Friedrichsbau über sich ergehen lassen müßte, ver-
schont bleibe.
Wenn aber, dem Wunsche einzelner entsprechend, trotzdem das Heidelberger Schloß in seiner
vermeintlichen früheren Gestalt rekonstruiert werden sollte, dann gäbe es doch den recht ein-
fachen Ausweg, sich einen anderen Hügel innerhalb des Deutschen Reiches für dieses Experiment
auszuwählen. Dann hätten beide Parteien das von ihnen Gewünschte, die, die in künstlerischer
Beziehung den Rheinwein gern in Originalgüte trinken, und die, welche ihn lieber als Pfirsich-
bowle verpanscht bevorzugen. Wird das Schloß auf der alten Stelle neu wiederaufgebaut, dann
hat der Staat außer den materiellen Opfern auch den Verlust seines wertvollsten Kunstbesitzes
zu beklagen. Bel dem Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses würde ja tatsächlich das alte
Original abgetragen und eine Kopie dafür aufgesteilt, so daß über kurz oder lang ein neues,
ebenso tatendurstiges Baubureau dem Lande den Vorschlag unterbreiten dürfte, mit Hilfe der
abgetragenen originalen Skulpturen das echte Schloß in seiner gewesenen Ruinenschönheit
auf einem neu auszuwählenden Hügel wieder aufzurichten. Wir hätten also mit absoluter Sicher-
heit und in absehbarer Zeit das unechte Schloß auf der Originalstelie und das Originalschloß
auf einer falschen Stelle. Die Durchführung dieser Ungeheuerlichkeit wäre also doch nicht
denkbar, wenn man sich die mit Notwendigkeit ergebenden Konsequenzen vor Augen hielte. .. .
 
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