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Ulk: illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire — 30.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.29961#0025

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Januar shlOs

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Ausgaben etwa 5stI Milliarden hinzu. so kämmt ein ?luf>raud
heran?, der weit über die Steuerkrast unseres Volkes geht. Lehnen
Sie daher alle Anträge ab, die neue Kolonie» und mit diesen
neue Lasten dem Steuerzahler aufhalsen. (Beifall lint?.>

Abg. Lieber: Von Weltpolitik hat Herr Richter keine Ahnung.
Er fehimpft auf China. Warum? Er weih eben nicht, was der
Handel mit chinesischem Thee einbringt. Ich stelle ihm meine
Geschäftsbücher zur Verfügung, wenn er darüber Aufklärung
verlangt. Ansklärung gewahre ich ja so gern. Auch gegen den
Mars ist Herr Richter voreingenommen, ohne uns einen triftigen
Grund zu sagen. Das bischen Geld ist doch kein Hindernis;. Das
bringt Deutschland leicht wieder ein, — natürlich nur, wenn es
sich nicht gegen die Außenwelt abschliefst. (Abg. Richter: Aha!)
Ich meine, wenn ein Reich wie daS deutsche einer hervorragend
intelligenten Gruppe von Menschen seine Thore verschliefst, wenn
es den klugen, moral- und knltnrfördernden Jesuiten den
Eintritt verwehrt, dann seht es sich in Widerspruch zu seiner
eigenen Weltpolitik. (Bravo! im Eenteum.) Wir wollen die
Negierung gern unterstützen, wenn sie Absichten auf den Mars
hat, aber nur unter einer Bedingung: das; inan uns eine sichere
Garantie für völlige Parität ans dem Mars gewähre. Nur
so sind die deutschen Katholiken für die kulturelle Eroberung des
Mars Zn haben. (Beifall im Cenlram und recht-?. Zischen links.)

Abg. Bebel: „Tie kulturelle Eroberung des Mars" sagt der
Vorredner, aber die Negierung denkt anders. (Minister v. Gosster:
Woher wissen Sie das?) Ich werde mich hüten, dem Herrn Minister
meine Quelle anzngeben! (Heitertest.) Ich bin aber in der Lage,
Ihnen, m. H., den neuesten Geheimerlas; aus dem Kriegsministerinm
vorzulegen. (Minister v. Gosster: Der ist unecht.) Warten Sie doch
erst, Herr Minister! In diesem Geheimukas wird den Offizieren
der verschiedenen Artillerie-Schießschulen befohlen, das; sie sich ans
das Probesehiehen mit einem neuen Krnpp'schen Zweihnndert-
Zweinndzwanzigpfünder vorbereiten sollen, dessen Geschosse im
Stande sind, ans eine Entfernung von 60 Millionen Kilometer
kleine Sterne vierter bis fünfter Größe zu durchbohren. (Große
Bewegung.) Ta sich der Mars der Erde bis ans 54 Millionen
Kilometer zu nähern Pflegt, kann, wer nicht ganz ans den Kopf

gefallen ist, ansrechnen, zu welchem Ztstea oiese steuen Geschütze
in unsere Armee cingeführt werden sollen.

Minister v. Gvhler: An dieser ganzen Geschichte ist natür-
lich vorläufig kein Wort wabr. lind außerdem werde ich eine
strenge Untersuchung anstellen, wer diesen durchaus nicht für die
Oeffentlichleit bestimmten Geheimerlah fast Wort für Wort dem
„Vorwärts" verrathen hat. (Beifall rechts.)

Abg. Graf Kanitz: Ich muh mich natürlich für die Er-
schließung des Mars anssprechen, nur betrachte ich es als selbstver-
ständlich, daß die Negierung zu allererst ein Verbot der Fleisch-
nnd Getreideeinfuhr ans dem Mars erlässt. Nur dann, wenn
das Verbot erfolgt ist. werden wir ans der Rechten die Mittel zur
Ausrüstung einer friedlichen Lnftkriegsflvtte bewilligen. (Zustim-
mung bei den Konservativen.)

Reichskanzler Bülow: Al. H. (Lebhafter Beifall vvn allen
Seiten.) Ich habe bis zuletzt gewartet (Bravv-Nufe links), um erst
die Meinung der verschiedenen Parteien zu hören. (Donnernder
Applaus im Centrnm.) Ich habe nun den Eindruck (Bravo! rechts),
daß Sie Alle, Alle «nngetheilte Zustimmung) einig sind, Deutschlands
neuesten Kurs der Weltallspolitik zu unterstützen. (Händeklatschen
und Inbelrufe.) Die Regierung hat die Ereignisse voransgesehen
(Dravv!) und bereits einen Vertrags-Entwurf ausgearbeitet, der
Ihnen übermorgen vvrgelegt werden wird. (Hört! Hört!) Es ist
ein Pacht-Vertrag mit den Bewohnern des Mars, vorläufig nur aus
999 Jahre ansgestellt, — wonach den Deutschen allein das Recht
znsteht, ans dein Mars sich anzusiedeln, die vorhandenen Kanäle
zu benutzen 'tobender Beifall auf der Linken), Missionsstationen zu
errichtet! (rasender Jubel im Ecntrum) und an geeigneten Stellen
Kohlenstationen und Kriegshäfen anzulegen. Ich sagte einst:
Deutschland braucht einen Platz an der Sonne. Ich schränke das
weise ein, indem ich vorläufig betone: Deutschland verlangt
einen Platz am Mars. (Hnrrah! und All Heil-Geschrei.) Ja, m. H..
Deutschlands Zukunft liegt in der Luft. (Neuer Beisallstnmult.)
Der Pachtvertrag ist ansgearbeitet, jetzt liegt es nur noch an
Herrn Tesla, ihn den Marsbewohnern zu,zustellen. (Der Jubel hat
eine solche Höhe erreicht, das; auch der letzte Satz des Redners die Hörer
nicht zu ernüchtern vermag.) S. Mg.

Muer Berliner Gl'erprllsidenren Hnmmis.

Für den cintretenden Fall im Oorrath zusammengereimt von unserin Schnelldichter Fridolin Li e v e r s ch n u r z.

D^Mkws wälzt das Volk sich,

VW» - - i. <

jauchzt und rennt

(Das sonst nicht selten renitent);
Was ist heut für ein Fest-Moment?

Wer ist's, den jede Lippe nennt
Mit überlautem Lnst-Accent — ?

Das Echo ruft es eminent:

Heut kriegt Berlin ein neu Patent —
Ihm blüht ein „Oberpräsident'"

Legt schirmend er ans uns die Hand',

Wird keine Bank mehr insolvent,
„Unlauter" ist kein Konkurrent,

Durch füllt mehr kein Abiturient,
Beschädigt wird kein Monument,

Nie stirbt dem Arzt mehr ein Patient,

Zn pumpen braucht mehr kein Student,
Lob sprudelt jeder Rezensent,

Jed' Staatspapier giebt 10 Prozent —

Wie dies Miguel so gern uns gönnt!

Wie Mignons „Eingeweide brennt",

So stammt im Herzen uns latent
Die Inschrift „ Oberpräsident!" —

Wie klingt das stolz und opulent,
„Berliner Oberpräsident!" —

Nun wird das Dasein ercellent;

^ Vereint wird nun, was sonst getrennt —
Zahn: wird der frechste Opponent;

Der Landwirthsbund, der hungrig flennt,
Zeigt dann sich plötzlich korpulent — —
Für's Schlimmste ein Aeguivalent,

Ja, ein Allheil-Medikament
Wird bald der Oberpräsident,

Der Völkersehnsucht Ornament! —

Wer fragt nach Geld noch und Talent,
Sobald uns glänzt am Firmament
Ter Fixstern „Oberpräsident!" —

Wer die Soziale Frage kennt,

Ter hielt sie stets für permanent,

Und seufzte: Tausendsapperment,

Tie Sache ist impertinent! —

Doch nun hat alle Sorg' ein End'

Bei Konsument und Produzent:

Uns hilft der Oberpräsident! —-

Der Assistent, der Inspizient,

Der Expedient und der Agent —

Ta war oft mancher malkontent;

Doch neu ihr Lebenselement
Schafft bald der Oberpräsident! —

Ob konsegnent der Eine pennt,

Der Andere sitzt im Pariament;

Ob Einer Rekonvaleszent.

Ob Der Klient. Der Dirigent,

Ob taktvoll und mit Temperament
Der spielt sein Blase-Instrument;

Ob Ter beim Gardercgiment
Bezieht sein kärglich Traktament;

Ob man Skribent, ob kompetent
Beim chemischen Experiment;

Ob man als Maurer konsistent
Beim Hausbau legt das Fundament:
Kommt erst der „Ob er Prä sid ent",
Macht alle Noth ihr Testament — —
Dazu bedarf's kein Argument! —

Von Gent, Trient und Benevent,

Vvn Ostend' hin bis nach Sorrent —

Im Orient wie im Occident
Macht jeder Dir sein Kompliment,
Berliner Oberpräsident! —

Der Sänger aber, wenn er's könnt',

Gerbt' seine Haut zu Pergament
Und schriebe mit Auripigment
Trans als Begeisterungs-Dokument
Dies Lied und brächt' es zum Präsent
Als Transparent

Dir, neuer Oberpräsident! R. S.-6.
 
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