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Ulk: illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire — 30.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.29961#0030

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Seite 2 * Nr. H

2Z. Januar

OV.K.

Die Welt der Widersprüche.

ie doch bei den Chinesen
Die Welt verkehrt sein muß:
Bein Brieg ist dort gewesen, —

Nun kommt's zum Fricdensschluß!

Die Deutschen wollten rächen
Den frevelhaften Mord,

Und — gaben das Versprechen,

Nichts zu erobern dort.

„Pardon wird nicht gegeben",

So hörte man sie droh'n,

Und — dann galt a'l ihr Streben,
Zu fest'gen Chinas Dhron.

Mit welchen Donncrworten
Zog waldersee hinaus, —

Allein, kaum ist er dorten,

Sehnt er sich rasch nach Haus.

Er, der in Deutschland heiser
Sich sprach voll Zorn und Muth,
Beschwört jetzt Chinas Baiser:
Bomm! wir sind wieder gut!

Doch ach! ihm zum Verdrusse
Schrei'n: „wir sind auch noch da!
Der Brite und der Russe,

Japan, Amerika.

Und er, der über allen
Stolz schwingt den Marschallstab,
Läßt ihnen zu Gefallen
Bald dies, bald jenes ab!

Ein Friede kommt zu Stande,

Der nur den Zwist vermehrt,-

wie ist im Lhinalande

Doch alles so verkehrt! S.

Das Reichswohnbans.

giebt ganze Völkerstämme, die bisher den Professor Ziegler
in Jena nicht kannten. Aber von nun an ist er für den
ganzen Erdkreis berühmt. Er hat das Mittel gefunden, die Präsens
im Reichstage zu heben, indem er ein Reichswohnhaus vorschlägt,
wo etwa hundert Abgeordnete freies Quartier finden sollen.

Da uns kein Schnellzug rasch genug ging, haben wir uns
vom Grafen Zeppelin nach Leipzig lnftgondeln lassen, um Näheres
über dieses Projekt zu hören. Nun denn, die Sache ist bereits
viel weiter gediehen, als man annehmen konnte. Sogar die
Sozialdemokraten betheiligen sich an dem Vau; sie werden die
äußere Fa^ade Herstellen, wie immer so auch hier bereit, Front
zu machen. Da sie sich immer so auf dem Huud fühlen, werden
sie sich in der Bell-EtageZimmer reserviren lassen. Die Konservativen,
die höher hinaus wolleu, gehen in die oberen Etagen; der radikale
Vertreter der Laudwirthe, der sogenannte rothe Hahn, wird viel-
leicht sogar aufs Dach gesetzt werden, das gegebenen Falles zu
flicken Graf Kanitz übernommen hat. Die Centrumsvertreter
werden in dem Thurm Platz finden, der sich in der Mitte des
Hauses befindet, die Polen im Hinterhaus, wo sie nicht die mindeste
Aussicht haben zur Verwirklichung ihrer Pläne, und auch die
Zimmer der Freikonservativen werden auf der Hof-Seite liegeu.
Eben diese werden auch den „Aufgang für Herrschaften" benutzen,
während Gröber und Genossen mehr durch Hinterthüren Verkehren
wollen.

Die Zimmer selbst sollen überaus wohnlich hergerichtet werden.
Jeder erhält ein Sopha, damit die Abgeordneten, wenn sie aus
der Sitzung kommen, gleich weiter schlafen können. Für Bequem-
lichkeiten ist reichlich gesorgt; für den sozialdemokratischen Ab-
geordneten Dr. Schönlank ist eine besondere vorgesehen, wo er
stets Briese und Geheimakten finden soll, die er dann in der
„Leipziger Volkszeitung" veröffentlichen kann.

Dies und noch vieles andere erzählte uns Professor Ziegler,
der Quartiermacher des deutschen Reichstags. Er fügte auch hinzu,
daß sich in den Kreisen der Parlamentarier eine rege Bewegung
dafür geltend mache, es möchten endlich Frauen in den Reichstag
gewählt werden dürfen.

Die Aravatte.

/DR,n einer Schwurgerichtsverhaudlung erschien ein Vertheidiger
versehentlich mit schwarzer, statt der weißen Kravatte. Der
Präsident zog sich mit den Beisitzern zur Berathung zurück und
erklärte daraus: „Der Gerichtshof hat beschlossen, den Vertheidiger
zu ersuchen, seine Kleidung zn wechseln!"

Man sieht daraus, mit welcher Peinlichkeit sich unsere Richter
angelegen sein lassen, die Sache des Rechts zu erforschen. Wie
kann ein Vertheidiger, der für die Unschuld seiues Klienten ein-
treten soll, auf die Geschworenen wirken, wenn nicht einmal seine
Kravatte die Farbe der Unschuld aufweist?!

Hoffentlich lassen sich unsere Rechtsanwälte die Weißheit
dieses Gerichtsbeschlusses zur Warnung dienen. Es kann sonst
Vorkommen, daß ein Angeklagter trotz der glänzendsten Ver-
theidigungsrede von den Richtern zu schwerer Strafe verurtheilt
wird. Die Gründe des Urtheilsspruches würden den Betheiligten
dann zu spät die Augen öffnen.

Ist z. B. Jemandem wegen angeblicher, aber durchaus nicht
nachgewieseuer Unterschlagung eine Strafe auferlegt worden, so
könnte man dann in den „Gründen" lesen:

Der Angeklagte lebte zwar, soweit durch Zeugen erhärtet, in
durchaus geordneten Verhältnissen, die Kravatte seines Vertheidigcrs
saß aber so unordentlich, daß die Zeugen-Aussagen nicht ins Ge-
wicht fallen konnten.

Oder: einem bisher unbestraften Majestätsbeleidiger wurden
mildernde Umstände versagt. Gründe: Der Angeklagte hat zwar
eine tadellose Vergangenheit, aber auf der weißen Kravatte des
Vertheidigcrs wurde durch die mikroskopischen Untersuchungen des
Gerichtschemikers ein Fleck nachgewiesen, der uns die Ehre des
Angeklagten nicht mehr rein erscheinen läßt.

Oder: wegen fahrlässiger Tödtung wurde ein Fabrikant zu
strenger Eesängnißstrafe verurtheckt. Gründe: Der Fabrikant ist
zwar an dein Unfall vollkommen unschuldig, aber die Kravatte des
Vertheidigers war durchaus unmodern und bewies, daß der An-
geklagte mit seinen Fabrikeinrichtnngen hinter den Forderungen
der Neuzeit erheblich zurücksteht.

8tO88-6euf2er eme8 (lebergangenen.

^ck bin nickt ^iirst nock Grat geworden
^ Leim grossen Krönungs-Jubelfest,
llnck nickt rnit ckem rotken Kcllerorcken
I^at man mir meinen ^rack betresst.

fflein Streben ist ru nickts geclieken.

O war' beim Jubiläum blos

fflir ein Qkarakter ckock verlieben-

Ick bin nock so Qkaralrterlos....
 
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