20. September sssOj
Nr. 38 * Seite 7
JiNNö: Kaum, wie ick hatte jelesen, daß der neie chinesische Jesandte
Nintschang nich nur Deitsch, sondern sojar Berlinisch spricht, wat
^manchmal selbst de jebildetsten Leite «ich kennen, Hab' ick in det Bot-
schaftshotel jemacht und nur eine Audijenz nachjesncht. Und indem ick mir
noch mit den Portjeh 'rumstreite, kommt Exeelleuz höchsteijenhäudig die
Treppe 'runter und sagt: „Wat will det Mänueken?" „Exeellenz," sag' ick,
„indem ick nemlicht Ihr Landsinann bin. Ick bin ooch aus 'm Osten —
und zwar aus de Koppenstraße." Dadruff lud er mir jleich zu 'ue Tasse
Thee in, wozu ick meinen Kümmel stiftete, wodruff er beim Sechsten sagte,
daß det mit de eiropäsche Kultur wirklich keen Mumpitz wäre. Ooch den
Orden vom Drachen bot er mir an, wat ick aber bescheiden ablehnte, indem
daß ick schon Frau und Schwiejermutter hätte. Zujuterletzt engaschirte er mir als Sprach-
lehrer, der ihm noch weiter in 'n Perfektes Berlinisch ausbilden soll; det Honorar soll bei de
letzte Rate der Kriegsentschädijung jleich mit ausbezahlt wer'u. Ick, der Nunne, Hab' et ja
immer jesagt: Nuskommen kann man mit de selbe Rasse, blos einkommen dhut dabei nischt.
mit 206 Angestell-
ten giebt hierfür 468
Millionen ans." Wie
man sich irren kann. Glaubten wir doch
steif und fest, dass Deutschland weit mehr
als 206 Postbeamte besäße, die allerdings mich
nicht durchschnittlich das enorme Gehalt von
2'/r Millionen Mart bezögen. Damit verglichen
ist unsere Verwunderung über England, das seine
Beamten mit italienischer Münze besoldet, nur
geringfügig.
Lüneburg. Der „L. Anz." vom 3. Septbr.
meldet: „Im Vorort Lichterfelde kann man seit
einiger Zeit berittene Gardeschützen sehen. Es
sind dies die Führer der Maximgeschütze. Als
Pfarrer der mit vier Pferden bespannten
Geschütze sind Artilleristen zum Bataillon kom-
mandirt worden." Artilleristen als Seelsorger,
werden die auch ihr Amt anssüllen?
Mainz. In Nr. 204 der „Mainz. N. Nachr."
wird angezeigt: „Klavierunterricht gründlich,
in kurzer Zeit Stücke spielend, mit Har-
monielehre, ertheilt billigst in und außer dem
Hause F. W ..., Klavierstimmer." Das mag
richtig sein, nur bleibt die Frage offen, ob der
in kurzer Zeit Stücke spielende Lehrer auch seinen
Schülern spielend das Stückespielen beibringt.
Arnswalde. H. Vordem
Spekuliren warnt die „Arnsw.
Ztg." in Nr. 99 und versichert
schließlich: „Tann werden
diese dunkelen Existenzen, die jetzt das solide
Geschäft in Mißkredit zu bringen drohen, nach
und nach von der Bildflüche verschwinden, und
Trug und Glauben, diese Grundpfeiler aller
geschäftlichen Unternehmungen, wieder die ihnen
gebührende Bedeutung erhalten." Die Kauflente
werden mit Recht empört sein, daß „Trug und
Glauben" als Grundpfeiler aller geschäftlichen
Unternehmungen verrathen werden.
Berlin. E. S. Der „Lok.-Anz." vom 4. d. M.
erinnert in einem Theaterfeuilletvn, daß Suder-
mann, dessen erste Dramen im Lessingtheater
zur Aufführung kamen, „vom Genie Josef Kainz
ins Deutsche Theater gelockt" wurde. Dann
heißt es weiter: „Ebenso wurde Hartleben von
der eigenartigen Kunst Ferdinand Bonns, der
Damen Jenny Groß und Rosa Bertens für
seinen Eiuaktereyclus „Die Befreiten" ins
Lessingtheater gebockt." So bockig ging es
doch dabei nicht zu.
Bcuthen. L. M. Die „Kattowitzer Zeitung"
meldete in Nr. 265: „Kvnstantinopel, 5. Septem-
ber. (Eigener Drahtbericht.) Gelegentlich der
Thronbesteignngsfeier Abdul Hamids haben auch
diesmal wieder, wie alljährlich, Ausschreitungen
durch Soldaten nud anderes Gesindel
stattgesunden." Wehe, wenn der türkische Kriegs-
miuister den Berichterstatter zu fassen kriegt!
Bingcn. Tie „Rhein- und Nahe-Ztg." weiß in
ihrer Nummer vom 6. Septbr. ans der Berliner
Stadtverordnetensitzung zu berichten: „Bei
Berathnug der Vorlage betr. die Wahl des
zweiten Bürgermeisters empfahlen in der Stadt-
verordnetenversammlung die Vertreter der Frak-
tionen „alte Linden", „neue Linden" und
der Sozialdemokraten die Wiederwahl Kauff-
manns." Das ist wohl eine Verwechselung mit
dem Linden-Banverein, der aber Nieder in einer
alten, noch in einer neuen Fraktion bei den
Berliner Stadtverordneten vertreten ist.
Halle. Welche Anforderungen doch manche
Agrarier stellen. In Nr. 208 des „Gen.-Anz."
verlangt einer: „Gesucht wird znm 15. Septbr.
od. 1. Okibr. d. I. ein nnverheiratheter
Knhfütterer zu 30 Stück Rindvieh, dessen
Frau mithelfen und melken muß." Wo soll
ein nnverheiratheter Knhfütterer nun die Frau
hernehmen?
Hannover. E. Wr. Mit Dank abgelehnt.
Köln. In einer Statistik über Postwesen giebt
die „Köln. Volksztg." vom 7. September die Ver-
sicherung: „England zahlt an 167086 Postbeamte
ein Salair pvn 338 Millionen Lire, Deutschland
Magdeburg. In Nr. 207 des „Centralanz."
giebt ein freundlicher Onkel bekannt: „Ich suche
für meine Nichte, welche im 16. Jahre ist, groß
u. kräftig, in einem guten bürgerlichen Haus-
halt Stellung zur Erlernung des Kochens n.
all. hau liehen Arbeiten f. ein Jahr." Ob das
bon hauen abgeleitet werden soll?
Pillau. Der „Pillaner Merkur" enthält in
Nr. 69 folgende Kundgebung: „Ich erkläre hier-
mit öffentlich, daß ich als Polizeiverwalter mich
nicht nach den Erläuterungen zum
Bürgerlichen Gesetzbuch richten werde,
sondern daß ich, nach wie vor, bei Klagen,
welche mir als Polizeiverwalter ja zwischen
Gesinde und Herrschaft vorgetragen werden
müssen, mich nur nach dem Text der Gesinde-
vrdnnng richten und danach urtheilen werde."
Und weiter: „Es ist nicht meine Sache zu
veranlassen, daß der evtl, enthaltende Wider-
spruch zwischen Gesindevrdnung und Bürger-
lichein Gesetzbuch aufgehoben wird." Das Letztere
wird auch Niemand behaupten.
Zwickau. In einer Zeitungspvlemik erklärt
das „Sächsische Volksblatt" vom 6. Septemb. mit
grimmigstem Pathos: „Aber wir sind überzeugt,
die heutige Leistung des Amtsblattes wird auch
Diejenigen, die bisher auf die Weisheit der Ni-
kolaiplatzmänner wie auf die Intelligenz hinter-
pommerscher Peers schwörten, über den „Ton"
und die Qualifikation des Vlattes die Angen
öffnen." Das Imperfektum von „stören" heißt
allerdings nicht „sie sturen". Bei dem Zeitwort
„schwören" ist es aber anders. Und von
der richtigen Form befreit selbst der Zorn
nicht.
Auast 18 6 i L st 6 x Ü6SS sich rüstrsn bslcl
Onct ist 6csttl s8gssc:stwiM —
lsts stoffsn wir. 83ss ckscgsstsit
Ois örsttikunst bsxsiLstsct wiccl.
veranlrvorllicher lleäakleur: ?rit?. kngel in llcrlin lv. V2.
Druck unä Verlag von llncloll Morse in Ilcrlin.
Im Sumboldthain.
Schutzmann: Die Necden laß man sitzen; det konnten Stadtveesvnte sind,
Pie Studien machen I
Nr. 38 * Seite 7
JiNNö: Kaum, wie ick hatte jelesen, daß der neie chinesische Jesandte
Nintschang nich nur Deitsch, sondern sojar Berlinisch spricht, wat
^manchmal selbst de jebildetsten Leite «ich kennen, Hab' ick in det Bot-
schaftshotel jemacht und nur eine Audijenz nachjesncht. Und indem ick mir
noch mit den Portjeh 'rumstreite, kommt Exeelleuz höchsteijenhäudig die
Treppe 'runter und sagt: „Wat will det Mänueken?" „Exeellenz," sag' ick,
„indem ick nemlicht Ihr Landsinann bin. Ick bin ooch aus 'm Osten —
und zwar aus de Koppenstraße." Dadruff lud er mir jleich zu 'ue Tasse
Thee in, wozu ick meinen Kümmel stiftete, wodruff er beim Sechsten sagte,
daß det mit de eiropäsche Kultur wirklich keen Mumpitz wäre. Ooch den
Orden vom Drachen bot er mir an, wat ick aber bescheiden ablehnte, indem
daß ick schon Frau und Schwiejermutter hätte. Zujuterletzt engaschirte er mir als Sprach-
lehrer, der ihm noch weiter in 'n Perfektes Berlinisch ausbilden soll; det Honorar soll bei de
letzte Rate der Kriegsentschädijung jleich mit ausbezahlt wer'u. Ick, der Nunne, Hab' et ja
immer jesagt: Nuskommen kann man mit de selbe Rasse, blos einkommen dhut dabei nischt.
mit 206 Angestell-
ten giebt hierfür 468
Millionen ans." Wie
man sich irren kann. Glaubten wir doch
steif und fest, dass Deutschland weit mehr
als 206 Postbeamte besäße, die allerdings mich
nicht durchschnittlich das enorme Gehalt von
2'/r Millionen Mart bezögen. Damit verglichen
ist unsere Verwunderung über England, das seine
Beamten mit italienischer Münze besoldet, nur
geringfügig.
Lüneburg. Der „L. Anz." vom 3. Septbr.
meldet: „Im Vorort Lichterfelde kann man seit
einiger Zeit berittene Gardeschützen sehen. Es
sind dies die Führer der Maximgeschütze. Als
Pfarrer der mit vier Pferden bespannten
Geschütze sind Artilleristen zum Bataillon kom-
mandirt worden." Artilleristen als Seelsorger,
werden die auch ihr Amt anssüllen?
Mainz. In Nr. 204 der „Mainz. N. Nachr."
wird angezeigt: „Klavierunterricht gründlich,
in kurzer Zeit Stücke spielend, mit Har-
monielehre, ertheilt billigst in und außer dem
Hause F. W ..., Klavierstimmer." Das mag
richtig sein, nur bleibt die Frage offen, ob der
in kurzer Zeit Stücke spielende Lehrer auch seinen
Schülern spielend das Stückespielen beibringt.
Arnswalde. H. Vordem
Spekuliren warnt die „Arnsw.
Ztg." in Nr. 99 und versichert
schließlich: „Tann werden
diese dunkelen Existenzen, die jetzt das solide
Geschäft in Mißkredit zu bringen drohen, nach
und nach von der Bildflüche verschwinden, und
Trug und Glauben, diese Grundpfeiler aller
geschäftlichen Unternehmungen, wieder die ihnen
gebührende Bedeutung erhalten." Die Kauflente
werden mit Recht empört sein, daß „Trug und
Glauben" als Grundpfeiler aller geschäftlichen
Unternehmungen verrathen werden.
Berlin. E. S. Der „Lok.-Anz." vom 4. d. M.
erinnert in einem Theaterfeuilletvn, daß Suder-
mann, dessen erste Dramen im Lessingtheater
zur Aufführung kamen, „vom Genie Josef Kainz
ins Deutsche Theater gelockt" wurde. Dann
heißt es weiter: „Ebenso wurde Hartleben von
der eigenartigen Kunst Ferdinand Bonns, der
Damen Jenny Groß und Rosa Bertens für
seinen Eiuaktereyclus „Die Befreiten" ins
Lessingtheater gebockt." So bockig ging es
doch dabei nicht zu.
Bcuthen. L. M. Die „Kattowitzer Zeitung"
meldete in Nr. 265: „Kvnstantinopel, 5. Septem-
ber. (Eigener Drahtbericht.) Gelegentlich der
Thronbesteignngsfeier Abdul Hamids haben auch
diesmal wieder, wie alljährlich, Ausschreitungen
durch Soldaten nud anderes Gesindel
stattgesunden." Wehe, wenn der türkische Kriegs-
miuister den Berichterstatter zu fassen kriegt!
Bingcn. Tie „Rhein- und Nahe-Ztg." weiß in
ihrer Nummer vom 6. Septbr. ans der Berliner
Stadtverordnetensitzung zu berichten: „Bei
Berathnug der Vorlage betr. die Wahl des
zweiten Bürgermeisters empfahlen in der Stadt-
verordnetenversammlung die Vertreter der Frak-
tionen „alte Linden", „neue Linden" und
der Sozialdemokraten die Wiederwahl Kauff-
manns." Das ist wohl eine Verwechselung mit
dem Linden-Banverein, der aber Nieder in einer
alten, noch in einer neuen Fraktion bei den
Berliner Stadtverordneten vertreten ist.
Halle. Welche Anforderungen doch manche
Agrarier stellen. In Nr. 208 des „Gen.-Anz."
verlangt einer: „Gesucht wird znm 15. Septbr.
od. 1. Okibr. d. I. ein nnverheiratheter
Knhfütterer zu 30 Stück Rindvieh, dessen
Frau mithelfen und melken muß." Wo soll
ein nnverheiratheter Knhfütterer nun die Frau
hernehmen?
Hannover. E. Wr. Mit Dank abgelehnt.
Köln. In einer Statistik über Postwesen giebt
die „Köln. Volksztg." vom 7. September die Ver-
sicherung: „England zahlt an 167086 Postbeamte
ein Salair pvn 338 Millionen Lire, Deutschland
Magdeburg. In Nr. 207 des „Centralanz."
giebt ein freundlicher Onkel bekannt: „Ich suche
für meine Nichte, welche im 16. Jahre ist, groß
u. kräftig, in einem guten bürgerlichen Haus-
halt Stellung zur Erlernung des Kochens n.
all. hau liehen Arbeiten f. ein Jahr." Ob das
bon hauen abgeleitet werden soll?
Pillau. Der „Pillaner Merkur" enthält in
Nr. 69 folgende Kundgebung: „Ich erkläre hier-
mit öffentlich, daß ich als Polizeiverwalter mich
nicht nach den Erläuterungen zum
Bürgerlichen Gesetzbuch richten werde,
sondern daß ich, nach wie vor, bei Klagen,
welche mir als Polizeiverwalter ja zwischen
Gesinde und Herrschaft vorgetragen werden
müssen, mich nur nach dem Text der Gesinde-
vrdnnng richten und danach urtheilen werde."
Und weiter: „Es ist nicht meine Sache zu
veranlassen, daß der evtl, enthaltende Wider-
spruch zwischen Gesindevrdnung und Bürger-
lichein Gesetzbuch aufgehoben wird." Das Letztere
wird auch Niemand behaupten.
Zwickau. In einer Zeitungspvlemik erklärt
das „Sächsische Volksblatt" vom 6. Septemb. mit
grimmigstem Pathos: „Aber wir sind überzeugt,
die heutige Leistung des Amtsblattes wird auch
Diejenigen, die bisher auf die Weisheit der Ni-
kolaiplatzmänner wie auf die Intelligenz hinter-
pommerscher Peers schwörten, über den „Ton"
und die Qualifikation des Vlattes die Angen
öffnen." Das Imperfektum von „stören" heißt
allerdings nicht „sie sturen". Bei dem Zeitwort
„schwören" ist es aber anders. Und von
der richtigen Form befreit selbst der Zorn
nicht.
Auast 18 6 i L st 6 x Ü6SS sich rüstrsn bslcl
Onct ist 6csttl s8gssc:stwiM —
lsts stoffsn wir. 83ss ckscgsstsit
Ois örsttikunst bsxsiLstsct wiccl.
veranlrvorllicher lleäakleur: ?rit?. kngel in llcrlin lv. V2.
Druck unä Verlag von llncloll Morse in Ilcrlin.
Im Sumboldthain.
Schutzmann: Die Necden laß man sitzen; det konnten Stadtveesvnte sind,
Pie Studien machen I