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Ulk: illustriertes Wochenblatt für Humor und Satire — 30.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.29961#0348

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November 1901

Nr. * 5eite 5

Suppe weichen die Rosenhüllen seitlich auseinander, das Bauer öffnet
sich, heraus hüpft eine darin verborgen gewesene beliebte Bühnen-
soubrette und singt einige Passende Liederstrophen über den Suppen-
genuß. Und dieses reizende Versteckspiel wiederholte sich bei jedem
Gange des splendiden Diners."

„Jottvoll! jottvoll!" grölzte Piepenhagen mit allem Kraft-
aufwand seines tiefsten „Doch" unter der Linie. Und dann zu seiner
entsetzt aus der Küche hereinstürmendeu Gattin gewendet: „Juste,
lahß mal det olle jroße Hühnerbauer von'n Boden runholen, wo
uns mal mein Kusäng Edeward zu Weihnachten det halbe Dutzend
kallekutsche Masthahne drein herjeschickt hat —"

„Aberst Emil, det seht ja so dreckerig aus —"

„Eben drum. Des kommt morsen Abend auf'n Disch — Du
kannst es ja vorher 'n bisken abseefen lahßen — un det sich
Fritze (der sechsjährige Piepenhagensche Stammhalter) denn sein
jutet Zeich anzieht zu's Picknick—"

„Aber Vater, des Kind seht ja immer nur achten zu Bette, un
uuse Jäste kommen doch vor neiuen nich —"

„Kivatsch' rnir nich dazwischen — ick muß jetzt jehn un
Blumen besorjen —," bannt stülpte sich Herr Piepenhagen den
etwas durchfetteten Chlinder auf und verließ dröhnenden Schrittes
das Restaurant. ,

Am andern Morgen leuchtete den Passanten der Gipsstraße
neben den: Eingang zum „Speiseparadies" das Symbol der
„Frischen Wurst" — der mit blendend weißer Schürze bekleidete
Holzstnhl — in die Augen, über welchem noch ein selbstgeschriebener
Zettel zu „Wurschtpickuick mit neueste Sensation" einlud.

Und Abends war schon um 8 Uhr kein Platz mehr au der
laugen, mit blüthenweißer Oelsarbe gestrichenen Tafel des Speise-
paradieses zu finden, in deren Mitte ein etwas gigantischer Tafel-
schmuck kubischer Form prangte, dessen eigentliches Wesen den

forschenden Blicken der Gäste durch dichte Umhüllung von Tannen-
zweigen entzogen war.

„Wat is denn det nu wieder vor'n Bleedsinn?" äußerte mit
gespanntem Lächeln der Steinsetzer Pustekohl. „Piepenhagen,
nehm doch mal die Familjen-Ziehjarrnkiste hier von'n Disch weg,
damit man sich jejenseitig unter die Oogen jehn kann!"

„Pscht!" wehrte der Wirth wundermild ab; „Allens ansehn —
nischt anfassen! Det wird noch doller kommen!" Und da wurde
auch schou im gleißenden Jrdeutops die würzig duftende Wurst-
suppe von Frau Augustens eigener Hand auf die Kredenzbank
gesetzt, und zugleich verlautbarte aus dem tannenumhüllten Tafel-
aufsatz zu den einschmeichelnden Klängen einer kleinen Zieh-
harmonika Fritz Piepenhagens etwas enrhümirter Diskant die

schwermüthigeVolksweise „Lang', laug' ist's her".-wahrscheinlich

mit Bezug auf die Ausdehnung der bevorstehenden Leberwürste.
Plötzlich aber brach der Sänger ab und fügte in etwas weiner-
lichem Parlando hinzu: „Vater, ick muß erst mal rausjehn!"
worauf die besorgte Mutter, ungeachtet des Dvunerrufes ihres
Gatten: „Halt, det muß noch doller kommen!" den Knaben seinem
musikalischen Gefänguiß entriß und ihn auf zärtlichen Armen
den Blicken der erstarrten Gäste durch die Küchenthür entzog.

„Nu süh so'u Kierl, spunnt sien eegeu Fleesch und Blvod in
dit Vagelbunrken in, un noch dortau mit Harmoniemusik!" rief
entrüstet der Dachdecker Sägebaum aus Neustrelitz.

„Tel is 'ne Jemeinheit von Dir, Piepenhagen!" fuhr der

Klempner Kwasselowsky dazwischen-

„'raus mit den Rabenvater!" brüllte der Gästechor. Und
ungeachtet seines Sträubeus und des zeternden Protestrufes: „Det
muß noch doller kommen!" war der erfindungsreiche Wirth die
Treppe des Speiseparadieses hinauf und in der nächsten Minute
aus seinein eigenen Lokal an die Nachtlust hinausbefördert.

R. S.-C.

ver freche Lhamberlain.

frecher ^oe Sbamberlain,

Mie starfst clu so stich untersteh'»?
Magst mit stes stitcheners stowst^tbum
vnst wagst mit seinen 5churkenstreichen
Den ewigen steutschen Lbatenrubm
von anno Siebzig rm vergleichen?

Du wagst stas Lbun stes klutgesellen
vem stampf ster Männer gleich^ustellen,
Die nicht für 5olst, stie für ihr Haus
(tnst für stie Dreiheit steutscher Saue
ven sterr'n Tran^osen cheilten ans
Die längst schon woblverstiente staue!

Vas wagst stu sterl!-— —

— — — — — Ach! stu hast stecht,
Menu stu versuchst, so streist rni lügen,
Venn stich M tasteln unst ?u rügen,
versteht in veutschlanst man nur schlecht.
2war wirst in stütte unst 5alon
vu weistlich bei uns äurchgehechelt,
voch KUlow, unser stanrller, lächelt,
vir lächelt uns're Ztaatsraison.

Als gegen jenes kleine Laust
vu einst begonnen wüst ?u toben,

Als stu sten Kuren strieg gesanstt:

Man bat gelächelt bei uns oben.

Als stu stie Trauen schlugest wunst»

Als stu sten stillstem nahmst stie Zpeisen,
Man lächelte in hoben streisen,

Man lächelte unst hielt sten Munst.

Unst jetöt, wo sich stein Seist verirrt,
Dies Mort 2U sprechen, stieses schwere,
Mo stu bespritzt stie steutsche Ehre —:
Ich glaube, stass man lächeln wirst. . .

2mm 2>vsitou Lürgormoistor Lorlius soll
clor Ltacltvororclnolo Meoki in Vorsolllag go-
brac-llt vvorclon sein. — Oio Lostätigung
bleibt ab^uwartou.

2ur Lbruvg clos Ulleb-klinA soll clor
Loitiuor Uotlceumarlct nou „clor Ulleb-
klmg" gotoukl worllou.

Die russische Bsrinerstulie.
 
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