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Ungewitter, Georg Gottlob
Gothische Holz-Architektur: ein Vorlagewerk für Architekten, Bautischler, Zimmermeister u. Schulen — Berlin [u.a.], 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.26441#0005
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VORWORT.

enn schon der massive Bau in unsern Zeiten im Allgemeinen an einer
grossen Vernachlässigung seines eigenen Wesens leidet, indem man seine
Lieblingsformen ohne alle Rücksicht auf das Charakteristische des Hand-
werks oder auf das nationale und religiöse Moment auszuführen trachtet, so ist dies in
noch höherem Grade beim Holzbau der Fall. Der ist ohnehin den Meisten zu gemein,
keiner monumentalen Wirkung, wie es heifst, fähig, und wird darum gar sehr über die
Achsel angesehen, wo möglich vermieden, und wo das nicht angeht, überkleistert und
übertüncht, kurz zur Unkenntlichkeit entstellt. Und doch ist das Holz ein im Bauen
eben so wichtiges Material, als die Steine oder Ziegel, und sollte daher schon die
Ueberzeugung seiner Unentbehrlichkeit einem jeden praktischen Baumeister es wtinschens-
werth machen, dem Holzbau sein Recht widerfahren zu lassen, das ihm Kigenthümliche
zu berücksichtigen und ihn in einer künstlerischen Ausbildung zu zeigen.

Wohl stehen an vielen Orten aus Unkenntnifs der Sache entstandene polizeiliche
Verordnungen und Baugesetze allen Ausführungen dieser Art im Wege. Da aber
durch eine weitere Ausführung der denselben zu Grunde liegenden Inkonsequenz in -der
Sache selbst doch nichts geändert würde, so kann dieselbe hier füglich unterbleiben und
nur der Wunsch seinen Platz finden, dafs hierin Vieles anders werden möge, dafs man
alle diese unter dem Einflüsse der „Aufklärung“ entstandenen Verordnungen allmälig
beseitigen und bei neuen Gesetzen der Art nur auf den Principien fufsen möge, welche
aus der christlichen Zeit und Kunst, der gothischen nämlich, abgeleitet werden können.

Wahrhaft beklagenswerth aber und selbst lächerlich sind die neuen Versuche,
Holz in Stein zu verwandeln. Wo man auch die Resultate dieser modernen Alchymie
anschaut, ob an Hauptgesimsen, Frontispicien, Säulen etc. und wie die Herrlichkeiten
alle heifsen mögen, aus allen ist der Fluch der Lüge ersichtlich, Alles sieht nach kurzer
trügerischer Glanzperiode unglaublich gemein und bettelhaft aus. Aber selbst in Fällen,
wo man das Holz wenigstens als Holz stehen liefs, ohne es in Stein verwandeln zu
wollen, nahm man auf die eigenthümliche Konstruktion, auf die jedem Theile eigene
Funktion, in seiner äussern Form wenig Bedacht, und das geschah, weil man die Motive
von ganz fremden, todten Werken hernahm, weil man doch nicht immer den antiken
Zopf überwinden mochte noch konnte. Der Holzbau aber, so wie wir ihn brauchen
können, gehört ausschliefslich dem Mittelalter an, und es ist daher bei einer jeden Aus-
 
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