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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Ostpreußische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17452#0015

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HsefeMmng.rjchcrrü
iiinlich. r-'-i: Ausnahinc
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dci allen Kaiscrlichcn
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schlag.

183.

Offizielles

Anzeigeblatt.

Oftpreußische Zetvmy
werdcn von dcr Ex,
pcdition, Altstüdtische
Langgassc.A 2V, em-
gcgengenommen und
«tt lS Ps. für der.
Ramu einer Petttzeil«
berechnet.

DaS Belag-Exemplar
kostcl 25 Ps.

Köuigsierg i« Pr., Suuntag den 8. August 1886.

38. Iahrgaug.

Amttiches.

verlin, S. Augnst. Sr. MasestLt der Köni« baben
Nllcrgnädiast gerndt: Dem Regiernng-rath Bode zu KtnigS.
brrg den Charakter alS Geheimer RegiernngSrath zu verleihen.

Wöcheutliche Ruudscha«.

Schon in unserer Provinziai-UeberfiLt (Nr. 180) haben
wir daraus hingewiesen, daß anscheinend im übrigen Dentfch«
land ein anderer, sachlicherer nnd maßvollerer Geist
daS politische Leben und auch di« Preffe durchdringt
und beherrscht wir in Ofivrrußen. Nach unserer Ueber«
zengung ist dieS auf dic einfache Tbatsache zurückzufübren.
daß die nationale Gestnnung und die Anhänglichkeit an den
Nationalen Staat den Leuten allmälig in Fleisch und Blut
übergeht, und daß in Folge hiervon ganz von selbst dir
aus den politischen LageSfragen stammenden Gegensätze fich
Nach und nach abstumpfen, daS Gesübl der Gemeinsamkeit
aber — auch mit politisch AnderSdtnkendtn — sich kräftigt.
Es ist begreiflick. daß dit Berliner Zeitungen dieser milde>
ren Strömung nur in geringerem Trade folgen; bei rinem
großen Tbrile dieser Blätter überwiegen Jntereffen, welche
nur in Zanl und Strril, nickt aber in friedlicher Entwicke.
lnng gedeiden. und die übrigen müffen nolhgedrungen fol»
gen. AnderS in der Provinz. Die DreSdener nnd Lcip«
ziger Blätter, die „MagdeburgischeZ.", di« „Weserztg.", die
bamdurgischen Blätter — sir alle, und noch mehr dir ei«
gentlichen Lokalzeitungen befleißigen fich fichtlich dem poli«
tischen Gegner gegenüder eineS gedämvfleren, sachlicheren
ToncS, nnd laffen daS Bedürfniß nack Erregung und
scharfem Gegensatz znrücktreten vor dem Wunsche nach sach«
gemäßer Würdigung drr Anfichten Anderer und dem rnt«
sprrchend nach thunlichster Verständigung. Bei un« in Ost«
Preußen aber hat tie grschichtliche Enlwicktlung e- mit fich
grbracht, daß die politischen Parteien in erheblichem Maßr
auch gesellschaftlich getrennt stnd, so daß daS Bedürfniß nach
^erständigung hier weniger ewpfnnden wird, vnd in den
klaffenden Spalt haden sich nun Elemente «ingedrängt, die
Alles anfdieten, um eS zu einer Annäherung nicht kommen
w loffen. Die auf dem Boden d«S neuen nationalen Staa«
les vor stch gehrnde Entwickelunr wird eS ader auch hier
w absehbarer Zeit mit stch bringen, daß die noch übrigen
^este veralteter, geistig überwundener Anschauungen abster«
berr. und daß dre in unser nationaleS Leben hineingetragenen
kremdtn GesichtSpunlte ihre Geliung verlieren; und dem
^ird anch Ostpreußen stch auf die Dauer nickt rntziehen
können. — Wie rntschirden gerade auf diesem Einen Grbiete,
dem der innerlichen Abwendung de« BolkeS von dem ibm
Fremden und Anlipalhischen, ein Fortschritl stch vollzieht, da«
iür find wir in der Lage ein intereffanteS Beispiel deibrin-
«rn zn können. Anf vnserer Sommerreise in Mittcldeutsch.
iand jst unS nicht etwa von einzelnm, sondern von schr
bielen Gastwirthen gesagt worden: biSher hätten ste daS
"Berlinrr Tageblatt" gehalten, werl daffelbe billig sei und
dabei sehr viel Stofi lieser«, auch früher von den Leutrn
Srrne geiesen worden sei; setzt aber müßten ste tS anfgeben,
denn die Lcnle wollten daS Blatt nicht mehr. Sehr natür»
lich — die wachsende Stärk« nationaler Jdeen stärkt auch
die specifisch deutsch-nationale AnschaunngSweise, und einer
irlchen muß daS -enannte Blatt sa allerdirigS, seiner ganzen
Art und Weise nack, so widerwärtrg wie möglick sein!

Auf der ganzen Linie der FreihandelSpresse scheint
i» letzter Zeit ein großer Sturm-Anlauf befohlen worden

srin. und so ist dcnn in diesen Tagen wieder einmal so
diel von dem angeblichen Unsrgen der Schutzzoll-
dolitik zu lesen gewesen, wie seit Jahren nicht. Wenn
Mari die rrwähnten Bläiler zur Hand nahm. so konnte man
wahrlich glauben. eS hadr fich etwaS ganz UnerhörteS, dem
FreihandelSprinzip ein unwidersprechlichrS Uebergewjcht Ber-
kckaffendeS zugetragrn, und eine gewiffcnhafte Regierung
Müffe alsbald den ReichStag berufen, um zu gänzlich ver«
änderten handelspolitiscken Berhältniffcn Stellung zu nchmen.
WaS ist denn nun eigentlich vorgesallen? ES haben sich
wirder einige Handelskommern (darunler auch solche, die
früber den Scbutzzöllen günstiger gestimmt waren) in
sehr freihSndlerischtr Weise auSgesprochen, und eS flnd von rin
Paar rheinisch-westsälischen Eisrnwerken einige hundrrt Ar«
beiter entlaffen worden — daS ist SlleS. gühren wir

Die sLnfte SSeularseier tzer Heidelberger
Ruperto-Earola.

V?. Heidelberg, 5. August.

DaS Festmahl im Museum, welcheS gtstern auf den
Festakt in der Heiliggeistkirche folgte, war von etwa
470 Theilnedmern besucht. Der Festsaal war böchst ge-
schmackvoll dekorirt, auf der Galerir nahm ein rrichcr
Kcanz von Damen zuschauend Theil. B«ld nach 3 Udr
erschien der Großberzog nebst drm Kronprinzcn. Die-
selben saßen dei Tafcl cinander gegcnüber. Nebcn dem
Großherzog saßen StaalSministcr Nock und Proreklor
Beckrr, nebcn dcm Kronprinzen die Prinz-n Carl
und Lubwig. Daß daS Meim rin auSerleseneS war, ver»
steht sich von selbst.

Gegen 5 Uhr erhob flch Seine Königl. Hvheit der Groß-
herzog zn dem bercilS mitgctheilten Toast auf Se.Masestät
drn Kaiser.

Bald nachdem daS begeisterte Hoch verhallt war. «rhob
stch Se. K. und K- Hoheit der Kronprinz. um sein GlaS
dem Großherzog zn widmen. Dieser Trinkspruch ist eben-
falls schon in der gestrigen Nnmmer d. Z. «nthaltcn.

Graf v. Berlichingen seiert«. die großen Vrrdienste
der Frau Großherzogin K. H. und des Grvßherzoglichcn
HauseS dankbar der Genesnng deS ErbgroßherzogS von
Ichwerer Krankheit gedenkend.

Hieranf brachtc der Großherzog ein weitercSHockauS
Mif vie Universiläk. (Gleichsallö telrgraphisch schon be»
Nchtet. D. R.) Die Ruperlo Earola wachse, blühe und lebe
bochl' — Mlt laulem Jnbel erscholl daS dreifache Hoch. —
«rorektor Becker erwidrrte namenS der UniverfitLt. (Bergl.
das gestrigr Telegramm. D. R.)

^ Es feicrte noch Geh. Rath von Helmholtz auS Berlin
vkidelberg alS die Stitte der Arbeit und sugendlichen Be«
?sisterun«, und Oberbürgrrmelstcr vr. WilckenS dankte für
Ae vcr Stavt so reicklich gczvllte Anerkennun». Um S Uhr
Urde di« Tafcl aufgehobrn, und die Fürstlichen Herrsckasien
whrrn zum PalaiS, überall von dem Bolk« stürmtsch begrüßt.

Der Fackelzug, welchrr am Abend von drr Studrntrn«

unsrrrrseitS AuSlaffnngen auS freihändlerischem LagerA an.
die widerwillig anerkennen müffen, daß die Sckutzzöll« doch
ihre Berechtignng und ihren Nutzen gehabt hätten (wie wir
hierzu reckt oft in der Lage giwesen stnd), dann wird hier-
über natürlich schwcigend hinweggegangen, sede früher schutz
zöllnerische und setzt freihändlerische Siimme aber ist sofort
ein« Butorität; und wenn srüber, zur Zeit de-FreihandelS,
Dutzende von Hochöfen auSgeblasen und Zehritausende von
Arbeitern drodloS wurden, so war dieS eben «ine Wirkung
dcr „ungünstigen Konsunktur", „an der fich nichtS ändern
lictz", müffen setzt adcr rinzelne Werke ihren Betrieb ein
schränken, so ist sofort nichtS andereS alS die vrrrnchte Schutz«
zcllpolitik Schuld daran. Die Wrhrheit ist, daß die Ge
schäfte allenthalben stocken, und daß diese Stockung am
frühesten und stärksten in den freihändlcrischen Ländern auf
trat, mit unserer Zollpolitik also nichtS zu thun haben kann,
und daß die meisten und rvichtigsteri Zweige drS geschäft«
lichen LebenS stck bei nnS in einem vergleichSweis« befriedi«
genden Stande befinden und die» noch mehr thnn würden,
wenn die Landwirthschaft kauffähigrr wäre. DaS Publiknm
aber barf vicht zur Ruhe kommen, eS muß in der Ucber«
zengung erbalten wrrden, e« herrsche in Deutschland ein
furcktbareS Elend. und kcin unterrichtrter, wohlmeinerider
Mann könne im Zweifcl darüber sein, daß di« Sckutzzölle
di« Schuld bieran trügen. BeideS ist «ber nicht wahr.
Unsere wirthschafiliche Lage ist keine günstigr, aber ste rst
nach AuSweiS unserer Steuer-Erträge. unserer Eisenbahn«
Einnahmen, onsereS SparkaffenwesenS rc auch keine scktechte,
und unsere Zölle haben z. Th die erwarteten Wirkungen
nickt gehabt, aber im Großen und Ganzen haben sie immer«
hin vortheilhaft gewirkt, und an den zn Tag« tretenden
Sckäden tragen sie nickt die Schuld!

Diesen Standpunkt vertritt im Wesentlichen auch der
JahreSbericht der HanvelSkammer WormS, der Ver«
Ireterin eineS Bezirks, welcher, wie man wohl sagen kann,
in idealer Weise die Jntereffen der Jndustri« und einer
hockentwickelten Landwirthschaft in fich vereinigt. Nnr macht
dieser Bericht noch auf «inen der Gründ« aufmrrksam, denen
die gegenwärtig zn bcobachtende allgrmeine Devrefsion
zuzuschreiben ist: den Wegfall der stetigen Gelegenheit für
Kapital'Anlagen, wclche Jahrzehntc hindurch durch umfang-
reiche neue Eisenbahnbauten dargeboten wurde, und den
bierauS fließenden Zadrang deg KapitalS zu allen stch irgend
darbietenden iridustriellen Unternehmungrn; dieseS Ber«
hältniß drücke dcn ZinS und erschwere die Konknrrenz. wäh-
rend die Kaufkraft weder bei den Landbewohnrrn, noch bei
den Industriearbeitern rc.. und ebensowenig bei den besttzenden
Klaffen wachse. Wir halten dieS für durchauS richtig, und
entnrhmen dem Berichtc weiterhin n»ch die intereff.nte
Thatsachc, daß die Hälfte der hcsstschen nnd dir überwiegende
Hälfte der badisLen HandelSkammern anf diesem oder einem
verwandten Standpunkt« steht.

Mit dem schärferen Hervortreten der sozialen Gefahr
wächSt auch die ollgemeine Geneigtheit, derselben gegenüber
sich zusammenzuschließen, und sowohl im inncren Leben der
Bölker unv Staaten klerne MeinungSverschiedcnheitcn zurück-
zuvrängen um der Sache deS sozialen BestandrS willen, wie
auch, soweit dieS nöihig und möglich, zu internationalen
Abmackungcn ,u schreiten. In der That kann man sagen,
daß die Sache viel zu ernst zu werdm beginnt. alS daß man
ihr noch ferner in einrr Haltung, welcke doch wesentlich die,
senige eineS bloßen „wiffenschaftlichen JntrrrsscS" ist, zu-
schauen dürste. Wir verlangen einerscitS, daß auf der Bahn
sozialer Reformen ernstlick fortgefahren und inSbesondere
auch an Berstopfung der Quillen gearbeitet werde. welche
vom wirthschastlichen sowie vom stitlichen Standpunkte auS
unsere Maffen in daS Lager dcr Sozialdemokratie drängen
(in letzterer Hinsicht ist eigentlich noch fast nicktS geschehen.
selbst bei unS nickt, nnd kapitalistische und reljgionSfeindliche
Einfläffe arbeiten noch immer um die Wctle daran, unsere
arbeitenden Klaflen zu Sozialdemokraten zn machen), ander-r-
seitS aber fordern wir, daß überall da, wo Mitlel zur offmen
Bekämpfnng der sozialdemokraiiscken Agitatron bezw. zur
Beschlagriahuii der Mitiel vorhanden stnd, mit denen die-
selbe arbeitet, «nergisch vorgegangen, und hierbei nach künst«
lich konstruirten RecklSsätzen nicht allznsrhr gefragt werde.

schaft grbracht warde, entwickelie fich auf der Ncuenheimer
Landstraße mit bem üblichen stndcntischen WichS und Pomp.
Er zählte übrr 2000 Fackeln und war so lang. daß die
Spitze bercitS den Marltplatz erriickt hatte. als drr Schlnß
stch in Neurnheim in Bewegung setzle. ES war ein unbe-
schreiblichcr Anblick, diese üder die atte Brücke und dic ganzr
Lange der Neuenheimer Landstraße reichende und stch im
Neckar spiegelnde Feuerlinie. Znerst kamen die CorvS,
dann der Wingolf. der in Zabl von 150 Gliedern äußerst
stattlich und stramm aufzoz. weiter die Burschcnschaften
und enblick dic nickt inkorporirten Studenten. SechS Muflk«
corps marschirten im Zuge. Buf dem Marktplatz angelangt,
drachic der Vorsttzcnde dcS Studentcn-AuSschuffeS ein Hoch
auf den Großhirzog auS. der mit dem Kronprinzen und den
übrigen Herrlchaflrn vom Ralhhause aus das großartige
Schaulpiel überblickte. Nachdem der Widerhall deS Hochg
braulend verhaüt war, wurde Silentium gebolen und der
Großhcrzog erwidcrtt mil mächtig in daS Wette klingender
Sttmme: »Meine Freunde, Jch dinkc Jhnen kurz aber herz.
lich sür die freundlichen Gestnnungen, welcke Sie Mir ent-
gegcngebracht baben und bitte Sie, mit Mir cinrustimmcn
in den Ruf: Der Kronprinz deö Deutschcn ReichcS, unser
erlauchter Gast, er lebe hoch!"

Durck die Haupistraße, Sophienstraßc und die Bnlagc
setzte sich der Zu« weiter in Bewegung; auf dem LuvwigS-
platze neben der Üniverfltäl wurden unler dem 6»u<le»wu«
die Fackeln zllsammengeworfen. Die größte Ordnung und
Icbhafte Tbeilnahme drr ungeheuren BolkSmcngc hattcn den
schönen HuldignngSakt auSgeieicknet.

Bald darauf reistc Se. K. K. Hoheit der Kronprinz
nack Schlangenbad ab. von der großherroglicken Familir,
den Vertretrrn des OffiziercorpS, wie vcr StaatS« und
Stadibchörden zum Bahnhof gcleitet.

Hente Vormtttag S Uhr fand in der Heiliggeistkirche dic
solcnne Feicrlrchkeit der Ehrenpromotionen statt. an
welLer daS Gcoßherzogl. Paar theilnahm. DaS Klopstock'sche
große Hallelujah, von Mustkvirektor Wolsrum wirlungS-
voll komponirr und vom Bachverein iresflich vorgetragen,
teitrte die sellrn« Frier ein. Dann hiett der Prorektor
Seh.'Rath vr. Becker ein« kurz« Unsprachr. Di« Univrr,

Wrrlfich ri« Bild von drm Ernstr drr Sachlagr machrn will,
drr lrsr den Artikel in Nr. 19 der „Grerizbotrri": ,Jn elfter,
vielleicht zwölfter Stunde". Hier gilt rS für die aufKultnr
und Eigenlhum gegründete bürgerliche Gesellschast. Hammer
oder AmdoS zu seinl — Der UrtheilSsprnch de« Freiberger
GericktS. welcher die angeklagten Sozialdemokraten drrTbeil«
nahme an einer verbolenen Berbindun» für schuldig erklärt,
weil, wenn ihnen eine solche auch nicht dirrkt nachgewiesen
werdcn tSnne, die sozialdcmokratischcn Wahlvorbereitungen,
ZeitungS-Bersendusgen rc. doch daS Borhandensein einer
organischen Vrrbindung unzweifelbaft darthun, rntspricht
diesem vnserem Standpunkt. - Eben darum ist die Sache
freilich den FortschrittSblättern sehr widerwärtig, und dic
„Hartungscbe Zeilung" z. B. suckt darzuthun, daß auch
anderr Parteien gewiffe Zwecke vrrfolgen vnd wegen der-
selben nnter Umständen angeklagt werdrn könnten; ste be-
nutzt die Gelegcnheit zu einem sörmlichen Angriffe anf dir
christlich-soziale Partei, welche doch die „Gleichbrrecktigunr
der Konsesflvncn" (soll wohl heißen Religionen) bekämpfe.
AllcS siht richtig — der Unterschied ist nnr, daß da- Ver-
folgen sozialdemokratischer Zwecke durch Gesetz verbotru
ist, während diese fich „freifinnig" nennenden Leute eS biS
jetzt Gottlob trotz der verzwrifelten Anstrengnngen noch nickt
haben erreichen lönnen, jrdeS AnSsprechen de« WortrS
„Inde" für daS todeSwürdrgste aller Verbrechen zn er-
klären l

Glücklicherweise rst eincS der Srgsten Hemmniffe, auf
welcheS wir bisher bei unserer Führung der inneren Kämpfe
gestoßen stnd, im Begriffe zu verschwinden. Allenthalben
«rhrben stch die gemäßigten katholischrn Elemente
nnd wcisen die Führung drr Hetzblälter, dte den Kampf um
deS KampfcS willen wollen, zurück; ste erkenncn an, daß der
Staat scincrseitS guten Willcn an den Tag gelegt habe, und
daß eS zwar immer am Platze sein möge, wachsam zu sein,
daß aber kein Grnnd mehr vorhanden sei, daS Mißtranen
grgen drn Staat für d-S ganzr Verhalten deS katholiscken
VolkeS maßgedend zn macken. So in Bahern, in Baden,
im Rhei'ilandr, in Westfalen. Umsomehr, alS diese Be«
wegung zur Herrsckaft gelangt, wird aber auch daS wider«
natürliche Zusammengehen strenggläubiger Katholiken mit
den Deutschsreifinnigen und damit einer der Punkte auf-
hören, di:am meisten zur Vergiftnrig unsercr politischen Lage
beigelragen haben.

Eine Kombination der großen Politik, die nur langsam
reifen k^nte, fi» aber seit lunge im Stillen vorbereitet,
tritt immcr tentlicher in di« Erscheinung: rin Bündniß
zwischen Dcutschland. Oesterreich-Ungarn, England und
Jtalien. dcm Rnmänien und Bulgarien von selbst zufallen
würden. ES wird an ffrankreich und an Rußland selbst sein,
zu verhindern, daß dieseS Bündniß stch alS ein gegen sie
grrichteteS darstellc.

DeutscheS R-ich.

G verlt«. 6. August. Srinr Masestät drr Kaiser
Wilhelm nahm. nach den auS Wildbatz Gastein direkt
hierher gelangten Mittheilungen, BormittagS dcn Vortra»
deS ChefS deS Civil-KablnetS, Wirklicken Geheimen RathS
von WilmcwSli. entgegcn. NackmiltagS 4 Uhr wird der
Kaiser einer Linladung Jhrer Masestäl der Kaiserin
von Oesterrelck zum Dinec Folge leisten. Seine
KSniglickeHoheit d rrPrinzWilhelm von Preußen
trifft hru:e Nachmittag halb 6 Uhr bier ein. — Morgen
wirb Graf Herbert BiSmarck gleichfalls rn Gastein er«
wartet.

Seine Kaiserliche nnd Königiiche Hoheit dcr
Kronprinz, HSchstwelcher stch von Heidelberg znm Be«
such bei Ihrrr Majcstät der Kaiserin nack Schiangen«
bad begeden hatte, traf von dort zurückkehrend über Frank«
surt a. M. heute Vormittag gegen hald 8 Uhr anf der
Station Großbeeren ein nnd sctzte von dort auS, von scinem
periSnlicdrn Adsutanten degleiiet, svsort zu Wagen seine
Rückreise nach dem Ncuen PaiaiS bei Potsvam fort, wäh-
rend dic übrtgen Herren deS Kronprinzlichen GefolgeS von
Großbceren auS nach Berlin weiterfuhren.

— Der Herzog von Santo Paolo ist heutc früh
auS Neapel zu mehrtägigrm Aufenthalte in Berlin einze-
lrcffcn und hat im Hotel Kaiscrhos Wohnung genommen.

— Der Kgl. schwedischc Gelandte in Wien Ackermann
Iraf gestern Nachmitta, auS Wien hier ein und stie« rm
Hotel Rohal ab, um einige Tage in Berlin zu vrrdleiben.

— Der dieSseitige Gesandie am KSniglich bayerischen
Hofe hat einen ihm Allerhöchst bewlstigteu tängeren Urlaub

sttät sei mit vielen kostbaren Gcschenken dedacht worden,
die m freudiger Thrilnabme an der Jabelfeier dargebracht
wordcn. Wcnn sic nun aucb ihrerfeitS daS Bcste, waS fle
habr, verschenken wolle, so könne dicS doch nicht so fcer und
liebevoll gescbehen, sonbern nur nach ernstem Abwägen vcr«
handcnen VerdiensteS in Forschnng oder Tbat. (Lie nun
folgenden Promotionrn stnv dem Leser bereitS gestern mil-
getheilt worden. D. Red.)

Der erste Chor deS Dettinger TebenmS schloß diese
Feier. I. K. Hoheiten. dcr Großherzog und die Groß-
hcrzogin zeichnelen nach derselben cine Anzahl der Anwesen-
dcn durch huldvolle Bnsprache auS. Um 4 Uhr sührtc cin
Exkrazu» die Großherzoglichen Herrschaftrri, die Prinzen
Lubwig und Karl mit deN Ehrenzästen nach AarlSruhc,
wo große Gala-Cour und Hoftasel statifindet. Die Rückkehr
erfolgt heute Abenb 10 Uhr.

Bu«tes Allerlet.

— (Heidelberger JubiläumS-Porsie.) Jn Nach-
stehendem fcien einige Proben von den Sprüchlcin gegcbrn.
mit denen in Heidelberg au- Anlaß d«s UniverstlälS-
JndiläumS die HLusrr zwischen Fahnen, Guirlanten und
Wappenschildern gescbmückt stnd. Ln «incm altrenommirten
Huiladen Ler Plöckstraßr liest man fclgeride Verse:

Ruperto-Carelina salbt im Stillen
Mit ihrem Geist Dcctorcn und Magister,

Die Söbne vns'rer ^Iwu wstsr süllen
Durch fünf Iahrdunderte em lang' Register.

Und waS an Häuptern, lcckigen und kahlen,

Zum L-nd binauSzoz in daS bunte Leben,

Dem ward für die ExamenSqualen
StetS hicr dcr Doclor-Hnt gegcben.

Ueber der Kncipe der Burschenschaft „Franconia"
besagt eine Tafel:

Dcctor, Pfarrer nnd Minister,

Kurz em jeglicher Philister
Ziche hochwillkcmmen ein,

Abrr trinkbar muß er sein.

angetreten. Jn Abwesenheit deS Grafen von Werthern
sungirt dcr LegationS«Sekretir Graf zuEulenliurg alS
rnterimiftischer GeschäftSlräger.

— Die Wabl des Geheimen Ober-FinanzralhS vr. Rü-
dorff zum Präfidenten der Preußischen Central-Bodcnkrrdit»
Gelellschaft in Berlin ist von Sr. Majestät dem König
bestäligt worden.

— Der König von Portugal wird auf sciner Rnnd«
reile Ende August in Berlin eintreffen und auch drr
großen Herbstparade deS GardecorpS am 1. September
beiwohnen.

— Der RegierungS-Affeffor v. Negrlein in Melsungen
ist zum Landrathe ernannt worden.

— ES stnd ernannt: drr Obrr.Prästdent drr Provinz
Brandenburg, StaatSminister vr. Achenbach zu PotSdam,
für die Dauer seine« HauptamteS zum ständigen Kommiffar
bei dem Kur« und Neumärkischen Kredit-Jnstitute, der Ober-
RegierungSrath Höpker zu KönigSberg zum Slellvertrrter
deS RcgierungSprästdenden im BezilkS'AuSschnffi zu KönigS-
berg auf die Daurr seineS HauptamteS am Sitze beS
letzteren, dcr StaatSariwalt Gcnzmer zu Martenwrrder
znm Landrath deS KrriseS Marienwcrber.

— Jn Hamburg wird om 10. k. MtS. mit einer See«
schisferprüfnng für groß« Fahrt und am 22. k. Mt».
mit einer SeesteuermannSprüfung bcgonnen werden.

— Der „ReicbSanzeiger" veröffentlicht daS Gesetz, be«
treffend die Gewährun» cineS besonderen BeitrageS von
50,000,000 Mark im BorauS zu den Kosten der Herstellnng
deS Nord-Ostsee-kanalS, vom 10. Juli 1886.

— Ein Berlincr Correspondent der „Poft" hat grlegent«
lich einer Mittbeilun, über die Assaire Boulanger fich
zn folgender gefüblSduseligen AuSlaffung verstiegen:

„Die Orleanisten haben somit den wirksamsten Schla»
auSgeführt, wennglerch vielleicht manchem anch
AumaleS Rache gegrn Boulanger durch die Ber-
öffentlichong von Privatbriefea nicht allzu würdig
eineS Prinzen nnd Gentleman« erscheinen dürfte."

Da« „D. T." brmerkt dazu recht zntreffcnd: Wir flnd
keinc Frennde der OrleanS vom polittschen Standpnnkt —
persönlich stnd flr un- gleichgiltig — abrr einen Lügner in
foicher Stellung zu rntlarven, halten wir rinfaL für di«
Pflicht sedeS rhrlichcn Menschen, dem da« Wohl scineS
VaierlarideS am Herzcn liegt.

— Ueber deri „deutschen und den rimisLcn Geift"
brachte der „Westfätische Merkur" kürzlich einen Artikel,
dem di« demokratische „Berliner Zeiturig" einen Artikel
mit der Ueberschrift: „Der deutsche Geist" rntgegenstellte.
Gegen ven letzteren polemistrend, sagt da« nltramentanr
westfälische Blatt: „Hochkomisch ist eS. daß die „Berl. Ztg."
keinen Geringeren sür den „römischen Geist" »erantwortlicb
macht, alS ven Herrn ReichSkanzler, drr „weiten Kreisen
daS polilisÄe Denken abgewöhnt" habr. Der Fürst BiS«
marck gehört nickt zu unsrrer Partci und steht prinzipiell
weitab von un«. aber die Fortschrrtller redcn stch in eine
solche Idioshnkraste gcgen ihn hinein, daß fie ihn nächstenS
vielleicht auck für die HungerSnotb in Labrador verantworilich
machen. Ds W7öß mo.n d»ch sagen: tio qaiä niwis. Der
ReichSkanzler wird scdenfallS der katholtscken Kirche resp. dem
römischenGeist seineAvancen machen und wenn dieGesängnib»
beamten von Halberstadt die „Freis. Ztg." verklagen, so
sehen wir absolut nicht ein, waS daS mit der vorltegenden
TagrSordnung zn Ihun hat. Wir glauben auch nicht, dieser
Prozeß und ähnliche Erscheinungen körinten die Konseqaenz
haden, „daß man mit Fingern auf unS zeigt, al« auf «in
Volk, daS regiert wird von römisckem Geifte". Da nun
abcr die „Berl. Ztg." daS Thema einmal auf daS politische
Gebiet hinüdergespielt hat, wollen wir ibr auck hier f»lg«n,
um unS ganz gründlich ouSeinanderrusetzen. Wir erkennen
an. daß die polttische Freiheit in Deutschland gegenwärtig in
rinzclnen Punkteri und Verhältniffen etwaS beeinlräcktigt wird.
ManchrS, wa« »eschieht, gesällt un« nicht, und manckerlei Arten
volizeilicherBcvormundungen» dic augenblicklich euroAn« stnd,
können wir nickt bivigrn. Wenn eS aber in Drutsch-
land immerhin noch hundertmal beffer ist, als in Rußland,
so ist eS hier auch im AllgemeiNen noch viel beffer, alS in
den Länderri, die stck rine« hohen MaßeS politischer Frei«
heit rrfreuen ... und wie steht eS denn in unseren west«
lichen Nachbarländern und in Italien und Spanien auS?
Ueberall hat man dort daS Gefühl, als ob man auf einem
Vulkane tanze. So nnmerisch zahlreich die sozialdemokra»
tischen Revolutionärr bei nnS stnd, so ohnmächtig stnd str
auch hier, wenn fie den We» der Gewalt beschreilcn wollen.
In Frankreich könneri ste täglick zum Siege kommen, und
daS ganze Land in ein Meer von Blut verwandeln, in
Spanien und Jtalien ist e« kaum deffer, und in Holland
und Belgicn ist die Lage mindestenS sehr prekair. Da steht
man doch, baß dcr Werth ciner starken Regierung
und einer crgebencn Armee auch nicht gering anznschlagrn
ist. Wir stnd gewiß «ntschiedenc Gegner seder Art von Po«
lizcihrrrschaft, aber wenn bei Exzkffen daS GroS der öffertt«
lichen Meinnng stetS gegen die Beamten nnd Polizei auf«
trilt, . . . so ist daS scdenfolls virl schlimmer. als wenn hicr
und da dir Macht der Polizei zu stark ist. Die Bürger deS
StaatrS haben doch nichl nur aus Wabrung ihrer politischen
Rechie, sondern auch auf Sicherung ihrcr materiellen Inier-

An einem Hanse der Schloßstraße destndet stch fol-
gender Rcim:

Dieser Rnhm bleibt nnbcstritten,

Daß noch nicmals Dnrst gelittcn,

Wrr in irgend einem Jahr
Hier «in StnbiosnS war.

Eriunerung a« die Augerap.

Dn blaue Angerap,

Wer ist eS, der dir gab
Mit Walv geschmückte HSH'n?

Wer machte dich so schön?

Zum Himmel dringt mein Sang
Und bringt dem Schöpfer Dank;

Auch dir. du stolzer Fluß,

Ein L>ed und Gott zum Gruß.

Bin drinen Ufern fern,

Wo ich dich säh so gern,

Bin writ von dcinem Strand',

Wo meine Wiege stand.

Oft schenkt im Traume mild
Erinn'rung mir dein Bild;

Erst hüllt rS Nebel ein,

Dann strablt'S im Mondenschein.

Und still rnht, biS znm Saum,

Dein That im tiefsten Traum;

Nur murmelt ieis' die Fluth
Ein Traumlied: Gott ist gut.

Und auf dem grünen Stranb',

Bom Zaubrr festgebannl
Und heil'grr Wonn' ersüllt,

Knie' ich vor dcinem Bild.

Zum Himmel dringt mein Sang
Und bringt drm SLöpfer Dank;

Dann «rüßend leuchtet sacht
Dein Btld mit seiner Pracht. —

Go fließ' nun weiter hin
Dn klauer Strom; mein Sinu
Und Hcrz find stetS dei Drr,

Wenn d» anch fern von mir. Herm. L.
 
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