geheimen Staaispolizel aufgeheckt werden. Jn der
jüngsten Zeit wurde in Petersburg und ebenso auch in
Warschau eine weitverzweigte Verschwöruug entdeckt,
dcren Nädelsführer gcgeuwärtig sich bereits in der
Warschauer Zitadclle bezichungSwcise iu der Festung
von Petropawlowsk befindcn. Die Verschwöruug
wurde vom Auslande, hauptsächlich von Paris
aus geleitct. Von dort kamen Anordnungen und
Weisuugen, welche auf den Rändern der aus-
ländischen in Petersburg und Warschau abonnirten
Zeitungen mit chcmischer Tinte geschricbcn waren. Diese
Weisungen konnten erst nach Anweudung eincs ge-
eigneten chemischen Mittels gelesen wcrden. Es scheint,
daß die Vcrstäudiguugsweise der russischen Nihilisten
nnter einander durch eine von Paris gekviumeue
Dcnunziation verrathen wurde; für den Eutdecker
derselben wird aber allgemein dcr Gendarmerieoberst
Siekicrzyusky gehalten, welcher der Nachfolger dcs
von dem vielgenanuten Nihilisten Degajew cr-
mordeten Gcndarmerieobersten Sudcikin in Peters-
burg ist. Besonders die Uuiversitätsjugeud ist
in der Verschwörung stark mitverwickelt. Bereits
vor dcr Vollstrecknng des Todesnrthcils an dem
Friedensrichter BardowSky urd desscn Ecnossen wurde
in Warschau eiu sozialistischeS Komplott entdeckt, wobei
mehr als achtzig Mitglieder verhaftet und in die
Zitadelle gebracht wurden. Noch war die Untersuchnng
gegen dicsclben nicht zu Eude gcführt, als cs sich zeigte,
daß irotz dieser Massenverhaftuiig die uihilistische Seuche
nicht erstickt wordcn sei, ja vor etwa zwei Wochen
wurde sogar in dcr Vorstadt Solcc in Warschau au
einem Denunzianten dasTodcSurtheil durch eiueuArbeiter
vollstreckt. Der vielfach vcrwundcte Vcrräther der Nihi-
listen vcrschicd bald iui Spitale. Der Vollstreckcr des
Todesurtheils wurde eiugefaugeu, uud mit ihm cine
große Auzahl anderer Personen. Vor einer Woche
wurden abermals mehrere Personen, darunter auch
der aus dem AnSlandc socbcn aiigckouiincue Nihilistcu-
führer Dembsky — in dcu Nihilistenkreisen uuter dcm
Nameu Olka bckanut — verhaftet. Diese ucucu Ver-
haftuugen stehen mit den vorjährigeu im eugcn
Zusaliimenhange, und daher wurde auch die für den
nächsteu Mouat auberaumtc Verhaudluug vor cincm
Ausnahinegerichte auf uubcstiiunitc Zcit vertagt."
Der belgische Sozialistcn - Prozeß Defuisseau
wird noch ciuiual zur Verhaudliiug kommcu, ebenso
auch dcr Mordprozeß Vaudersmisseii. Der Brüsseler
Kassatioushof hat uämlich die Urtheile vernich-
tet, weil sich untcr den Geschworcnen eiuer be-
fand, der nicht die bclgische Staatsangehörigkeit be-
saß. Dcfuisseau ist übrigcus, wie bckauut, uach
Südfraukrcich cutflohcn. Bckauutlich wußte cr sich
durch Täuschuug des Präsidcutcn dcS Schwurgerichts
mit einer crlogcucn Dcpeschc dic Erlaubniß zu ver-
schaffeu, einen Äugcnblick den Gcrichtssaal zu verlassen,
worauf er sich eiligst aus dem Staube machtc.
Dic jctzt veröffcntlichte Kiiminalsiatistik des Deutschen
Reichs für 1884 eulhcilt höchst bemerkcnswerthe, ja über-
raschende Ergebuisse. Die Zahl dcr strafbaren Haiidluugcn,
dereu allergrötzter Theil aus Berstößcn gcgen das Neichs-
Stmfgcsetzbuch bestcht, hat vou 1883 bis 1>84 leider um
7,1 Prozent ziigcnommeii, cbeiiso ist die Zahl der auf
jedeu ei.izeliieu Veriirtheilteii fallendcu stiasbareu Haud-
lungeu bedeuteud gestiegcu. D'ie Zuiiahme der gegen das
Vermögeu gerichtclcu Vergehungeu ist verschwindeiid kleiu
gegenübsr der Vermehruug der gcgc» dic Persou ge-
richteteu, also durcki Aiiweiidung odcr Androhuiig vou Ge-
Ivalt verübten stiafbareu Haudlungeu. Die Veibrechen u. s. w.
gegeu Staat, öffeutlichc Ordiluug und Neligiou siud iim
8,7 pCt, die Verbrecheu ec. im Amtc um 28 pCt ge-
stiegeu. Dagcgeu ist die Zahl der wcgeu Verbrecheu uud
Vergeheu gcgen das Vermögcu Verurtheilten gcsiilikeu.
Soudert mau dic Pcriirtheilteu uach dem Geschlccht,
so findet maii, dah die Zahl dcr mäuuliche n
Verbrecher starkcr zugeuomnieu hat, als die der wciblichen.
Anffälligerweiss hat, weuu mau die eiiizelnen Gruppeu ver-
folgt, die Zahl der Fraueu, welche gegen den Staat, dic
öffcutliche Ordnimg oder die Religion gefehlt habeu, absolut
und rclativ zugeuommeu: am größteu ist dcr Antheil der
weiblichen Peisoueu inmier uoch bei den Vergehen gegen
Las Vermögeu (24,3 pCt.), doch zeigt sich hier die Abuahiue
gegeu das Vorjahr, iu welchem die betreffeude Zahl
24,8 pCt. betrng, am erheblichstcn.
HofnachMten.
* Se. Majestät der Kaiser horte, wie aus Gastein
gemeldet wird, am Souutag uach dcm Diuer dcu Vortrag
des Wirklicheu Geheimeu Legationsraths vou Bülow. Zum
Diuer waren der Ober-Hofmeister Freiherr vo» Nopcsa und
der General von Nitter geladeu. Abends 8 Uhr uahm der
Kaiser dsn Thee bei der Gräfiu Lchndoiff. Am
Montag Vormittag licß dcr Kaiser sich Vvii dcm
Wirklichcn Gchclmeu Nath vou WilmowSki Vortrag halleu
und machte NachmittagS 2 Uhr mit dem Fliigel-Adjittaiiteii,
Oberst-Lieutemmt vou Brösigke, eine Ausfahrt Der Kaiser
wird voraussichtlich nm 10. d. Mts. seiue Kur iu Gasteiu
beeudcn und am Nachmittag dieses Tages über Ncgeusbiug
die Nückreise iu die Heimath aiitrete». Am 12. d. Mts.
Vormittags dürfte dersclbc, vou der Slatio» Großbeereu
kommcnd, etwa um 9 Uhr auf Schloß Babclsberg eiu-
trcffen, um daselbst für die uächste Zeit Wohnung zu
nebmen.
NnPolitischer Tagesbericht.
* Aus Heidelberg wird vom 2. August gemeldet:
Der Großherzog und die Frau Großherzogiu siud hcuic
Nachmittag 4 Uhr mitiels Souderzuges hier cinge-
troffen und vom Prorektor der Uuiversitäi, Profeffor
Bekkcr, und deu Spitzeu der Zivil- und Militür-
Behörden cmpfangcn wordeu. Bcim Verlassen dcs
Bahuhofes wurden die Großherzoglichen Herrschafteu
von der zahlrcich versammclteu Volksmenge cnthusiastisch
bcgrüßi. — Der Chemiker Professor Bunseii erhielt
mittels äiißcrst huldvolleu Haudschreibeus dic goldene
Kcttc zum Großkrcuz dcs Zähriuger Löwen-Ordeus.
Ju dcr Fcsthalle faud Abcuds 9 Uhr vor ctwa 6000 An-
wesenden die Bcgrüßung der anläßlich des Jubiläums
der Universitüt eiugctroffeiien Güste im Nameu der Stadt
durch deu Obcrbürgermeister Dr. Wilkcus stati. Der
Redner beionte iu seincr Bcgrüßungsrede den uationaleu
Gedanken uud schloß niit eiuem euthusiastisch aufge-
uommeucn dreifachcn Hoch auf den Kaiser uud den
Großherzog, worauf die Aiiweseiiden das „Heil Dir
im Siegerkrauz" anstiminieu. Hierauf wurde der vou
Viuccuz Lachuer kompouirte Festmarsch gespielt; als-
dauu folgte das vou Scheffel gedichtete Festlied uud
ciu Hhmnus vou Julius Wolff. Damit schloß dcr
offizielle Alt. Das Wettcr war leider ctwas ver-
äuderlich uud störie dadurch uamentlich die von
maucheu Gruppeu gcplauteu Frühschoppeu im Frcien,
der Vesuch ist abcr eiu überaus lcbhafter und die Fest-
stimmung fröhlich und weihevoll. Am Mittag brachteu
die Bcrüuer Exirazüge allein 500 Gäste. Die farbigcn
Abzeichen dcr hiestgeu und frcmdeu Studcntenverbin-
duugeu treteu iu Folge der Anwcseichcit dcr vieicn
chcmaligeu Studtt-uden der Nuperto-Carola und der
Aborduuugcn der übrigen Uuiversitäteu immcr mehr
auf dcu Straßeu iu den Vorlergruiid. Für Souutag
ist ein grvßcs Kostümfest der Festzugstheilnehmer
gcplani, wozu Karteu auSgegeben werdeu. Es gicbt
daS jcdeufalls eiuen prächtigeu Abschluß dcs ganzen
Festcs. Ferner soll das Schloßfest, welches seiteus
dcr Regiciuug am gestrigen Dienstag für eiugeladeue
Perfouen veranstaltet wrirde, seiteus dcr Stadt am
Dvuiierstag, 5. August, gegen eiu Eintrittsgeld vou
50 Pfeuuig pro Perjou für das Publikum wiederholt
werdeu.
Am Dienstag Vormittag um 8 Uhr ist der Krou-
prinz mittels Extrazuges von Bayreuth eingetroffen
uud am Bahuhof vom Großhcrzog, den Priuzen Lud-
wig uud Wilhelm, dem komiiiandireudeu Gcneral vou
Obcruitz, dem Gcsaudtcu vou Eisendechcr, dem ge-
sammtcu Großherzoglichen Hosstaat, dcm Prorektor au
der Spitze des cngeren Seuats, dcm gesammtcn
Stadtrath, dcu Spitzcn dcr Zivil- uud Militär-
bchörden empfaugeu wordcu. Nach hcrzlichster Be-
grüßuug des Großhcrzogs schritt dcr Kroupriuz, der
die Uuifoim seiues Schlesischcn Dragoner-Negimeuts
mit dem badischcu Hausordcu augelegt hatte, die a!s
Ehreuwache aufgestellte 8. Kompagnie des 2. Badischen
Grcuadicrregimcuts Kaiscr Wilhelm Nr. 110, geführt
vom Hauptmanu Keller, ab uud gab bei dcr darauf
folgeudcn Voistclliing dcr Anwesenden dem Prorektor
Bekkcr gegcnübcr seincr Freude Ausdruck, vou Sr.
Viajcstät dem Kaiser hierher gesaudt zu sciu.
Jedes eiiizelue Seuatsmitglied ward mit huld-
reichster Ansprache seitens des Kronprinzen und
seiteus dcs Großherzogs mit Hüudedruck be-
grüßt, welcher Letztere deu Dauk der mit Nang-
erhöhnng oder Ordeusdekorationeu Ausgezeichneten iu
huldrcichster Weise crwiderte. Auch dic beideu Bürgcr-
meister Doktorcn Wilckeus uud Walz wurden vom
Krvnpriuzeu iu die liiitcrhaltung gczogeu. Nach
viertelstüudigem Aufenthalt bestiegen dcr Kroupriuz,
der Großherzog uud Prinz Ludwig die bereitsteheuden
offenen Großherzoglichen Eguipagcn, dcnen Spitzeureiter
voraufritteu nnd bcgabeu sich 'durch die dichten Zu-
schauermasseu, vou den begeisterten Zurufeu dersclbeu
begleitct, uach dem G oßherzoglichen Palais, woselbst
auch der Krouprinz Absteigequarticr geuommcu hatte.
Noch am selben Vormittag fand in der Heilig-
geistkirche zur Eiuleituug der Zubiiäumsfeier eiu fcier-
licher F e st g o t t e s d i e u st statt. Daran schloß sich
um 11 Uhr der Festakt in dcr Aula der Uuiversttät,
bci wclchem dcr Großherzog uud dcr Krouprinz An-
spracheu hielteu. Die Rede des Krouprinzen lautete:
„Se. Majestät der deutsche Kaiscr hat mir deu Auftrag
zu ertheileu geruht, Ew. K. Hoheit uud den hier ver-
sammcltcu Vertreieru >,»d Gästeu der Uuivcrsität Heidel-
bcrg Heilgruß uud Glückwniisch zur Jubiläuiiisfeier zu
entbictc». Es erfüllt inlch uiit Stolz und Freude, Zeugc
zu sein vou der Begeisterung, mit welcher iu diesen fest-
lichcu Tageu alte u»d juuge Söhue der Nuperto-
Carola sich um ihreu fürstlicheu Nektor schaaren, um
mit ihm zurückziischaiicii auf die ruhmreiche Geschichte
diescr Hochschule u»d mit Dank zu Golt iiiiis zu werde»,
daß sie i» deni halbe» Jahrtanseiid ihrcs Bestandes »is
glücküchere Zeite» geschaitt hat, als die, i» de»e» wir lebc».
Lcgrüudet i» der erstc» Frühe »»seres Kulturlebens, hat
die Hcidelbcrgcr Uuiversität alls die Schickungeu au sich
erfahreu, welchs dcm deittsche» Wescn im Niugcu uach
sclbststä«diger Auspräguug verhäiigt gcwesen siud. Sie hat
wcchselud geblüht imd gewclkt, geduldet uud gcstritteu um
Glaubens-' mid Forschuugsrecht, hat Trübsal u»d Exil cr-
trage», um cudlich, gehobe» vo» der starke» u»d milden
Haud ihrer erlauchie» Beschützer, die ehreuvollen.Wmiden
iiiit dei» Festklcide deS Sieges zu deckeu.
Wic dem deutscheu Volke, um dcsseu höchste Gütcr sie
sich reolich verdient gemacht, so ist auch ihr erfüllt, was
Jahrhuuderte ersehutcu: Ihr Ehrenschild strahlt gläuzeiidcr
in der Soiiue dcs eiuigeu Vaterlaudes! Mit tiefer Bewegung
gcdeuke ich heute der großcu Stuude, da Ew. K. Hoheit
als der Erste dem Führer uuseres sieghafteu Volkes init
dem chiwürdigeu Nameu des Kaisers gchuldigt. Diese Er-
iniieruug ist mir bcdeittsam für die Feier, die wir jetzt be-
gehen. Deim vorauzuschreiten mit großem und gutem Eut-
schluß Ist eiu Amecht des erlauchteu Zähringer Hauses uud
dieser ruhiuvolle» Uuiversität.
Es ist die schöiiste Pflicht meiuer Senduug, rühmend zn
bekeuneii, wie treu vieS Heidelbcrg beslissen war, d ie geistigeu
und sittlicheu Bediugungen dcr Wiedergeburt uuseres Volks-
thums zu pstegen. Lehreilden uud Lernendeu war von
jeher hier die gastliche Stüttc bereitet. AuS alleu Ganeu
strömten sie herzu uud iu deu llebendeu Arnieu dec üclw».
matsr erkauuteu sie sich als die Söhue der größereu Muttcr
wicder.
So hat sich hier iu der Stille des Studieulebens vor-
bcreitet, was uiis Dcutschc» »ach lange» Jrrimgeii dle
Geschichte offeubart. Jm Südwestc» des Reiches, »ahe der
chcmalige» Grcuze uiid »ahc der Gefahr lerute der Sohu
des Nordeus dcu Sohn des Südeus als Bruder liebeu,
um heimgekehrt den schöueu Glaubeu der Volksgemeinschaft
auszubreitcu, der uuser Hort uud unsere Stärke ist.
Nii» wir es wieder bcsitze» das Glück der Vereiniguiig,
strömt aus deni Gauzen ci» krästigeuder Odcm zurück in
die alte traute Heimath uuserer Bilduug. Größer geworden
siud die Zwecke des Forschcus imd Strebens, dankbarer
uud folgcurcicher der Beruf, sie lehrend Zu verkündigcu uud
lernend zu verstehen. Vaterlaud uud akademisches Bürger-
thum werdeu aber nur daiiu wahrhaft segensreich auf ein-
audcr wirkeu, wcuu sie in ihrer Lebensthätigkett die gleichen
Tugeudeu bewahreu.
Je höhers Gipfel lu Wissenschaft und im geschichtlicheu
Lcbeu crsticgeu sind, je stolzerc Ziele winken, desto größcrer
Besoiliieuhcit und Selüstvcrleuguung bedarf es.
Die Wüusche und die Zuversicht, die ich heute der
Ruperto - Carola entgegenbriuge, umschließt der Zuruf
au Lehrer und Schüler, eingedcnk zu bleibeu der Auf-
gabeu, die uus gerads im Hochgefühle des Erfolges am
eindriiiglichsteu die Secle erfüllen solleu; in Wisseu-
schaft uud Lebeu fest zu halteu an der Wahrhaftigkeit und
Streuge geistiger Zucht, an der Förderung des Bruderfinues
untcr deu Genosseu, auf daß aus dem Geiste des Frei-
inuthes u»d der Friedfertigksit die Kraft zu der heilsamen
Arbeit wachseu möge, die Lebensformeu unseres Volks-
thumS gedcihlich auszubildeu. So möge diescr Uni-
versität, eiuer der älteste» Pflciiizstätteii deutscher Wisse»-
schaft, beschiedeu scin, an Thatkraft dlc jüugste zu blsiben!"
Die Rede dcs Großherzogs in der Aulalautete:
„Durchlauchtigster Kroupriuz, höchste, hohe,
verehrtc Gästcl
AlS Meiu erhabener Ahu, der uuvergeßliche Karl
Friedrich, in deu Tagen, da daS Schwert allein zu gelten
schie», i» hoher Gesimiung u»d klarer Erkenntniß dcsseu,
waS dcm Staatsweseu dauernd frommt, der Universität
ueues Lebcn einhauchte, eiu wahrer zweiter Gründcr der-
selbeu, erklärte er: Rektor der Universität wolleu wir selbst
seiu und »nseren Nachfolgcru iu der Kur diese Würde
hinterlasse». Zn Meiner Eigenschaft als Rektor der Hoch-
schule begrüße Jch heute, au dein stolzen Tage, welcher die
füufhuiidertjährige Jubclfeicr der älteften UniLersttät des
Deulscheu Ncichs cinleitet, die glänzeude Versammluug, die
uns die Ehrs uud die Freude erweist, an dcm bedeutungs-
vollcu Feste theilzuiiehmeii.
Jch frcue Mich vor Allem der uns beglückenden An-
wesenheit Sr. Kais. und Königl. Hoheit des Kronprinzen
deS Dcutschcu ReicheS uud vou Preußen, des erhabenen
Vertreters unscres KaiserS Wilhelm, unter dessen glor-
reicher Rcgicrimg, uitter desseu gnädiger und warmer Theil-
uahme wir dieses hcrrliche Friedeusfest feieru dürfen Auch
ger icht uus zu hoher Eeuugthuung, daß Seiae Heiligkeit
Papst Leo XIII hieriu uicht wenigeu seiuer erhabenen Vor-
gäuger folgend, der alten Bilduugsstätte durch die Wid-
mimg einer kostbarcu wissenschaftlicheu Gabe sciu freuudliches
Jatcrcsse bekuudct.
Jch danke insbesoudere alleu den Abgesaudteu der
deutschcu Schwcsteraiistalteii, sowis der vielsu Hochschuleu
uud Akadeiuieu befreuudeter Nationen, welche durch die
Beglückwünschung der Jubel-Universität eiu so schöues
Zeuguiß abgcbeu vou der Einheit der Wissenschaft.
Frcundlich begrüße Jch die Mäuncr aus alleu Lebens-
krcisen, dcUcu die Förderuug der Wissenschaft und Kunst
anvertraut ist, welche unserem Ruf sympathisch ge-
folgt sind.
Eiu halbes Jahrtausend deutscher Geschichte hiudurch hat
sich diese große Anstalt alleu politischcn Wechssln, allen
äußereu Emflüssen gcgeuüber oft iu schweren Kämpfen be-
hauptet imd iimuer wieder erhoben iu lebeudiger
Kiaft, auf deu verschiedensteu Wegcu nach Wahrheit
strebeiid, die Jugcnd bildend. Sie hat das Kapital
mcuschlichcii WissenZ gemehrt, sie hat den Sameu edler
Sitte mid huniaucr Gesiunuiig in die Herzeu der Jugeud
gclegt. Ehre sci darum dem Gründer der Univcrsität,
Niiprccht l., u»d alle» de» erhabene» Fürsten gcistlichen
und weltlichcu Standes, wclche dicscr Bildungsstätte im
Laufe der Jahrhuuderts werkthätige Theiluahme und
mächtigcu Schutz gewährt habe». Jch ncnne dankbar
miter vieleu Philipp deu Aufrichtigen, Otto Hernrich, den
großen Kcimer imd Freuud vo» Kunst mid Wissenschaft,
deu unverzagteu Negenerntor Karl Ludwig. Auch Johann
Wilhclm möchte ich nicht vergesseli, welcher dieses Haus
uud dieseu Saal, de» ausgczcichuetc Küustlcr uusercr Tage
ucu geschmückt, der Hochschulc hat crbaneu lasse», Stolz er-
füllt Mich, weim Jch der Verdieuste Meincs wciscu Ahu-
herr» gedenke, unter desse» freisiiliiiger uud frcier Negierung
die Uittvcrsität, mit Recht uuu Riipcrto Carola genauut,
wieder crstaudeu ist und eine neuk Blüthe gefuudei' h-tt„
jüngsten Zeit wurde in Petersburg und ebenso auch in
Warschau eine weitverzweigte Verschwöruug entdeckt,
dcren Nädelsführer gcgeuwärtig sich bereits in der
Warschauer Zitadclle bezichungSwcise iu der Festung
von Petropawlowsk befindcn. Die Verschwöruug
wurde vom Auslande, hauptsächlich von Paris
aus geleitct. Von dort kamen Anordnungen und
Weisuugen, welche auf den Rändern der aus-
ländischen in Petersburg und Warschau abonnirten
Zeitungen mit chcmischer Tinte geschricbcn waren. Diese
Weisungen konnten erst nach Anweudung eincs ge-
eigneten chemischen Mittels gelesen wcrden. Es scheint,
daß die Vcrstäudiguugsweise der russischen Nihilisten
nnter einander durch eine von Paris gekviumeue
Dcnunziation verrathen wurde; für den Eutdecker
derselben wird aber allgemein dcr Gendarmerieoberst
Siekicrzyusky gehalten, welcher der Nachfolger dcs
von dem vielgenanuten Nihilisten Degajew cr-
mordeten Gcndarmerieobersten Sudcikin in Peters-
burg ist. Besonders die Uuiversitätsjugeud ist
in der Verschwörung stark mitverwickelt. Bereits
vor dcr Vollstrecknng des Todesnrthcils an dem
Friedensrichter BardowSky urd desscn Ecnossen wurde
in Warschau eiu sozialistischeS Komplott entdeckt, wobei
mehr als achtzig Mitglieder verhaftet und in die
Zitadelle gebracht wurden. Noch war die Untersuchnng
gegen dicsclben nicht zu Eude gcführt, als cs sich zeigte,
daß irotz dieser Massenverhaftuiig die uihilistische Seuche
nicht erstickt wordcn sei, ja vor etwa zwei Wochen
wurde sogar in dcr Vorstadt Solcc in Warschau au
einem Denunzianten dasTodcSurtheil durch eiueuArbeiter
vollstreckt. Der vielfach vcrwundcte Vcrräther der Nihi-
listen vcrschicd bald iui Spitale. Der Vollstreckcr des
Todesurtheils wurde eiugefaugeu, uud mit ihm cine
große Auzahl anderer Personen. Vor einer Woche
wurden abermals mehrere Personen, darunter auch
der aus dem AnSlandc socbcn aiigckouiincue Nihilistcu-
führer Dembsky — in dcu Nihilistenkreisen uuter dcm
Nameu Olka bckanut — verhaftet. Diese ucucu Ver-
haftuugen stehen mit den vorjährigeu im eugcn
Zusaliimenhange, und daher wurde auch die für den
nächsteu Mouat auberaumtc Verhaudluug vor cincm
Ausnahinegerichte auf uubcstiiunitc Zcit vertagt."
Der belgische Sozialistcn - Prozeß Defuisseau
wird noch ciuiual zur Verhaudliiug kommcu, ebenso
auch dcr Mordprozeß Vaudersmisseii. Der Brüsseler
Kassatioushof hat uämlich die Urtheile vernich-
tet, weil sich untcr den Geschworcnen eiuer be-
fand, der nicht die bclgische Staatsangehörigkeit be-
saß. Dcfuisseau ist übrigcus, wie bckauut, uach
Südfraukrcich cutflohcn. Bckauutlich wußte cr sich
durch Täuschuug des Präsidcutcn dcS Schwurgerichts
mit einer crlogcucn Dcpeschc dic Erlaubniß zu ver-
schaffeu, einen Äugcnblick den Gcrichtssaal zu verlassen,
worauf er sich eiligst aus dem Staube machtc.
Dic jctzt veröffcntlichte Kiiminalsiatistik des Deutschen
Reichs für 1884 eulhcilt höchst bemerkcnswerthe, ja über-
raschende Ergebuisse. Die Zahl dcr strafbaren Haiidluugcn,
dereu allergrötzter Theil aus Berstößcn gcgen das Neichs-
Stmfgcsetzbuch bestcht, hat vou 1883 bis 1>84 leider um
7,1 Prozent ziigcnommeii, cbeiiso ist die Zahl der auf
jedeu ei.izeliieu Veriirtheilteii fallendcu stiasbareu Haud-
lungeu bedeuteud gestiegcu. D'ie Zuiiahme der gegen das
Vermögeu gerichtclcu Vergehungeu ist verschwindeiid kleiu
gegenübsr der Vermehruug der gcgc» dic Persou ge-
richteteu, also durcki Aiiweiidung odcr Androhuiig vou Ge-
Ivalt verübten stiafbareu Haudlungeu. Die Veibrechen u. s. w.
gegeu Staat, öffeutlichc Ordiluug und Neligiou siud iim
8,7 pCt, die Verbrecheu ec. im Amtc um 28 pCt ge-
stiegeu. Dagcgeu ist die Zahl der wcgeu Verbrecheu uud
Vergeheu gcgen das Vermögcu Verurtheilten gcsiilikeu.
Soudert mau dic Pcriirtheilteu uach dem Geschlccht,
so findet maii, dah die Zahl dcr mäuuliche n
Verbrecher starkcr zugeuomnieu hat, als die der wciblichen.
Anffälligerweiss hat, weuu mau die eiiizelnen Gruppeu ver-
folgt, die Zahl der Fraueu, welche gegen den Staat, dic
öffcutliche Ordnimg oder die Religion gefehlt habeu, absolut
und rclativ zugeuommeu: am größteu ist dcr Antheil der
weiblichen Peisoueu inmier uoch bei den Vergehen gegen
Las Vermögeu (24,3 pCt.), doch zeigt sich hier die Abuahiue
gegeu das Vorjahr, iu welchem die betreffeude Zahl
24,8 pCt. betrng, am erheblichstcn.
HofnachMten.
* Se. Majestät der Kaiser horte, wie aus Gastein
gemeldet wird, am Souutag uach dcm Diuer dcu Vortrag
des Wirklicheu Geheimeu Legationsraths vou Bülow. Zum
Diuer waren der Ober-Hofmeister Freiherr vo» Nopcsa und
der General von Nitter geladeu. Abends 8 Uhr uahm der
Kaiser dsn Thee bei der Gräfiu Lchndoiff. Am
Montag Vormittag licß dcr Kaiser sich Vvii dcm
Wirklichcn Gchclmeu Nath vou WilmowSki Vortrag halleu
und machte NachmittagS 2 Uhr mit dem Fliigel-Adjittaiiteii,
Oberst-Lieutemmt vou Brösigke, eine Ausfahrt Der Kaiser
wird voraussichtlich nm 10. d. Mts. seiue Kur iu Gasteiu
beeudcn und am Nachmittag dieses Tages über Ncgeusbiug
die Nückreise iu die Heimath aiitrete». Am 12. d. Mts.
Vormittags dürfte dersclbc, vou der Slatio» Großbeereu
kommcnd, etwa um 9 Uhr auf Schloß Babclsberg eiu-
trcffen, um daselbst für die uächste Zeit Wohnung zu
nebmen.
NnPolitischer Tagesbericht.
* Aus Heidelberg wird vom 2. August gemeldet:
Der Großherzog und die Frau Großherzogiu siud hcuic
Nachmittag 4 Uhr mitiels Souderzuges hier cinge-
troffen und vom Prorektor der Uuiversitäi, Profeffor
Bekkcr, und deu Spitzeu der Zivil- und Militür-
Behörden cmpfangcn wordeu. Bcim Verlassen dcs
Bahuhofes wurden die Großherzoglichen Herrschafteu
von der zahlrcich versammclteu Volksmenge cnthusiastisch
bcgrüßi. — Der Chemiker Professor Bunseii erhielt
mittels äiißcrst huldvolleu Haudschreibeus dic goldene
Kcttc zum Großkrcuz dcs Zähriuger Löwen-Ordeus.
Ju dcr Fcsthalle faud Abcuds 9 Uhr vor ctwa 6000 An-
wesenden die Bcgrüßung der anläßlich des Jubiläums
der Universitüt eiugctroffeiien Güste im Nameu der Stadt
durch deu Obcrbürgermeister Dr. Wilkcus stati. Der
Redner beionte iu seincr Bcgrüßungsrede den uationaleu
Gedanken uud schloß niit eiuem euthusiastisch aufge-
uommeucn dreifachcn Hoch auf den Kaiser uud den
Großherzog, worauf die Aiiweseiiden das „Heil Dir
im Siegerkrauz" anstiminieu. Hierauf wurde der vou
Viuccuz Lachuer kompouirte Festmarsch gespielt; als-
dauu folgte das vou Scheffel gedichtete Festlied uud
ciu Hhmnus vou Julius Wolff. Damit schloß dcr
offizielle Alt. Das Wettcr war leider ctwas ver-
äuderlich uud störie dadurch uamentlich die von
maucheu Gruppeu gcplauteu Frühschoppeu im Frcien,
der Vesuch ist abcr eiu überaus lcbhafter und die Fest-
stimmung fröhlich und weihevoll. Am Mittag brachteu
die Bcrüuer Exirazüge allein 500 Gäste. Die farbigcn
Abzeichen dcr hiestgeu und frcmdeu Studcntenverbin-
duugeu treteu iu Folge der Anwcseichcit dcr vieicn
chcmaligeu Studtt-uden der Nuperto-Carola und der
Aborduuugcn der übrigen Uuiversitäteu immcr mehr
auf dcu Straßeu iu den Vorlergruiid. Für Souutag
ist ein grvßcs Kostümfest der Festzugstheilnehmer
gcplani, wozu Karteu auSgegeben werdeu. Es gicbt
daS jcdeufalls eiuen prächtigeu Abschluß dcs ganzen
Festcs. Ferner soll das Schloßfest, welches seiteus
dcr Regiciuug am gestrigen Dienstag für eiugeladeue
Perfouen veranstaltet wrirde, seiteus dcr Stadt am
Dvuiierstag, 5. August, gegen eiu Eintrittsgeld vou
50 Pfeuuig pro Perjou für das Publikum wiederholt
werdeu.
Am Dienstag Vormittag um 8 Uhr ist der Krou-
prinz mittels Extrazuges von Bayreuth eingetroffen
uud am Bahuhof vom Großhcrzog, den Priuzen Lud-
wig uud Wilhelm, dem komiiiandireudeu Gcneral vou
Obcruitz, dem Gcsaudtcu vou Eisendechcr, dem ge-
sammtcu Großherzoglichen Hosstaat, dcm Prorektor au
der Spitze des cngeren Seuats, dcm gesammtcn
Stadtrath, dcu Spitzcn dcr Zivil- uud Militär-
bchörden empfaugeu wordcu. Nach hcrzlichster Be-
grüßuug des Großhcrzogs schritt dcr Kroupriuz, der
die Uuifoim seiues Schlesischcn Dragoner-Negimeuts
mit dem badischcu Hausordcu augelegt hatte, die a!s
Ehreuwache aufgestellte 8. Kompagnie des 2. Badischen
Grcuadicrregimcuts Kaiscr Wilhelm Nr. 110, geführt
vom Hauptmanu Keller, ab uud gab bei dcr darauf
folgeudcn Voistclliing dcr Anwesenden dem Prorektor
Bekkcr gegcnübcr seincr Freude Ausdruck, vou Sr.
Viajcstät dem Kaiser hierher gesaudt zu sciu.
Jedes eiiizelue Seuatsmitglied ward mit huld-
reichster Ansprache seitens des Kronprinzen und
seiteus dcs Großherzogs mit Hüudedruck be-
grüßt, welcher Letztere deu Dauk der mit Nang-
erhöhnng oder Ordeusdekorationeu Ausgezeichneten iu
huldrcichster Weise crwiderte. Auch dic beideu Bürgcr-
meister Doktorcn Wilckeus uud Walz wurden vom
Krvnpriuzeu iu die liiitcrhaltung gczogeu. Nach
viertelstüudigem Aufenthalt bestiegen dcr Kroupriuz,
der Großherzog uud Prinz Ludwig die bereitsteheuden
offenen Großherzoglichen Eguipagcn, dcnen Spitzeureiter
voraufritteu nnd bcgabeu sich 'durch die dichten Zu-
schauermasseu, vou den begeisterten Zurufeu dersclbeu
begleitct, uach dem G oßherzoglichen Palais, woselbst
auch der Krouprinz Absteigequarticr geuommcu hatte.
Noch am selben Vormittag fand in der Heilig-
geistkirche zur Eiuleituug der Zubiiäumsfeier eiu fcier-
licher F e st g o t t e s d i e u st statt. Daran schloß sich
um 11 Uhr der Festakt in dcr Aula der Uuiversttät,
bci wclchem dcr Großherzog uud dcr Krouprinz An-
spracheu hielteu. Die Rede des Krouprinzen lautete:
„Se. Majestät der deutsche Kaiscr hat mir deu Auftrag
zu ertheileu geruht, Ew. K. Hoheit uud den hier ver-
sammcltcu Vertreieru >,»d Gästeu der Uuivcrsität Heidel-
bcrg Heilgruß uud Glückwniisch zur Jubiläuiiisfeier zu
entbictc». Es erfüllt inlch uiit Stolz und Freude, Zeugc
zu sein vou der Begeisterung, mit welcher iu diesen fest-
lichcu Tageu alte u»d juuge Söhue der Nuperto-
Carola sich um ihreu fürstlicheu Nektor schaaren, um
mit ihm zurückziischaiicii auf die ruhmreiche Geschichte
diescr Hochschule u»d mit Dank zu Golt iiiiis zu werde»,
daß sie i» deni halbe» Jahrtanseiid ihrcs Bestandes »is
glücküchere Zeite» geschaitt hat, als die, i» de»e» wir lebc».
Lcgrüudet i» der erstc» Frühe »»seres Kulturlebens, hat
die Hcidelbcrgcr Uuiversität alls die Schickungeu au sich
erfahreu, welchs dcm deittsche» Wescn im Niugcu uach
sclbststä«diger Auspräguug verhäiigt gcwesen siud. Sie hat
wcchselud geblüht imd gewclkt, geduldet uud gcstritteu um
Glaubens-' mid Forschuugsrecht, hat Trübsal u»d Exil cr-
trage», um cudlich, gehobe» vo» der starke» u»d milden
Haud ihrer erlauchie» Beschützer, die ehreuvollen.Wmiden
iiiit dei» Festklcide deS Sieges zu deckeu.
Wic dem deutscheu Volke, um dcsseu höchste Gütcr sie
sich reolich verdient gemacht, so ist auch ihr erfüllt, was
Jahrhuuderte ersehutcu: Ihr Ehrenschild strahlt gläuzeiidcr
in der Soiiue dcs eiuigeu Vaterlaudes! Mit tiefer Bewegung
gcdeuke ich heute der großcu Stuude, da Ew. K. Hoheit
als der Erste dem Führer uuseres sieghafteu Volkes init
dem chiwürdigeu Nameu des Kaisers gchuldigt. Diese Er-
iniieruug ist mir bcdeittsam für die Feier, die wir jetzt be-
gehen. Deim vorauzuschreiten mit großem und gutem Eut-
schluß Ist eiu Amecht des erlauchteu Zähringer Hauses uud
dieser ruhiuvolle» Uuiversität.
Es ist die schöiiste Pflicht meiuer Senduug, rühmend zn
bekeuneii, wie treu vieS Heidelbcrg beslissen war, d ie geistigeu
und sittlicheu Bediugungen dcr Wiedergeburt uuseres Volks-
thums zu pstegen. Lehreilden uud Lernendeu war von
jeher hier die gastliche Stüttc bereitet. AuS alleu Ganeu
strömten sie herzu uud iu deu llebendeu Arnieu dec üclw».
matsr erkauuteu sie sich als die Söhue der größereu Muttcr
wicder.
So hat sich hier iu der Stille des Studieulebens vor-
bcreitet, was uiis Dcutschc» »ach lange» Jrrimgeii dle
Geschichte offeubart. Jm Südwestc» des Reiches, »ahe der
chcmalige» Grcuze uiid »ahc der Gefahr lerute der Sohu
des Nordeus dcu Sohn des Südeus als Bruder liebeu,
um heimgekehrt den schöueu Glaubeu der Volksgemeinschaft
auszubreitcu, der uuser Hort uud unsere Stärke ist.
Nii» wir es wieder bcsitze» das Glück der Vereiniguiig,
strömt aus deni Gauzen ci» krästigeuder Odcm zurück in
die alte traute Heimath uuserer Bilduug. Größer geworden
siud die Zwecke des Forschcus imd Strebens, dankbarer
uud folgcurcicher der Beruf, sie lehrend Zu verkündigcu uud
lernend zu verstehen. Vaterlaud uud akademisches Bürger-
thum werdeu aber nur daiiu wahrhaft segensreich auf ein-
audcr wirkeu, wcuu sie in ihrer Lebensthätigkett die gleichen
Tugeudeu bewahreu.
Je höhers Gipfel lu Wissenschaft und im geschichtlicheu
Lcbeu crsticgeu sind, je stolzerc Ziele winken, desto größcrer
Besoiliieuhcit und Selüstvcrleuguung bedarf es.
Die Wüusche und die Zuversicht, die ich heute der
Ruperto - Carola entgegenbriuge, umschließt der Zuruf
au Lehrer und Schüler, eingedcnk zu bleibeu der Auf-
gabeu, die uus gerads im Hochgefühle des Erfolges am
eindriiiglichsteu die Secle erfüllen solleu; in Wisseu-
schaft uud Lebeu fest zu halteu an der Wahrhaftigkeit und
Streuge geistiger Zucht, an der Förderung des Bruderfinues
untcr deu Genosseu, auf daß aus dem Geiste des Frei-
inuthes u»d der Friedfertigksit die Kraft zu der heilsamen
Arbeit wachseu möge, die Lebensformeu unseres Volks-
thumS gedcihlich auszubildeu. So möge diescr Uni-
versität, eiuer der älteste» Pflciiizstätteii deutscher Wisse»-
schaft, beschiedeu scin, an Thatkraft dlc jüugste zu blsiben!"
Die Rede dcs Großherzogs in der Aulalautete:
„Durchlauchtigster Kroupriuz, höchste, hohe,
verehrtc Gästcl
AlS Meiu erhabener Ahu, der uuvergeßliche Karl
Friedrich, in deu Tagen, da daS Schwert allein zu gelten
schie», i» hoher Gesimiung u»d klarer Erkenntniß dcsseu,
waS dcm Staatsweseu dauernd frommt, der Universität
ueues Lebcn einhauchte, eiu wahrer zweiter Gründcr der-
selbeu, erklärte er: Rektor der Universität wolleu wir selbst
seiu und »nseren Nachfolgcru iu der Kur diese Würde
hinterlasse». Zn Meiner Eigenschaft als Rektor der Hoch-
schule begrüße Jch heute, au dein stolzen Tage, welcher die
füufhuiidertjährige Jubclfeicr der älteften UniLersttät des
Deulscheu Ncichs cinleitet, die glänzeude Versammluug, die
uns die Ehrs uud die Freude erweist, an dcm bedeutungs-
vollcu Feste theilzuiiehmeii.
Jch frcue Mich vor Allem der uns beglückenden An-
wesenheit Sr. Kais. und Königl. Hoheit des Kronprinzen
deS Dcutschcu ReicheS uud vou Preußen, des erhabenen
Vertreters unscres KaiserS Wilhelm, unter dessen glor-
reicher Rcgicrimg, uitter desseu gnädiger und warmer Theil-
uahme wir dieses hcrrliche Friedeusfest feieru dürfen Auch
ger icht uus zu hoher Eeuugthuung, daß Seiae Heiligkeit
Papst Leo XIII hieriu uicht wenigeu seiuer erhabenen Vor-
gäuger folgend, der alten Bilduugsstätte durch die Wid-
mimg einer kostbarcu wissenschaftlicheu Gabe sciu freuudliches
Jatcrcsse bekuudct.
Jch danke insbesoudere alleu den Abgesaudteu der
deutschcu Schwcsteraiistalteii, sowis der vielsu Hochschuleu
uud Akadeiuieu befreuudeter Nationen, welche durch die
Beglückwünschung der Jubel-Universität eiu so schöues
Zeuguiß abgcbeu vou der Einheit der Wissenschaft.
Frcundlich begrüße Jch die Mäuncr aus alleu Lebens-
krcisen, dcUcu die Förderuug der Wissenschaft und Kunst
anvertraut ist, welche unserem Ruf sympathisch ge-
folgt sind.
Eiu halbes Jahrtausend deutscher Geschichte hiudurch hat
sich diese große Anstalt alleu politischcn Wechssln, allen
äußereu Emflüssen gcgeuüber oft iu schweren Kämpfen be-
hauptet imd iimuer wieder erhoben iu lebeudiger
Kiaft, auf deu verschiedensteu Wegcu nach Wahrheit
strebeiid, die Jugcnd bildend. Sie hat das Kapital
mcuschlichcii WissenZ gemehrt, sie hat den Sameu edler
Sitte mid huniaucr Gesiunuiig in die Herzeu der Jugeud
gclegt. Ehre sci darum dem Gründer der Univcrsität,
Niiprccht l., u»d alle» de» erhabene» Fürsten gcistlichen
und weltlichcu Standes, wclche dicscr Bildungsstätte im
Laufe der Jahrhuuderts werkthätige Theiluahme und
mächtigcu Schutz gewährt habe». Jch ncnne dankbar
miter vieleu Philipp deu Aufrichtigen, Otto Hernrich, den
großen Kcimer imd Freuud vo» Kunst mid Wissenschaft,
deu unverzagteu Negenerntor Karl Ludwig. Auch Johann
Wilhclm möchte ich nicht vergesseli, welcher dieses Haus
uud dieseu Saal, de» ausgczcichuetc Küustlcr uusercr Tage
ucu geschmückt, der Hochschulc hat crbaneu lasse», Stolz er-
füllt Mich, weim Jch der Verdieuste Meincs wciscu Ahu-
herr» gedenke, unter desse» freisiiliiiger uud frcier Negierung
die Uittvcrsität, mit Recht uuu Riipcrto Carola genauut,
wieder crstaudeu ist und eine neuk Blüthe gefuudei' h-tt„