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Unverzagt, Wilhelm
Terra sigillata mit Raedchenverzierung — Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Band 3: Frankfurt/​M., 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.43353#0021
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auf Massenverbrauch berechneten Sigillata der Spätzeit unerhörte Zeitvergeudung, ganz ab-
gesehen von der technischen Unmöglichkeit durch Neben- und Untereinandersetzen derartiger
streifenförmiger Stempel eine fortlaufende ununterbrochene Spirale herzustellen. Ganz ver-
fehlt ist es, daran zu denken, daß jedes der kleinen Rechtecke auf dem Gefäß durch einen be-
sonderen Stempel hergestellt sei. Man müßte ungefähr 250—300 mal derartige Stempel auf
die Wand einer einzigen Schale drücken. Es bleibt also nur die Annahme übrig, daß das
Ornament durch Abrollen eines scheibenförmigen Rädchens, auf dessen
Rand die Verzierungen eingetieft waren, erreicht worden ist.
Zur Nachprüfung dieser Feststellung habe ich ein Rädchen herstellen und in der
Kunsttöpferei von Ph. Knoth in Nassau a. d. Lahn praktisch erproben lassen. Das Er-
gebnis dieser öfters wiederholten Versuche ist in Kürze folgendes. Zunächst wird die Gefäß-
wand samt der Bandlippe auf der Scheibe gedreht, von ihr entfernt und solange zum Trocknen
aufgestellt, bis sie in den Zustand geraten ist, den. der Töpfer als „lederhart“ bezeichnet. Der
Fuß ist dabei aus der entsprechend dicken Gefäßwand noch nicht herausgearbeitet. In dem
lederharten Zustand, der. je nach den. Umständen in 1—-2 Tagen erreicht wird, kann der Ton
noch bearbeitet werden, aber die Festigkeit ist schon soweit vorgeschritten, daß sie eine Um-
wendung des Gefäßes ohne Gefahr einer Formänderung gestattet. Das Gefäß wird jetzt vom
Trockengestell herabgenommen, umgedreht und mit der Lippe auf die Scheibe gesetzt.
Es erfolgt nun durch seitliches Anhalten eines scharfkantigen Plättchens die Herausarbei-
tung des Bodens aus der Gefäßwand. Der Boden wird also bei diesen Sigillaten nicht
wie bei den Reliefschüsseln der mittleren Kaiserzeit für sich aus einem besonderen Tonwulst
nachträglich aufgedreht, sondern besteht mit der Gefäßwand aus einem Stück. Ist der Boden
hergestellt, dann setzt der Töpfer die Scheibe wieder in Umdrehung, ergreift das Rädchen, taucht
es in Wasser und hält es in nassem Zustand beim Boden an die Wand des Gefäßes. Das mit dem
Gefäß sich drehende Rädchen wird jetzt langsam an der Wand hinabgeführt und versieht diese
in noch nicht einer Minute mit einem fortlaufenden Ornatnentstreifen in Spiralform. Beachtens-
wert bleibt, daß das Rädchen vorher in Wasser getaucht werden muß. Durch das Wasser wird
die oberste Tonschicht flüssig, während der Untergrund festbleibt. Infolgedessen drückt sich
das Rädchen bei ganz gelindem Druck schnell und sicher mit allen Feinheiten seiner Oberfläche
in die Gefäßwand ein. Auf diese Weise konnten in einer Stunde bequem 20—30 Gefäße ver-
ziert werden, ein Herstellungsverfahren, das dem Massenbedarf an derartiger Sigillata in der
späten Kaiserzeit durchaus entspricht. War die Ornamentierung vollendet, dann zog man durch
seitliches Anhalten eines Stäbchenseine Rille, die den verzierten Teil von dem Rande trennte.
In ähnlicher Weise, wie es hier für die Schale erörtert wurde, ornamentierte man Tassen, Teller
und die übrigen Formen.
Was das Rädchen selbst angeht, so ist- meines Wissens bisher noch kein der-
artiges Instrument aus der Spätzeit gefunden worden, während Zahnrädchen, die besonders
im 2.—3. Jahrhundert n. Chr. zur Herstellung eines Kerbbanddekors auf Sigillatagefäßen, ge-
firnisten Bechern, Krügen usw. benutzt wurden, an mehreren Orten zutage getreten sind1).
Die Maße der spätzeitlichen Rädchen lassen sich aus den immer wiederholten Ornamentstreifen
genau erkennen und berechnen. Danach bestanden sie aus einer 5—10 mm dickenScheibe,
deren Rand zunächst durch senkrechte Einkerbungen in eine Anzahl, meist 7—-10, etwa gleich
großer Abschnitte geteilt wurde. Die einzelnen Abschnitte verzierte man dann durch Schraf-
fierungen, Kreuze, Punkte usw. in der mannigfachsten Weise. Die Länge des Rädchen-
J) S. z. B. 6. Jahresbericht d. Altertumsvereins Weißenburg (Unterelsaß) 1911 S. 169 u. 47. Mitteilung des-
selben Vereins: „Ein 16 cm langer Stiel verzweigt sich am Ende in eine Gabel, die ein um ihre Achse drehbares
gezahntes Rädchen aus Bronze hält“ (F o. Selz); weitere Zahnrädchen dieser Art im Museum zu S p e i e r und aus
den Töpfereien von Heddernheim im Museum zu Frankfurt/Main. Mitt. üb. röm. Funde in Heddernheim IV
1907 S. 111 Fig. 3 no. 1: „Zylindrisches massives Rädchen aus Bronze, Dm. 19, Breite 9 mm. In der Mitte eine
4 mm weite Bohrung für die durchzuschiebende Achse. Der Rand ist parallel der Achsenrichtung geriffelt.“
 
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