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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0019
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Die christliche Bürgerschaft. Der Senat

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Andererseits bedeutet er viel weniger als Citoyen. Denn er
schließt die sogenannten israelitischen Bürger, die Beisassen und die
Permissionisten aus*).
Man kann also nicht sagen, daß diese neue Berfassuug die Privi-
legien der alten Zeit beseitigte. Sie dehnte sie nur aus auf einen
großen Bruchteil der christlichen Bevölkerung. In die reichs-
städtische Tradition — Rat und Bürgerschaft find zwei getrennte
Lager, jedes mit seinen politischen Rechten und Ansprüchen —
keilt sich so die moderne Staatsidee vom politisch einheitlichen Ver-
band. — Wie vollzieht sich nun die Regierung dieser souveränen
„Bürgerschaft"?
Die Konftitutionsergänzungsakte sagt?): „Die hiesige christliche
Bürgerschaft kann die aus der ihr zustehenden Hoheit fließenden
Rechte in ihrer Gesamtheit nicht selbst ausüben. Sie überträgt
daher deren Ausübung auf die den folgenden, aus ihrer Mitte uud
Autorität ausgehenden Behörden, welche durch die Benennungen:
1. die gesetzgebende Versammlung oder der gesetzgebende
Körper,
2. der Senat, das obrigkeitliche Kollegium,
3. der ständige Bürgerausschuß
bezeichnet werden."
Wir sehen hier eine bewußte Verwirklichung der Übertragungs-
theorie vor uns — auch etwas wie Trennung der Gewalten scheint
nachzuklingen in der schönen logischen Dreiheit, und die oberste
Kategorie „Behörde" gibt moderne Farbe. In Wahrheit steckt
aber in der zeitgemäßen angefärbten Schale noch der alte Kern.
Was jetzt nach dem Muster der Hansastädte Senat genannt
wird, ist der alte reichsstädtische Rat. Er teilt sich „wie vor Alters"
in die drei Bänke der älteren Senatoren oder Schöffen, der jüngeren
Senatoren, der Ratsverwandten. Ebenso ist der ständige Bürger-
ausschuß, oder wie er modern etikettiert auch heißt: die ständige
Bürgerrepräsentation, nichts anderes als das alte Einundfünfziger-
kollegium — eine Behörde also und keine „ropresontation cln peuxlo".
— Die Ergänzungsakte gibt sich so auch gar nicht weiter die Mühe,
die Befugnisse dieser Behörde aufzuzählen, sondern verweist ein-
fach und harmlos auf die kaiserlichen Resolutionen, wonach das
Kollegium „die Aufsicht über die Finanzen führen, bei wichtigen
Borfallenheiten zum Besten der Bürger bei dem Rat Erinnerung

') Über diese Klassen wird später eingehend gehandelt.
'> Artikel 8.
 
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