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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0046
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Frankfurt vor der Revoluüon

Höher standen die „Blätter für Geist, Gemüt und Publizität"
(seit 1822), die sich den zur Zeit der Griechenbegeisterung zündenden
griechischen Titel Didaskalia beilegten, ein reizvoller Sammel-
begriff, der, wie es ausdrücklich und programmatisch betont ward,
auch „allerlei romantische und historische Erzählungen, launige und
komische Gedichte, besonders mit Rücksicht aus die Damen", ent-
halten sollte. „Der Schloßgeist", „Mathilde. Aus den Zeiten der
Kreuzzüge, frei nach dem Französischen", das „Christpüppchen" —
ein raffiniert süßlich-harmloser Titel für ein ebensolches Produkt
von Clauren — solcherlei stand auf dem Speisezettel.
„Romantisch und historisch" sollten die Erzählungen sein. So
wurde der große geistige Strom der Zeit verwässert, um für die
literarisch damals so stark interessierten breiten Schichten ein be-
kömmlicher Trunk zu sein. Auch Zeitschriften dieses Charakters
Haben damals in Frankfurt bestanden. Recht unscheinbar traten
die „Erholungsstunden" (1832) — kleine, graubraun broschierte
Monatshefte in Oktavformat — auf. Novellen, Gedichte von Ver-
gessenen, oft von kläglicher Sentimentalität, wollten „anziehende und
lehrreiche Erheiterung in Stunden der Muße" gewähren. Das-
selbe niedrige literarische Genre, das die Devise „Unterhaltung und
Nutzen" trug, hatten schon früher die „Gemeinnützlichen Blätter"
(1822) vertreten. Da war eine „Novelle" durch viele Nummern
hindurch lang hingezogen, da deutete die Harfe auf dem Titelblatt
auf seitenweise, langstrophige Lyrik, die wohl einmal durch eine
rührende Szene aus der französischen Revolution abgelöst wurde.
Diese Zeitschrift wandte sich im Titel ausdrücklich an die „Gebil-
deten", beanspruchte also Beachtung in den höheren und mittleren
Schichten der Bürgerschaft.

Inwiefern konnte hier von einem wirklich tieferen geistigen
Leben die Rede sein? Alle Beurteiler stimmen darin ziemlich
überein, daß in Frankfurt das Geld die Hauptrolle spiele. Da heißt
es, die Frankfurter Kaufleute hätten die Köpfe voller Nullen, und
weil sie seit dem fünfzehnten Jahr im Bureau säßen, hätten sie
nur Sinn für Wertpapiere und — das Spiel, eine Unterhaltung,
bei der man wenigstens etwas gewinnen könnte. Beurmann
bemüht sich, dieses Sachverhältnis geistreich auszudrücken wenn
er, offenbar von der Heineschen Art zu schreiben inspiriert, sagt*):
„Wenn in Frankfurt die Literatur pfundweise verkauft werden

Y Beurmann, Frankfurter Bilder (1835), S. 280.
 
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