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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0085
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Eine konservative Broschüre über Frankfurt

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Anonymus auch auf Pfaden Hegels, doch sind solche Gedanken
immer stark verflacht durch Verquickung mit Plattheiten vulgär-
stoischer Provenienz. Die Lehren sind für die Tage der Julirevo-
lution wirklich ungewöhnlich. Da wird der Adel das Salz und der
Pfeffer in jeder ordentlichen Staatsküche genannt, da wird er-
klärt (Seite 5): „Ein intelligentes Volk kann sich allerdings durch
seinen allerhöchsten Verstand selbst regieren — es kann aber auch
durch diese höchste Autonomie und Autokratie gar leicht auf das
Extrem verfallen: Wir sind Gott, Kaiser, König, Adel — Volk —
also ewig alles durch uns selbst, folglich gar nichts, wenn wir von
diesen höchsten Potenzen menschlicher Welt- und Regierungskunst
nichts als Elemente sind! Wäre eine solche Freiheit nicht eine ewige
Vogelfreiheit?" Stolz und sicher wird die Frage aufgeworfen
(Seite 6): „Ist etwa eine freie Reichs-, Wahl-, Krönungs- und Han-
delsstadt nicht mehr als eine kahle freie Stadt, die höchstens an die
hebräischen Freistädte in den Büchern Mosis erinnert?!" Dann
ertönt die Klage: „Seitdem es kein Centauren mehr gibt, und der
Mittelstand die Kunst gelernt hat, gleich einem wilden Rosse seinen
Reiter wenigstens ex prokesso abzuwerfen, ist alles Gleichgewicht
von Rang und Stand gefährdet."
Die moderne Republik wird verdammt. „Sie ist der unvertilg-
bare Bandwurm des freien Gegeneinanderstehens, das ewige Ver-
derben." Ein Zukunftsbild wird zur Abschreckung konstruiert: „Wäre
eine absolute Volkshoheit möglich, so hätte diese auch das Recht, alle
vierzehn Tage — variatio äeleotat — eine neue Regierung ein-
zusetzen, und sich am Ende wie in der Fabel mit einem Jupiterklotz
zu begnügen." — Die Folgerung wird gezogen: „Das Patriziat
ist die Krone und Ehre jeder gemeinen Stadt." Ganz geschickt wird
ein möglicher Einwand abgewiesen: „Wären wir Christen im vollen
Sinne und Begrisf des Wortes, so würden wir von Stand und Recht
nichts wissen — aber wir sind Weltbürger." Als Beweis dient
wiederholt die Nemesis der Geschichte. Sehr lehrreich ist die fol-
gende Argumentation, die der Freund an den Freund richtet. „Was
dein altes abgedroschenes Englisch-Richardisches Proverbum
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betrifft, so ist dieses ... schon längst aus dem ersten Naturzustand
zur ersten Adelsstufe heruntergestürzt, und so gut als wir gegen-
wärtig das sremde ckemoisellö mit einem würdigen .Fräulein-
vertauschen, ohne darum verlernt zu haben, die gnädigen Fräuleins
 
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