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Valentin, Veit
Politisches, geistiges und wirtschaftliches Leben in Frankfurt am Main vor dem Beginn der Revolution von 1848/49 — Stuttgart: Union dt. Verlagsges., 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.71759#0123
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Das Schicksal der Gewerbe 111

Verfertigung Voll Handwerksarbeiten jeder Art innerhalb des
Zunftbezirks. Das klang sehr tröstlich, aber das Entscheidende kam
erst. Bestritten und als durchaus unverträglich mit den Grundsätzen
der Vereinsgesetzgebung zurückgewiesen wurden die neben der
Zunftverfassung teils gesetzlich, teils herkömmlich bestehenden, das
Hereinbringen und den Handel mit auswärts gefertigten Gewerbe-
gegenständen ausschließenden Anordnungen.
Was hieß das? Nichts anderes, als der Frankfurter Zunft-
verfassung ihren eigentlichen wirtschaftlichen Sinn nehmen. Was
nutzte es, daß fremde Handwerker nicht in der Stadt arbeiten durften,
daß das Hereinbringen von Waren, die zum feilen Verkauf oder nicht
zum eigenen Bedarf bestimmt waren, verboten blieb, wenn das
Einbringen fremder Handwerksartikel für den Großhandel, sowie
auf Bestellung zum eigenen Bedarf der Einwohner, was ja prak-
tisch, wie wir sahen, zum großen Ärger der Zünftler schon mehrfach
geschah, nunmehr für alle Zweige prinzipiell gestattet wurde?
Die Lebensfrage der Handwerker war Fernhaltung der Konkurrenz.
Nun durfte sie, wenn auch noch nicht ihre persönlichen Träger —
die fremden gewerblichen Arbeiter — so doch ihre sachlichen Erzeug-
nisse — die gewerblichen Produkte — in die Stadt schicken, praktisch
ohne jede Einschränkung; denn wer konnte den Bedarf der Einzelnen
kontrollieren oder dem Großhandel nachprüfen, was er verbrauchte,
was er weitergab? Der letzte Punkt ist von besonderer Bedeutung,
er enthält den Keim zu Konflikten zwischen Handel und Gewerbe.
Wir sahen, wie nach der alten Frankfurter Wirtschaftsverfassung
der Handelsherr und der Handwerksmeister im wesentlichen friedlich
nebeneinander arbeiten konnten — ein anderer Geist entsteht jetzt.
Der Kaufmann operierte über den Kopf des Handwerkers hinweg,
der Handwerker begann sich als der Übertölpelte zu fühlen, er
lernte in dem anderen den lebhafteren, unternehmenderen, sozial
und wirtschaftlich überlegenen Gegner hassen. Die Findigeren
unter den Handwerkern gingen zum feindlichen Lager über — sie
wurden nun Detailhändler ihrer Waren — ihre eigentlich Hand-
werkliche Tätigkeit begann dann bald nur noch im Reparieren, in
der Herstellung weniger Spezialartikel zu bestehens. Und von den:
Moment an, an dem sich ein Handwerksmeister entschließen konnte,
etwa von einer auswärtigen Fabrik gebrauchsfertige Waren zum
Verschleiß zu beziehen, von dem Moment stellte er in den Augen
des Forschers den neuen Typus des Detailhändlers dar. Diese

Y Kanter a. a. O. S. 109 ff.
 
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