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das frühe Mittelalter — und es ist dieses Verhalten gegenüber den
Vorbildern ein genauer Gradmesser für die der künstlerischen u. tech-
nischen Tradition innewohnende eigenständige Kraft — steht den ihm
von allen Seiten angebotenen Mustern mehr wie ein Kind gleichsam
wehrlos gegenüber. Doch es ist das eine wenn auch im allgemeinen
richtige, so doch vor dei' Hand nur an einzelnen Dokumenten gemachte
Beobachtung, ein zusammenhängendes Material ist darauf noch nicht
untersucht, insbesondere fehlt es noch an Kenntnis der grossen Haupt-
und Centralschulen des damaligen Deutschlands, bei denen allein eine
selbständige, festere Richtung zu erwarten ist. Die von uns hier vor-
gelegten Untersuchungen liefern den sicheren Beweis, dass in diesen eine
ganz bestimmte stilistische und technische Schulung, ja eine ikono-
graphische Tradition von grosser Lebenskraft in der That existierte,
eine Tradition, die stark genug ist, einen von aussen kommenden ent-
schiedenen Einfluss schliesslich völlig zu überwinden. Was insbesondere
die Hs. Cim. 58 angeht, wo diese Einflüsse sich am stärksten äussern,
so finden wir hier offenbar aus einer Quelle stammende Vorbildei’ an
zwei verschiedenen Stellen (in Math. u. Johannes) in ganz verschiedenem
Grade wirksam, im Math, ist die technische Basis der eigenen Schule
nicht verlassen worden, weit mehr eingedrungen ist das Vorbild im
Johannes; mit anderen Worten, gerade das deutlichere Durchschimmern
der fremden Vorbilder an dieser Stelle ist ein Beweis dafür, dass ver-
schiedene ausführende Kräfte an dem Kodex beteiligt waren, von denen
die eine noch weniger „geschult“ ist, noch nicht im festen Besitz der
eigenen künstlerischen Mittel der Schule. Und wie will man denn über-
haupt die sehr oft in einem Kodex hervortretenden graduellen Wert-
unterschiede mit der Annahme verschiedener Vorbilder erklären. Ge-
wiss wird ein technisch und stilistisch vortreffliches Vorbild einen an
sich technisch ungeschickten u. künstlerisch noch stümpernden Maler
nicht ohne weiteres zu technisch und künstlerisch vortrefflichen Leistungen
hinaufheben können, er wird an den besten Mustern gerade am ehesten
zu Schande werden, andererseits ist es gar nicht zweifelhaft, dass ein
im Besitz einer verhältnismässig hohen Tradition arbeitender Maler ein
roheres oder auch technisch etwa ebenbürtiges Muster eben mit den
ihm zu Gebote stehenden technischen Mitteln benutzen wird.
Wir stellen die Resultate der nachfolgenden Untersuchung voran:
Es ergab sich:
1. Mit dem ersten Bilde in dem von dem zweiten Schreiber ge-
schriebenen Text setzt auch ein zweiter weniger geschickter Maler ein,
Vöge, Malerschule. 3
 
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