Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Vöge, Wilhelm; Panofsky, Erwin [Bearb.]
Bildhauer des Mittelalters: gesammelte Studien — Berlin, 1958

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31190#0246
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
210

KunstgeschichtHche Anzeigen, Jg. III, 1906,1, S. 1-10

T)as Portal des Paradieses am Vom zu Paderborn

Richard Reiche, Das Portal des Paradieses am Dom zu Paderborn. Ein Beitrag zur Ge-
schicVite der deutschen Bildhauerkunst des 13. Jahrhunderts. Münster, Regensburg, 1905.
(Inaug.-Diss. der Univ. Straßburg).

Es ist erfreulich, daß man angefangen hat, sich in die deutschePlastik des 13. Jahrhunderts
zu vertiefen. Die Anregung ist von verschiedenen Seiten gekommen. Besonders Dehio
hat das Interesse geweckt durch Aufzeigen überraschender Zusammenhânge, durch Be-
feuerung seiner Schüler. Das Weese'sche Buch knüpfte an seine Beobachtungen an, auch
K. Franck's interessante Arbeit über den älteren Straßburger Meister und seine Be-
ziehungen zu Chartres kam aus diesem Kreise. Und das Buch Reiches, dem schmucken
Statuenportal an der Südseite des Paderborner Doms gewidmet, ist wie jenes eine Straß-
burger Doktorarbeit.

Es ist eine fleißige, ernsthaft zu nehmende Schrift, die eine Reihe zutreffender und an-
regender Beobachtungen bringt, ohne zwar die Probleme ganz zu klâren. Sie sind seltsam
verwickelt, und es wâre schon ein Verdienst gewesen, es gezeigt zu haben. Aber Reiche
hat das nicht genügt. Er will Lôsungen und glaubt sie in der Hand zu halten, wenigstens
für die meisten Fragen, die ihn interessiren. Offenbar hat er seinen Beobachtungen hie
und da zu viel Vertrauen geschenkt.

Merkwiirdig, daß er, der Westfale, den westfâlischen Charakter dieser Bildwerke iiber-
sieht, sie einem Meister von wahrscheinlich rheinischer Schulung oder gar Abstammung
gibt, den er keck mit dem Künstler des Mainzer Leichhofportales zu einem verschmilzt,
vermutend, daß er aus Mainz auch seine Gehilfen mitbrachte.

Aber der Paderborner ist doch weit derber und temperamentvoller als der Mainzer. Der
ist zahmer, schlaffer in Haltung und Falten, mehr auf Schlankheit ausgehend in Kôpfen
und Körpern. Man denke sich den Bischof 1. auf dem Tympanon einmal in ganzer Figur!
Jene ganz ungeschlachten, barocken Haarlocken, wie sie in Paderborn doch gerade der
»eigenhändige« Petrus hat, finden sich in Mainz nicht. Die Muschelnimben umschließt
der Westfale mit einem breiten Rahmenband; Reiche erwâhnt da, er scheint nicht zu
spüren, daß die gelassene Rahmenlosigkeit der Mainzer Nimben mit dem Wesen dieses
Meisters zusammengeht u. a. m.

Reiche hat den Abstand der zwei Gruppen zwar nicht ganz übersehen, er nimmt eine
Fortentwicklung eines an. Aber ohne alle literarische Beglaubigung solch verschiedene
»Manieren« eines Anonymus den Kunstwerken vom Gesicht ablesen zu wollen, ist noch
in spâteren Jahrhunderten gewagt genug. Allerdings kann man gerade im 12. u. 13. Jh.
solche Entwicklungen eines bisweilen wahrscheinlich machen (in Toulouse, in Bamberg,
 
Annotationen