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Vögelin, Friedrich Salomon
Denkmaeler der Weltgeschichte: eine Sammlung der hervorragendsten Monumente, grösstentheils nach Originalansichten : geschichtlich und kunsthistorisch erläutert (Band 1): Das Alterthum — Basel: Druck und Verlag von Chr. Krüsi, 1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.67255#0140
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135 Niniveh. 136

weist er nach den mystischen Zeichen des
Sternes, des Zweizackes, des Halbmondes, der
geflügelten Sonnenscheibe und der — hier mit
Stierhörnern verzierten — Tiara. Die ganze
Tafel ist vorn und hinten mit einer Inschrift
in ganz kleinen Keilbuchstaben bedeckt, die nur
die Figur des Königs freilassen. Dieser zählt
darin seine Grossthaten auf. „Und wenn ich
auf dieser Tafel etwas vergessen habe, so mö-
gen Oannes, Bel-Dagon und Salman, die Götter
die mich lieben, an meiner Statt es verkündi-
gen.“ Diese Tafel kam nach England, hat aber
bei dem Brande, der den Tempel zerstörte, und
mehr noch beim Transport gelitten. — Vor
derselben stund ein Altar in Form eines Drei-
fusses mit Löwentatzen. Es wurde also dem
Könige bei Lebzeiten geopfert.
Den Eingang flankiren zwei priesterliche
Figuren in reicher Kleidung mit einer Mohn-
blume in der Hand. Besonders merkwürdig
aber sind die Reliefs im Thore selbst. Ein ab-
scheulicher Drache mit geschupptem Leib, vier
Beinen, zwei Flügeln, und einem Schweif von
Pfauenfedern flieht, aufgerichtet, und den Ra-
chen weit aufgesperrt, vor einer geflügelten und
mit gehörnter Mütze bedeckten Gestalt, die mit
Schwert und Sichel bewaffnet, mit jeder Hand
einen doppelten Dreizack, das Urbild von Jupi-
ters Donnerkeil, nach dem Ungeheuer schleu-
dert. Diese Austreibung des bösen Geistes durch
eine gute Gottheit ist also, wie man sieht, eine
uralte heidnische Vorstellung, die ihren Weg von
den Assyrern zu den Persern, von den Persern
zu den Juden, und schliesslich von den Juden zu
den Christen machte. In dem Gemache, das hin-
ter diesem Eingang liegt, finden sich verschie-
dene Bilder des Fischgottes, auf die wir unten
zurückkommen werden.
Der Tempel hatte aber an derselben Ost-
Seite, dreissig Fuss nördlich, noch einen zwei-
ten Eingang, der zu andern Gemächern führte.
Dieses Thor war — s. Tafel XXVIH — mit
zwei kolossalen, 16V2 Fuss hohen, und 15 Fuss
langen Flügellöwen mit menschlichen Häuptern
verziert. Zu den Seiten dieser Thorwächter sieht
man je drei menschliche geflügelte Figuren
über einander; die oberste und unterste haben
auch einen menschlichen Kopf, und tragen in

der Hand die Mohnblume — überhaupt ent-
sprechen sie durchaus den Priesterfiguren am
andern Eingangsthor. Die beiden mittlern Ge-
stalten dagegen haben einen Sperberkopf, und
tragen den Weihwasserkessel in der einen, den
heiligen Pinienzapfen in der andern Hand. In
einem der Gemächer war der Fussboden mit
einer einzigen, 21 Fuss langen, 16‘ 7“ breiten,
und 1‘ 11“ dicken Alabasterplatte belegt, und
dieser enorme Monolith (jezt durch die darauf
gefallenen Steine zerbröckelt und durch den
Brand verkalkt) enthielt, mit grösster Sorgfalt
gearbeitet, eine weitläufige, nach Monat und Tag
genau bestimmte Aufzählung der Kriegs- und
Jagd-Thaten des Königs Sardanapal. Das Merk-
würdige ist nun aber, dass sich diese selbe
Inschrift auf der untern, in den Boden einge-
lassenen Seite der Platte wörtlich gleichlau-
tend, nur am Schluss noch weitergeführt,
wiederholte. Das Dokument schliest mit einer
V erwünschung dessen, der es wagen sollte, den
(Zentral-) Palast zu zerstören, um aus seinen
Materialien einen neuen zu bauen. Dieses Ver-
fahren wird also hier als ein gebräuchliches
vorausgesetzt, und der Furcht vor demselben
entsprang offenbar auch die Wiederholung der
Inschrift auf der untern, dem Anblick entzoge-
nen Seite. Würde auch ein Feind der jetzigen
Dynastie die Oberseite zerstören, so sollte doch
die verborgene Unterseite Salmanassars An-
denken für bessere Zeiten aufbewahren.
Ganz in ähnlicher Weise wiederholte sich
eine solche kolossale Doppelinschrift auf einer
Fussplatte des etwa hundert Fuss entfernten
kleinern Tempels. Auch hier war der Eingang
von zwei, 8 Fuss hohen, und 13 Fuss langen
Löwen bewacht. Aber diese Löwen trugen —
im Gegensatz zu allen sonst aufgefundenen —
durchaus keine fremdartigen Zusätze (Men-
schenhaupt oder Flügel), sondern zeigten die
reinen Thierformen; diese aber in vollendeter
Schärfe und mit trefflicher Charakteristik der
dem Löwen eigenthümlichen, gewaltigen Bewe-
gung. Es ist unmöglich, hier das Vorbild der
Löwen der Griechischen Kunst zu verkennen.
Nur die Eigenthümlichkeit der ältern Assy-
rischen Skulptur kehrt auch bei diesen Löwen
wieder: sie haben fünf Füsse, um, von vorn
 
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