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es, daß noch ein viel überzeugenderer Eindruck des Freiräumlichen er-
reicht ist als bei van Eyck, bei dem nach dem Größenverhältnis der Figu-
ren der Raum relativ doch mehr Hintergrund ist. Oie „Wochenstube" bringt
einen zweiten Rückraum, wie später Pieter de hooch, der freistehende
Tisch mit Geräten, die offene Truhe links, die schreitende Frau, sowie
Hündchen und Pantoffeln, das sind die raumbildenden Gegenstände. „Wan
ahnt mehr die eine Wand, als daß man sie sehen würde, die andere fehlt
ganz, die Gegenstände werden vom Rahmen überschnitten, der Raum
erstreckt sich über ihn hinaus, wie er auch in der Tiefe durch den Ausblick
in anstoßende Wohnräume fortgeführt wird. Diesem Streben nach freiem
räumlichen Sichausbreiten patzt sich auch die figurale Komposition an.
In der mittleren Tiefenachse der Darstellung gibt es keine Figuren, sie
sind exzentrisch links und rechts davon angeordnet und die inhaltlich
wichtigste Szene befindet sich nicht im Vordergründe, sondern wurde nach
rückwärts in die Simmerecke verlegt, sodaß das Auge beim Betrachten
des Gemäldes gezwungen ist, den Raum nach allen Richtungen hin zu
durcheilen, um ihn auf diese Weise in seiner freien Ausdehnung und Tie-
fenbewegung stärker und lebendiger als durch die perspektivische Kon-
struktion allein dem Beschauer zum Bewußtsein zu bringen." (Dvorak
S. 64.) Dn dem Bildchen der Totenmesse (Abb. 3) ist Untensicht in das
Gewölbe gegeben, der Blick geht aus der Vierung schräg in den Thor,
Rückenfiguren leiten in die Tiefe und das Raumbild ist breit und gelöst.
Vas „Raumbild (ist) erweitert und mit stärkerer Betonung des über den
Bilbausschnitt hinausgehenden Sicherstreckens im Freiraum verbunden"
(S. 72), als die verglichene Kirchenmadonna von van Eyck. Doch be-
treffen die Beobachtungen einer relativ geschlosseneren und von tektoni-
schen Grenzen gebildeten Räumlichkeit der Bilder van Eyck nur Abwand-
lungen, Gradunterschiede der gemeinsamen freiräumlichen Anschauung,
die die Bildgestaltung bestimmt.
Auch die Kunst, die nach den Untersuchungen von Dvorak (Fahrb. d.
Kunstsamml. d. A. Kaiserh. XXII, Z5; XXIV, 161) die Wurzel der Kunst
der Brüder van Eyck und der niederländischen Walerei ist, die franzö-
sisch-burgundische Hofkunst ist bestimmt von der nordischen Raumanschau-
ung, und alle Anregungen, die ihr etwa durch das „Einfallstor" in Avig-
non von Süden her zuströmten, (das Verhältnis ist vielleicht für viele
Erscheinungen umzudrehen, und Avignon als Ausfallstor nach Süden zu
betrachten)^) wurden jedenfalls sofort in der Kategorie der nordischen
Raumanschauung verarbeitet. Oie mit optischen Witteln arbeitende
Freiraumvorstellung ist überall zu erkennen und wird in ihrem Tat-
bestand auch von Dvorak beschrieben. (5. 181, 251, 273, 198, 303ff., 317.)
Wichtig und besonders klar ist das Beispiel der Kreuztragung (Stunden-
es, daß noch ein viel überzeugenderer Eindruck des Freiräumlichen er-
reicht ist als bei van Eyck, bei dem nach dem Größenverhältnis der Figu-
ren der Raum relativ doch mehr Hintergrund ist. Oie „Wochenstube" bringt
einen zweiten Rückraum, wie später Pieter de hooch, der freistehende
Tisch mit Geräten, die offene Truhe links, die schreitende Frau, sowie
Hündchen und Pantoffeln, das sind die raumbildenden Gegenstände. „Wan
ahnt mehr die eine Wand, als daß man sie sehen würde, die andere fehlt
ganz, die Gegenstände werden vom Rahmen überschnitten, der Raum
erstreckt sich über ihn hinaus, wie er auch in der Tiefe durch den Ausblick
in anstoßende Wohnräume fortgeführt wird. Diesem Streben nach freiem
räumlichen Sichausbreiten patzt sich auch die figurale Komposition an.
In der mittleren Tiefenachse der Darstellung gibt es keine Figuren, sie
sind exzentrisch links und rechts davon angeordnet und die inhaltlich
wichtigste Szene befindet sich nicht im Vordergründe, sondern wurde nach
rückwärts in die Simmerecke verlegt, sodaß das Auge beim Betrachten
des Gemäldes gezwungen ist, den Raum nach allen Richtungen hin zu
durcheilen, um ihn auf diese Weise in seiner freien Ausdehnung und Tie-
fenbewegung stärker und lebendiger als durch die perspektivische Kon-
struktion allein dem Beschauer zum Bewußtsein zu bringen." (Dvorak
S. 64.) Dn dem Bildchen der Totenmesse (Abb. 3) ist Untensicht in das
Gewölbe gegeben, der Blick geht aus der Vierung schräg in den Thor,
Rückenfiguren leiten in die Tiefe und das Raumbild ist breit und gelöst.
Vas „Raumbild (ist) erweitert und mit stärkerer Betonung des über den
Bilbausschnitt hinausgehenden Sicherstreckens im Freiraum verbunden"
(S. 72), als die verglichene Kirchenmadonna von van Eyck. Doch be-
treffen die Beobachtungen einer relativ geschlosseneren und von tektoni-
schen Grenzen gebildeten Räumlichkeit der Bilder van Eyck nur Abwand-
lungen, Gradunterschiede der gemeinsamen freiräumlichen Anschauung,
die die Bildgestaltung bestimmt.
Auch die Kunst, die nach den Untersuchungen von Dvorak (Fahrb. d.
Kunstsamml. d. A. Kaiserh. XXII, Z5; XXIV, 161) die Wurzel der Kunst
der Brüder van Eyck und der niederländischen Walerei ist, die franzö-
sisch-burgundische Hofkunst ist bestimmt von der nordischen Raumanschau-
ung, und alle Anregungen, die ihr etwa durch das „Einfallstor" in Avig-
non von Süden her zuströmten, (das Verhältnis ist vielleicht für viele
Erscheinungen umzudrehen, und Avignon als Ausfallstor nach Süden zu
betrachten)^) wurden jedenfalls sofort in der Kategorie der nordischen
Raumanschauung verarbeitet. Oie mit optischen Witteln arbeitende
Freiraumvorstellung ist überall zu erkennen und wird in ihrem Tat-
bestand auch von Dvorak beschrieben. (5. 181, 251, 273, 198, 303ff., 317.)
Wichtig und besonders klar ist das Beispiel der Kreuztragung (Stunden-