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Voigtländer, Emmy
Zur Gesetzlichkeit der abendländischen Kunst — Forschungen zur Formgeschichte der Kunst aller Zeiten und Völker, Band 5: Bonn, Leipzig: Kurt Schroeder, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.62975#0012
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nennen, ist im Grunde nichts anderes als eine solche stilpsychologische In-
terpretation des klassischen Stilphänomens" (Formprobleme der Gotik,
1910, 5. 5).
Den innerlichen Zusammenhang, den die Gedanken von Fiedler, Hil-
debrand, Marses haben, zeigt Konnerth: wenn wir sie als eine Gesamt-
heit betrachtend der Entdeckung eines Gesetzes vergleichen, so könnten
wir sagen, es stelle sich in Marses die Beobachtung und erste Hypothese,
in Fiedler deren begriffliche Entwickelung, und in Hildebrand die Be-
stätigung im Experiment und die letzte Formulierung dar. Ihre Gedan-
ken gehören zusammen, wie die Gesetzlichkeit und das Gesetz" (5. 28, 104).
Die Problemstellung der vorliegenden Untersuchung ergab sich aus der
Überlegung, wie es denn, wenn die Gültigkeit der Gesetze, die Hildebrand
für die bildende Kunst aufstellte, sich auf die klassische Kunst beschränkt,
mit der „allgemeinen" Gesetzlichkeit, die Fiedler fand, bestellt sein kann.
Ist diese Gesetzlichkeit wirklich so allgemeingültig? hat Fiedler wirklich
die allgemeine Funktion der Kunst im menschlichen Bewußtsein aufge-
deckt? wenn auch die „Trennung von Ästhetik und objektiver Kunst-
theorie" Fiedlers eigentliche Lebensaufgabe war (Vorringer, Form-
probleme d. Gotik, S. 6), so wird es sich doch Herausstellen, daß insbeson-
dere seine Bestimmung der künstlerischen Tätigkeit als einer Erkenntnis
sich als identisch mit den Kunstzielen der klassischen Kunst erweist, nicht
aber mit ihren Voraussetzungen. Dennoch bietet sein erkenntnistheore-
tischer Standpunkt ohne die Einschränkung, die er selbst in der Durch-
führung seines Gedankens machte, die Grundlage einer Bestimmung der
künstlerischen Tätigkeit, die ihrer wirklichen Funktion im allgemeinsten
Sinne gerecht wird.
Es ergaben sich zunächst überraschendste Übereinstimmungen der
Kunsttheorie Fiedler-Hildebrands mit der Kunsttheorie der Renaissance,
insbesondere mit dem Traktat von der Malerei von Leonardo da Vinci,
aber auch mit Rlberti und den übrigen Kunstschriften der Renaissance").
Ihre Ästhetik und Theorie ist zwar allgemein verbindlich gemeint, die
Schriften sind jedoch auch nichts weiter als vornehmlich „Quellenschriften
zur Erklärung ihrer Kunst" (Tietze, Methode der Kunstgeschichte, 1915,
S. 111, 215). Nicht ganz so einfach, als die im Grunde selbstverständliche
Tatsache, daß der Renaissancetheoretiker die begriffliche Festlegung und
Begleitung der Kunstziele seiner Zeit bietet, ist es zu erklären, wieso
Fiedler zu dieser Übereinstimmung mit der klassischen Kunst kommt,
seine Theorie so umbiegt, daß „sie eine Künstlerästhetik wie eine andere"
ist, und ferner eine „normative Ästhetik, die man kaum mehr verkappt
nennen kann." (Tietze, 5. 10Z). Es soll nun untersucht werden, wieweit
diese Übereinstimmung tatsächlich gehth, ob sie sich notwendig aus denvor-
 
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