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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (2) — 1932 (Juli bis September)

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Nr. 174 - Nr. 197 (1. August - XXX. August)
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2. Zahrg. / Nr. 195

Donnerstag, den 25. August 1932.

Seite

Der Wahlkatechismus in neuer, verbesserter
und verkürzter Auslage!

Man wird sich noch erinnern an unsere
Veröffentlichungen über die schamlose
Wahlbeeinflussung, die sich ein oberbadischer
katholischer Geistiicher durch einen Zeitungs-
artikel
„Eine notwendige Kakechismus-Slunde"
geleistet hak. Bekanntlich geht auch Pfar-
rer Senn in seiner Broschüre „Halt" auf
diesen ungeheueren Mißbrauch der Religion
zu Zentrumszwecken ein und spricht ein
scharfes Urteil über den „Onkel Klemens"
aus. Die Methode dieses „Seelsorgers", der
sich mit seinem Machwerk in der übelsten
Weise auch gegen zahlreiche Anordnungen
seiner obersten Kirchenbehörde vergangen
hat, scheint in schwarzen Kreisen ausneh-
mend gut gefallen zu haben, denn aus den
verschiedensten Orten unseres Verbreitungs-
gebietes erhalten wir Originalflugblätter zu-
gesandt, die bei der letzten Wahl in katho-
lischen Orten verteilt wurden, und die in-
haltlich eine verkürzte und hinsichtlich ihrer
Skrupellosigkeit noch „verbesserte" Auflage
des „Wahl-Katechismus" darstellen. Eines
dieser schamlosen Machwerke zentrümlicher
Rabulistik hat folgenden Wortlaut:
Katholische Wähler
und Wählerinnen!
Die Fuldaer Bischofskonferenz hat
erklärt:
Sozialismus, Kommunismus und
Nationalsozialismus

einmal in geradezu verbrecherischer Weise
gelogen, betrogen und gefälscht wurde. Auf
wen sich dieser Vorwurf bezieht, ist zunächst
gleichgültig. Bemerkenswert ist, daß dieses
Flugblatt schon rein formal gegen die Ge-
setze verstößt, da weder ein Verantwortlicher,
noch ein Drucker darauf angegeben ist.
Trotzdem aber wurde es bezeichnenderweise
nirgendwo beschlagnahmt. 3m Land der „hei-
ligen drei Könige" hak bekanntlich die Poli-
zei ihr Hauptaugenmerk auf Nationalsozia-
listen zu richten!
Mit derselben Sturheit, mit der die
schwarzen Lumpen die Unwahrheit in die
Köpfe der Katholiken hineintrommeln wol-
len, müssen wir immer wieder die Wahrheit
verbreiten.
Es ist unwahr, daß der Nationalsozialis-
mus von den maßgehenden Instanzen der
katholischen Kirche verurteilt wurde, wie der
Marxismus.
Wahr ist, daß der Papst den marxisti-
schen Sozialismus die „Pest unserer Zeit"
genannt und sowohl die Mitgliedschaft bei
einer marxistischen Partei als auch die mit-
telbare oder unmittelbare Unterstützung und
Förderung einer solchen für die ganze katho-
lische Welt verboten hat. Dagegen hat der
Papst — neben dem allgemeinen Konzil die
hier einzig zuständige Instanz — noch kein
einziges Wort ausgesprochen, das sich ir-

gendwie als Verurteilung des Nationalso-
zialismus deuten ließe.
Gegen unsere Bewegung haben sich eine
Neihe deutscher Bischöfe ausgesprochen, wohl-
weislich jedoch nicht in Form einer Verur-
teilung, zu der sie kirchenrechtlich gar nicht
befugt sind, sondern in Form einer „War-
nung", die nun schon mehr als ein volles
Jahr auf ihre Bestätigung aus Rom wartet.
Eine schamlose Lüge ist die Behauptung,
daß mit dieser „Warnung" der Bischöfe in
irgend einer Form das Verbot, die NSDAP
zu wählen, verbunden gewesen wäre. Selbst
von der Ausdeutung des Mainzer General-
vikars Mayer, wonach die Mitgliedschaft
bei der NSDAP und das aktive Wirken
für ihre Ziele „öffentliche Sünde" sein soll,
sind verschiedene Bischöfe klar ahgerückt,
und Pfarrer Senn herichtet in seiner Bro-
schüre, daß ihm selbst eine sehr maßgebende
Persönlichkeit einer anderen deutschen Diö-
zese ausdrücklich erklärt habe:
Witt im Mi sein"
Es ist also eine übrigens auch strafrecht-
lich verfolgbare Bauernfängerei, wenn in
diesem Flugblatt „der Seelsorger" behaup-
tet, daß es kirchlich verboten sei, national-
sozialistisch zu wählen.
Dasselbe gilt von der ebenfalls straf-

rechtlich zu ahndenden verlogenen Behaup-
tung, daß nur Zentrum und BVP die „ka-
tholischen Grundsätze" vertreten. Auch hier
liegt eine strafbare Wahlbeeinflussung des
„Seelsorgers" vor. Wie sich ein solch un-
anständiger Gewissenszwang in den Augen
des Papstes darstellt, erkennen wir am he-
ften aus dem Wort des Papstes Leo XIII.,
das an jeder deutschen Kanzel angebracht
werden müßte:
„Die Kirche in die Parleipolikik ver-
wickeln oder sie benützen, um seine Geg-
ner zu überwinden, heißt die Religion
maßlos mißbrauchen."
Der „Seelsorger", der ein solches Flug-
blatt unterzeichnet und verteilen läßt, macht
sich also strafbar und mißachtet die Anord-
nungen des obersten Hirten in alleraröbster
Weise. Mir fordern alle unsere Leser, die
an ihrem Wohnort die Verkeilung dieses
oder eines ähnlichen Flugblattes feskgestellt
haben, im Interesse unseres Kampfes drin-
gend auf, uns Originalflugblätker mit Zeu-
genangahen über die Verteiler und deren
Hintermänner sofort einzusenden, damit die
zentrümlichen „Seelsorger" mit und ohne
Priesterkleid zunächst öffentlich gebrand-
markt und von den zuständigen Stellen un-
serer Partei aus auch gerichtlich belangt
werden können. Wir hahen nun lange ge-
nug gewarnt. Von jetzt an werden wir die
Diskussionen über solche Entgleisungen auch
dorthin verlegen, wo gewisse Kapitelvikariate
die berechtigten Angriffe auf ihre zenkrüm-
lichen Schützlinge parieren zu müssen glaub-
ten: Vor dem Strafrichter.

Der Volkssport-Prozeß in Brünn

bilden für die christliche Religion und für
die katholische Kirche die schlimmsten Ge-
fahren. (Die Hellergruppe ist nur noch ein
Anhängsel der kommunistischen Partei).
Auf Anfragen hat die Fuldaer Bi-
schofskonferenz festgestellt, daß die ableh-
nende Haltung des Papstes und, der Bi-
schöfe gegen den Nationalsozialismus
sich nicht geändert habe.
Das Gleiche hat der Bischof von Würz-
burg erst kürzlich Vertretern dieser Rich-
tung, die ihn befragten, ausdrücklich er-
klärt.
Jeder katholische Geistliche ist ver-
pflichtet, die Zugehörigkeit zu diesen
Richtungen als streng verboten zu behan-
deln.
Die katholischen Grundsätze werden
nur vom Zentrum und der Bansrischen
Volksparkei vertreten.
Da diese Wahl für für Volk und
Kirche von entscheidender Bedeutung ist,
verletzt auch jeder Katholik seine Ge-
wissenspflichk, der nicht zur Wahl geht.
Amt und Gewissen gebieten mir, dies
Euch klar zu sagen.
Euer Seelsorger.
Was also „Onkel Klemens" im Reichs-
präsidenksnwahlkamvf zwischen den Zeilen
ausdrückte, das wird hier für die Reickstags-
wahl ganz ohne alle Umschweife gesagt.
1. Es ist Gew iss ensp flicht für den
Katholiken, überhaupt zu wählen!
2. Es ist verboten, eins andere Dsr-
kei als Zentrum oder BVP z« wählen!
Wir wissen nicht, ob diese Flugblätter
immer mit Wissen des „Seelsorgers" verteilt
wurden, der als Unterzeichneter erscheint.
Aber diese Frage ist von zweiter Ordnung
gegenüber der Tatsache, daß hier wieder

(Von unserem Sonderberichterstatter aus
der Tschechoslowakei.)
NSK Im März und April 1932, gerade
in der Zeit als die Tschechen zitternd den
Ausgang der Reichspräsidentenwahl im Deut-
schen Reiche erwarteten und die Furcht vor
einem Sieg Adolf Hitlers ihren Höhepunkt
erreichte, setzte die tschechische Staatspolizei
mit Massenverhaftungen sudekendeukscher
Nationalsozialisten ein. Nicht weniger als
1182 Hausdurchsuchungen wurden in diesen
zwei Monaten vorgenommen und 263 „Ha-
kenkreuzler" den Gerichten eingeliefert.
Nach mehrmonatlicher Untersuchungshaft er-
wies sich die ganze Aktion als ein Fehl-
st!) lag der Tschechen: Es wurden
von 263 des Hochverrats an der Republik
nach dem Schutzgesetz beschuldigten National-
sozialisten zunächst sieh en Mitglieder des
„Volksspork"-Verbandes an geklagt, de-
nen am 8. Juli 1932 der Prozeß vor dem
Kreis-Strafgericht gemacht werden sollte. Die
äußerst energische Verteidigung der National-
sozialisten setzte es dann aller durch, daß die
Hauptverhandlung im Juli abgesetzt wurde
und erreichte vom Obersten Gericht dis Ver-
legung der Hauvtverhandlung nach Brünn.
Das was deshalb wichtig, weil die Prager
Tschechenpresse in unerhörtester Weise gegen
die „Hiklerbanditen" hetzte und die gesamte
Öffentlichkeit aufpeitschke. Dieser Atmo-
svhäre ist der Prozeß der sudetendeukschen
Nationalsozialisten nunmehr entzogen wor-
den.
Die Vorgeschichte des Prozesses ist kurz
folgende: Die sudeksndeuksche nationalsozia-

listische Arbeiterpartei ist in den letzten Jah-
ren sehr stark gewachsen. Bei den einzelnen
Gemeindewahlen waren 100—200prozentige
Stimmengewinne eine normale Erscheinung.
Je mehr die Nationalsozialisten an Macht
zunahmen, desto mehr mußten die „deutschen"
Regierungsparteien (Bund der Landwirte
und Sozialdemokraten) die heute mit den
Tschechen in einer Regierung sitzen und
dort fleißig Milliarden für Kriegsrüstungen
und immer neue Steuern beschließen, an
Einfluß und Macht abnehmen. Das war
weder diesen Parteien noch der tschechischen
Regierung angenehm, die ihre „deutschen"
Stützen ins Wanken geraten sah. Hier griff
nun das Innenministerium mit dem Polizei-
minister Slawik an der Spitze zuerst ein.
Er verbot Aufmärsche, verbot die Braun-
hemden, verbot Versammlungen, ließ die
Zeitungen der Nationalsozialisten scharf zen-
surieren, verbot das Hakenkreuz und löste
schließlich den nat.-soz. Iugendver-
band und den „V o l k s s p o r t" - V e r -
band auf.
Als alles nichts nützte, die Bewegung
immer weiter wuchs, begann die Polizei-
aktion mit mehr als 1000 Hausdurchsuchun-
gen, die Verhaftung und endlich die
Anklage der Nationalsozialisten.
Die Anklage behauptet, daß sich die Pg.
Dr. Petermichl, Ing. Haider, Architekt Meh-
ner, Kaufmann Paul Illing, die Studenten
Schwab und Paliege und Lehrer Donn-
häuser zu einem „Geheimbund" vereinigt
hätten, um die „Einheit und den Bestand
her tschechoslowakischen Republik zu unter-

wühlen" und das deutsche Sprachgebiet von
der Tschechoslowakei loszureißen. Sie wären
dabei nach hem Programm her National-
sozialisten im Reiche verfahren, das „die
Vereinigung aller Deutschen auf Grund des
Selbstbestimmungsrechkes" fordere. Das Pro-
gramm der sudetendeukschen Natio-
nalsozialisten, das die Autonomie des
sudetendeutschen Gebietes in der Tschecho-
slowakei, mit eigener Hauptstadt, eigenem
Landtag und eigenem Landespräsihenken for-
dere und für dieses sudetendeutsche Landes-
gebiet eine staatsrechtliche Stellung anstrebe
wie dies etwa Bayern im Deutschen
Reiche habe, sei nur der Deckmantel, hinter
dem die „staatsfeindliche" Tätigkeit der Na-
tionalsozialisten vor sich gehe. Trotz dieses
Sinnes der Anklageschrift und trotzdem die
Abgeordneten Ing. Rudolf Jung und Hans
Krebs bereits bei Bekannkwerden dieser
Tendenz des Prozesses im März 1932 offen
verlangten, daß die Führung der Partei
in Anklagezustand verseht werben solle —
es geschah hies in zwei großen Parlaments-
reden — hat es die Staatsanwaltschaft vor-
gezogen, nur gegen „Die Sieben" die
Anklage einzuhringen. Das geschah offen-
sichtlich aus dem Grunde, weil die Prager
Herrschaften glaubten, die sieben unbekann-
ten jungen Männer in irgendeinem Prager
Gerichtssaal expreß aburkeilen und dann auf
Grunh hieses „Präjudiz-Arteiles" erst recht
die Massen-Prozessierung der sudetendeut-
schen Opposition vornehmen zu können.
(Fortsetzung folgt.)

MWM M dkl MlllMtt
Eine Zeitwende
Von Ilniversilätsproscssor Dr. Willy Andreas
(Fortsetzung.)
Im Süden vertrat diesen Minrerismus,
alles Andere überbietend, der Meister des
Breisacher Hochaltars, ein Mann von außer-
ordentlichem Wollen und ungewöhnlichen
Mitteln, bei aller Begier nach dem Abson-
derlichen und Maßlosen eine Schöpfernatur
von überströmender Kraft. Eines her groß-
artigsten Schnitzwerke aller Zeiten, diese
rankenumsponnene Marienkrönung des Mit-
telschreins, wiewohl die Köpfe von Gottva-
ter, Sohn und Jungfrau gleichgültig, ja
plump und fast von gemeinem Ausdruck sind,
aber es ist, als hätte sich der Gestalkungs-
hrang des Künstlers mehr aufs Beiwerk als
auf Gehalt und geistlichen Sinn des Ganzen
geworfen. Eine Plastik, die fast in ihr
Gegenteil verkehrt ist: denn alles ist in
malerische Absicht und Wirkung aufgelöst.
Eine strudelnde, faskschwinde!errea->nde Be-
wegtheit, die nicht mehr als Widerschein) in-
neren Lebens wirkt. Ein hemmungsloses
Linien- und Formenspiel von verwirrendem,
beinahe qewaltkätiaem Wesen. Ein Wirbel
bauscht und zerwühlt die Gewänder der hei-
ligen Personen, die Bartsträhnen Gottvaters
gleichen einem flammenden Busch, das Blatt-

werk schwellt und wuchert wie die Natur,
die Hände von Vater und Sohn, welche der
Jungfrau die Krone reichen, recken sich hef-
tig empor, der himmlische Vorgang und die
Gottheit selbst atmen nicht die Ruhe welt-
entrückter Majestät, sondern eine kramvf-
kafte Inbrunst. Auflösung der Gotik! Eine
Spätkunst, gewiß! Ein verludernder Herbst,
aber im Verglühen noch möchte er eine neue
Welk gebären!
Es gehört zu dem an Gegensätzen und
Kräften so reichen Bild dieser deutschen
Kunst, daß ans demselben Schoß spätgoti-
scher Plastik sich ein gänzlich anders aear-
keker Enkwicklungsstrang abzweiake. Noch
im Formenskurm nämlich keimte da und dort
ein Verlangen nach Ruhe, nach Statik, nach
Ausgeglichenheit auf, wie es die schwäbische
Plastik der Jahrhundertwende kennt mit
ihrer Abkehr vom Kurvenreichtum, von hef-
tiger Biegung und verschränkter Bewegung.
In diesem Bedürfnis nach Abklärung, das
auch der Malerei nicht fremd blieb, blickte
der ältere Vischer nicht so sehr nach Italien
hin als zurück in die ältere Gotik, deren Fi-
guren er liebte und sogar sammelte. Auch
Adam Kraft, der sich gleichfalls im Aofh'-uch
befand, entwickelte den Wandel von Ziel
und Formensinn nicht aus dem Italienischen,
sondern aus sich heraus. Neben der schwä-
bischen bot auch die niederdeutsche Vlastik
gewisse Seitenstücke zu diesem Streben.
i Das Ganze des Kunstwerkes scheint darin

überschaubarer zu werden, die innere Glie-
derung durchsichtiger; die Einzelfigur hebt
sich stärker von ihrer Umgebung und ge-
winnt etwas wie ein eigenes Selbstgefühl,
das Körperhafte ist von größerer Eigenle-
bendigkeit durchpulst. Das Bedeutsame aber
an diesem Vorgang: Bei ihnen allen wuchs
der Trieb zum Neuen aus heimischem Boden
hervor, und in diesem eigenwüchsigen Form-
geschehen, das mitunter Sehnsucht nach mehr
Einfachheit, ja nach Größe zu atmen scheint,
waren Enkwicklungselemente enthalten, die
einem renaissancehafken Empfinden sich an-
zunähern vermochten. Zu einer formal aus-
gerichteten Kunst mußten sie nicht unbedingt
führen.
Freilich, auch diese Richtung war bereits
im Fluß, und in der Werkstätte der Vischer
schritten die Söhne über den Vater hinaus.
Peter, der Jüngere, empfing schon die For-
men und Motive aus dem Süden, die den
älteren Vischer nur verwandt mochten ange-
sprochen haben, mit vollem Bewußtsein, mit
rückhaltlosem Entzücken, und in der letzten
Fassung des Sebaldusgrabes spiegelte sich
die Abfolge der Generationen, der Kampf
von Vätern und Söhnen, von Gotik und
Renaissance, der Sieg der neuen Mode! Die
Zahl der Meister, die in ihrem Schönheits-
durst unmittelbar an die Italiener anknüpf-
ten, war im Wachsen. Hans Taucher, der
— entwicklungsgeschichtlich gesehen — etwa
den Platz einnahm, der Burgkmair in der

Augsburger Malerei zufiel, war durchaus
antigotisch in seinem Streben nach ausge-
wogener Ruhe, seinem Drang nach Monu-
mentalität, die zu erreichen ihm freilich nur
in kleinerem Format beschieden war. Durch
den feinen Loy Hering wurde dessen Haupt-
wirkungsstätte Eichstett ein Ableger der
Augsburger Renaissancekunst, freilich auch
ihrer Glätte. Sie aber alle sollte Konrad
Meik überflügeln, der Bedeutendste dieser
ganzen Renaissancerichtung, der Deutschland
durch seine Berufung an den Hof der Statt-
halterin Margarete früh verloren ging.
Freilich, auch in der geschlossenen Form und
gelassenen Größe seiner Schöpfungen be-
wahrte er die Ausdruckskiefe seines Volkes
wie einen letzten spätgotischen Erinnerungs-
klang in der Fremde.
In der Malerei gingen die Dinge ähn-
lich: Schon der ältere Holbein hatte sich
dem Zauber stiller Schönheit, und sanften
Farbenzusammenklanqs nicht verschlossen.
In seinem letzten Bild, Brunnen des Lebens,
spürt man den italienischen Anhauch deut-
lich. Burgkmair vollends nahm diesen
Einfluß unbefangen auf, froh tauchte er in
der südlichen Welk, ihrer Pracht und ihrer
Schönheit unter. Bei Hans Baldung Grien
aber wurde nur zu bald sichtbar, wie die
Anbändigkeit seines saftigen Alemannen-
tums unter der Formdiktatur des vordrän-
genden Renaissancestils erlahmte.
(Fortsetzung folgt).
 
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