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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (Mai-Juni)

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Nr. 132-157 (1. - 29. Juni)
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Samskag^Sonnkag, den 17./18. Juni 1938.

Die klauen Wimpel in BEau

Ein Schüler des Heidelberger Gym-
rasiums, der zugleich VDA-Gruppensührer
Keser Schule ist, schickt uns nachstehende
Schilderung:
Ueber die während der Pfingsttagung des
.Volksbundes für das Deutschtum im Ausland"
gehaltenen Ansprachen und Referate wurde in
der Tagespresse hinreichend berichtet, sodaß ich
glaube, mich darauf beschränken zu können, ein-
mal die unvergeßlichen Eindrücke, die wir junge
Teilnehmer von der Tagung mitgenommen ha-
ben, festzuhalten, und zum andern auf die
warme, ja gerade herzliche Anteilnahme der
Bevölkerung Passaus etwas näher einzugehen.
Die große Pfingst-Tagung des VDA ist be-
endet. Der einzigartige Verlauf dieser Tagung
hat uns jungen Menschen zum klaren Bewußt-
sein gebracht, daß die Saat, die unsere Väter
ausgestreut haben, prächtig aufgegangen war.
Die Tagung hat uns aber auch die klare Er-
kenntnis gegeben, daß wir das wertvolle Erbe,
das wir zu übernehmen haben, würdig zu wah-
ren wissen. Sie .hat in uns den entschiedenen
Willen wachgerufen, unsere junge Kraft voll-
bewußt einzusetzen, auch in weiterer Zukunft
im Kleinen und im Großen zu wirken für das
heiligste Ziel unseres Volkes: Muttersprache und
Volkstum unserer Millionen jenseits der Gren-
zen lebenden deutschen Brüder und Schwestern
zu erhalten und sie in ihrem Kampf um die
Wahrung ihres Deutschtums wirkungsvoll zu
unterstützen. Für dieses Ziel zu arbeiten, in alle
Zukunft zu wirken und mit unserm ganzen
Herzblut einzutreten, das war der Sinn des
heiligen Schwurs, den wir in weihevoller Stun-
de ain denkwürdigen Dreiflüsseeck leisteten.
Es war aber auch in der Tat ein wahrhaft
deutsches Pfingstfest, wie wir es schöner uns
nicht hätten vorstellen können. Wenn sowohl
bei Jung und Alt der Passauer Bevölkerung,
als auch bei den 10 000 Tagungsteilnehmern
diese Tagung einen so nachhaltigen Eindruck
hinterlassen hat, so ist das zu einem großen
Teil der Passauer Bevölkerung zuzuschreiben, die
trotz der kurzen Zeit von nur fünf Tagen alles
tat, um ihre deutsche Schwesterstadt Klagenfurt
würdig zu vertreten.
Schon in der Frühe des Freitag begann ein
reges Leben in der Stadt, als der erste VDA-
Sonderzug aus dem Norden Passau erreichte.
Und unaufhörlich trafen während des ganzen
Tages bis in den späten Nachmittag des Sams-
tag Sonderzüge aus allen Teilen des Reiches
ein. Die vielen Tausende von VDA-Jungens
und Mädels, die teilweise die ganze Nacht hin-
durch fahren mutzten oder sogar schon am Tage
vorher ihre Heimatstadt verlassen hatten, um
an der Tagung teilnehmen zu können, zeigten
keinerlei Müdigkeit. Mit Rucksäcken, Zeltbah-
nen und flatternden Wimpeln und Fahnen —
bisweilen auch mit einer Musikkapelle — zogen
sie durch die festliche Stadt zu ihren Quartieren.
Am Bahnhof von Passau schon winkte ein
großes Transparent:
„Die bayerische Ostmark grüßt!«
und wenig weiter in der Bahnhofstraße ein sol-
ches auf dem zu lesen war:
„Passau grüßt in Dankbarkeit das
kämpfende Deutschtum von jenseits der Grenze!"
Die Personen, die in Passau die Vorberei-
tungen für die Tagung treffen mußten, hatten
wahrhaftig keine leichte Aufgabe zu erfüllen.
Davon konnte man sich schon einen Begriff ma-
chen, wenn man nach der Ankunft eines VDA-
Zuges einen Blick in das im Bahnhof befind-
liche Quartierbiiro warf.
Ueberall in allen Straßen grüßten uns ge-
schmückte Häuser und ein Meer von Fahnen. Es
gab kein Haus ohne Schmuck. Und leidenschaft-
lich groß war die Anteilnahme der Bevölke-
rung. Gastfreundlich wurden wir überall aus-
genommen und für unser leibliches Wohl zeigte
sich die ganze Bevölkerung geradezu mütterlich
besorgt.

Der auf Samstag abend angesetzte große
Fackelzug zum Domplatz war von überwältigen-
dem Eindruck und wurde von der Bevölkerung
lebhaft und stürmisch begrüßt. Am Domplatz
hielt der neuernannte Reichsführer Dr.
Steinacher eine kernige Ansprache, in der er für
das Deutschtum warmes Zeugnis ablegte. Die
Bekanntgabe der Ernennung Dr. Schöneichs
zum Reichsjugendführer des VDA löste bei al-
len Anwesenden ungeheuren Beifall aus. Den
ersten an Erlebnissen reichen Tag beendete der
große Zapfenstreich.
In der Stunde der Jugend, die am Pfingst-
sonntag sttattfand, legten die Vertreter aus
Danzig, dem Saargebiet, Oesterreich, dem Hult-
schiner-Ländchen, ja sogar ein Vertreter aus
Südwestafrika, Treugetöbnisse für ihr Deutsch-
tum ab und schilderten in zu Herzen gehenden
Worten ihre innige Verbundenheit zu ihrem
Mutterlande.
Den Abschluß der Tagung bildete der ein-
drucksvolle Festzug am Pfingstsonntag, der
uns allen in dauernder Erinnerung bleiben
wird. Wimpel auf Wimpel, Fahne auf Fahne
wurden im Zuge von festlich frohgesinnten Men-
schen einhergetragen. Lied auf Lied erklang und
eine nicht endenwollende Begeisterung der Pas-

sauer Bevölkerung gab dem farbenprächtigen
Zuge das stimmungsvolle Geleite. Mit ihm
fand die Tagung ihr Ende. Wer wird sie ver-
gessen, wer kann sie vergessen?! Passau und
wir haben eine historische Stunde erlebt. Pas-
sau hat eine für das Deutschtum im Ausland
frohbegeisterte und zielbewußte Jugend in sei-
nen Mauern beherbergt, hat gesehen, daß der
VDA wirkungsvoll seine hohen Ziele verfolgt.
So möge diese Tagung der Arbeit des
Volksbundes neuen Auftrieb geben und diese
Tagung die Deutschen im Mutterlands an eine
Volkspflicht gemahnen, der sie sich nicht entzie-
hen können und dürfen: dem VDA ihre Jugend
zuzuführen, damit unseren deutschen Brüdern
und Schwestern draußen in aller Welt das Be-
wußtsein erhalten bleibt, daß ihr Mutterland
die Verbundenheit mit ihnen niemals aufgibt.
Der Geist von Passau ermahnt uns,
Deutschlands Jugend, mit warmer
Liebe und stetem Eifer zu werben, zu
wirken und zu kämpfen für die Ziele
unseres VDA.
Volk Heil!
Der VDA-Eruppenführer am Hdbg. Gymnasium:
Erich-Wolfgang Nies, Ulla.

Are» ttkick

Grobstadtdunst und Sonnenstrahlung.
Neben die Großraummeteorologie, der wir
beispielsweise die täglichen Wettervoraussagen
verdanken und die sich bewußt von den örtlich
bedingten Witterungserscheinungen frei hält, ist
in den letzten Jahren die sogenannte Kleinklima-
Forschung getreten. Diese ging ursprünglich da-
von aus, den Einfluß des Klimas auf das or-
ganische Leben zu untersuchen. Sie mußte des-
halb in erster Linie die Tatsache berücksichtigen,

daß eine Pflanze, ein am Boden oder in den
Baumwipfeln lebendes Tier ganz anderen Wit-
terungswerten ausgesetzt ist, als sie an den In-
strumenten der meteorologischen Stationen zur
Aufzeichnung gelangen. Es galt also, die schon
auf kleinste Entfernung oft sehr verschieden-
artige Witterung, d. h. Temperatur, Feuchtig-
keit, Windstärke, Sonnenstrahlung, zu unter-
suchen. So stellte man unter anderem fest, daß
in Großstädten die Temperaturen in engen und


Lrstes Li!6 von 6er kiessnexplosion in LonK üescd
In dem südkalifornischen Badeort Lang Veach flogen kürzlich 30 große Tanks der Richfild-
Oelgesellschaft in die Luft. Annähernd 30 Menschen wurden getötet und 17 schwer verletzt. Die
Detonationen waren in einem Umkreis von 40 Kilometern zu hören. Unser Bild zeigt eine
Luftaufnahme kurz nach der Explosion der Oeltanks.

breiten Straßen erhebliche Unterschiede zeigen.
Auch von der Strahlungsenergie der Sonne
wird durch den Großstadtdunst ein beachtlicher
Teil abgefangen. Messungen in Wein ergaben,
daß dieser Verlust in Stadtmitte bis zu 20 Pro-
zent beträgt. In ausgesprochenen Jndustriegegen-
den steigt diese Zahl natürlich noch erheblich an
Weitsichtigkeit und Lebensdauer.
Die Alterssichtigkeit beruht bekanntlich aus
einer Verhärtung der Kristallinse des Auges.
Es ist dies eine der Erscheinungen, die man in
ihrer Gesamtheit als Vergreisung bezeichnet.
An der Göttinger Universität befaßt man sich
nun damit, die Beziehungen der Alterssichtig-
keit zu der Lebenserwartung zu untersuchen.
Man ging von der Vermutung aus, daß der
Grad der Alterssichtigkeit und' die Zeit ihre-
Eintretens Schlüsse auf die voraussichtliche Le-
bensdauer ziehen lassen müßte. Die Untersu-
chungen leiden unter der Schnürigkeit, daß sie
sich auf schon Verstorbene beschränken müssen,
über die das erforderliche Material nur müh-
sam zusammenzutragen ist. Das bisherige Er-
gebnis bestätigt die Vermutung eines Zusam-
menhanges zwischen Alterssichtigkeit und Le-
benserwartung. Bemerkenswert ist, daß Frauen
in jeder Beziehung genau wie die Männer der
Alterssichtigkeit unterliegen. Da sie erfahrungs-
gemäß eine größere Lebenserwatrung haben,
kann diese nicht auf eine geringe Vergreisung
des weiblichen Geschlechts zurückgeführt werden
Rauchverzehrer.
Es es wenig bekannt, worauf die Wirkung
der Rauchverzehrer beruht. Diese viel gebrauch-
ten kleinen Apparate gehen auf eine Entdeckung
zurück, die der etwa vor einem Jahrhundert an
der Jenaer Universität lehrende Professor
Döbereiner gemacht hat. Bekanntlich wird in
diesen, heute Rauchverzehter genannten, Duft-
lampen reiner oder mit irgendwelchen Duft-
stoffen versetzter Weingeist an dünnem Paltin-
blech ohne Flamme verbrannt. Das beruht aus
der katalytischen Wirkung dieses Edelmetalls.
Die Verbrennungs- und Verdampfungspro-
dukte ballen sich in der kühleren Luft des Zim-
mers zu Tröpfchen zusammen, hüllen die klein-
sten Teilchen des Zigarrenrauches ein und
drücken sie zu Boden. Auf diese Weise wird die
Luft von Rauch gesäubert.
Goethes Weingeistlampe.
Der vor wenigen Monaten verstorbene Wil-
helm Ostwald erhielt bekanntlich vor einer
Reihe von Jahren für seine Arbeiten auf dem
Gebiete der Katalyse den Nobelpreis. Damit
wurde nicht nur die wissenschaftliche Leistung
an sich, sondern auch die hohe Bedeutung, die
katalytische Vorgänge gefunden haben, gekenn-
zeichnet. Sie gewannen einerseits einen außer-
ordentlichen Einfluß in der chemischen Großindu-
strie, aus der nur das neueste Anwendungsge-
biet. die Kohlehydrierung mit all ihren viel-
seitigen Möglichkeiten, genannt sei. Anderer-
seits läßt sich die neuzeitliche Physiologie ohne
die Zurückführung wichtigster Lebensvorgänge
auf katalytische Wirkungen gar nicht mehr den-
ken. Deshalb ist es bemerkenswert, daß schon
vor über hundert Jahren die katalytische Ver-
brennung praktisch ausgenutzt wurde. Daran er-
innerte kürzlich die Chemiker-Zeitung durch die
Veröffentlichung eines Briefwechsels Goethes
mit dem damaligen Chemieprofessor an der
Jenaer Universität Döbereiner. Diesel
entdeckte 1823 die Entflammbarkeit von Knall-
gas an Platinschwamm und nutzte sie zur Kon-
struktion eines Feuerzeuges. Im Verlauf seiner
Forschungen erfand er dann die noch heute,
wenn auch in etwas veränderter Form, ge-
bräuchliche Duftlampe. Die Gegenwart kennt sie
als Weingeistlampe. Ueber dem Docht befindet
sich ein Zylinder aus dünnem Platinblech, an
dem der Alkohol katalytisch, also ohne Flamme,
weiterbrennt. Döbereiner benutzte statt dessen
eine Glaskugel, die er mit einem hauchdünnen
Platinüberzug versehen hatte.


Zl Fortsetzung
Die Eevanken an Maria nahm ich in den Schlaf
hinüber, und sie wurden ein inniger Traum:
Ich stand wieder am Bett des Spitals, das Mäd-
chen erwachte, hob sich aus den Kissen und schlang
die Arme gierig um meinen Hals. So viel Glück
mußte mich erschrecken. Denn das Mädchen küßte
mich, und ich batte doch beute den unrasiertesten
Tag meines Lebens. Ich schämte mich meiner
Stoppeln so gründlich, daß ich erwachte. Da stot-
terte der Regen immer noch aui das Blechdach
der Bude Musit, die mich frieren machte, als
bätte ich Ameisen im Rücken. Und als ich mich
aui die >erzjeite drehen wollte, tatschten ine
Hände in die Nässe. Das Wasser war durchgeflos-
sen, meine Putzwolle schwamm, die leeren Säcke
hatten sich vollgesogen. Also mußte ich aufsteben,
und wo meine Füße wateten, spürten sie nur
Schlamm und ölige Schmiere. Ich tastete mich
zur Tür. wart den Riegel zurück, schob das krei-
schende Blech eine Handbreite zur Seite: Im
Osten grünte die Dämmerung die Wolken wan-
derten noch in Flocken, der Regen war bescheide-
ner geworden vielleicht würde er sich vor der
Sonne verkriechen, damit ich meine Kleider trock-
nen konnie Oder sollte ich wie aus dem Rhein
getunkt vor dem General antreten? Mit der
Hecke im Gesicht? Ich durfte nur so kommen, wie
mich das Schicksal zurechtgestückelt hatte. Zottig,
lumpig, verwüstet. Wie Deutschland. Mein An-
sug war siel W Mz M W WL Kü MMM

Allzu, früh konnte ich mich nicht in die Straßen
wagen, auch in Mainz gab es ein Nachtverbot. Ich
mußte schon aut einen Uhrenschlag warten, um
die genaue Stunde zu wissen. Der Soldat Manes
Himerod lag wieder im Schützengraben, er durste
nicht eher stürmen, bis das Trommelfeuer ruhiger
war. Bald hörte ich eine Glocke, die dreimal
schlug; aber drei Uhr konnte es nicht sein bei aus-
gehender Sonne. Es fehlten noch fünfzehn Minu-
ten bis zur vollen Stunde. Diese kam, künfmal
gluckte die Kirche. Der Himmel bellte sich aus, der
Morgen rötete, der Regen verschwand. Ein jun-
> ag streckte mir i-e Hän^> entgegen, ich sog
die küble Luft in meine Lungen Noch sechzig Mi-
nuten. dann durfte ich mein schmutziges Versteck
verlassen. Diese sechzig Minuten klebten zäh an-
einander: aber ein Soldat hatte das Warten ge-
lernt wie kein andrer. Hätte ich nur eine halbe
Zigarette gehabt, hätte ich mich wenigstens aui
eine Kiste oder Oelkanne setzen können: Drüben
patroullierten französische Posten, sie würden mir
vor 6 Ubr keine Sekunde schenken!
Doch nahm mir ein freundliches Schauspiel die
Langeweile: Die Einsamkeit der Stunde lockte
zwei Ratten aus ihrem Kloakenkeller. Das Pär-
chen tat. was alle Pärchen im Sommer tun. Das
war ein possierliches Pfeifkonzert, obzwar sich die
tanzenden Kreaturen nicht weit vom Kanalloch
der Promenade zu entfernen wagten. Welche Ord-
nung des Schöpfers, daß auch solch ekelhaftes Ee-
schmejß von der Kirbe wußte. So vergingen mir

die sechzig Minuten schon schneller, da die Augen
etwas zu verzehren hatten. Schlag 8 Uhr stellten
sich die kleinen Bestien auf dis Hinterpfoten glotz-
ten mich an, schlüpften wie Eidechsen in den Ka-
nal zurück und blieben verschwunden.
Jetzt war die Reihe an mir. Ich fühlte achtern
nach der Hosentasche, wo das papierene Vermögen
stak. Ich zog es hervor zählte noch einmal die
Scheine nach: Fünf Tausender! Sie fühlten sich
s dem Regenwasser, das mein La-
ger überflutet hatte.
Sechs Ubr zwei Minuten! Strahlende Morgen-
helle. Ich zählte bis hundert, riß den Türsvalt
auseinander, sing auf die Straße, spürte meine
Knochen. Das Rheuma rumorte in jedem Gelenk,
die Blechbude war eine Folterkammer gewesen.
Zwei Stunden strolchte ich umher, dann bela-
gerte ich wieder das Palais des hoben Kom-
mandeurs und bekam einen aelckieiten Einfall:
Ich wedelte den Briefumschlag in der Hand,
ging zu den Posten, zeigte ihnen den Aufdruck
mit der Firma des Generals. Mißtrauische Blicke,
schnüffelnde Nasenlöcher, alberne Redensarten,
Boche und so. Ich verbat mir das und drohte
mit Meldung. Da durfte ich passieren, aber ich
ging nicht ins Vestibül, ich suchte vielmehr Dek-
kung hinter einem Busch des Vorgartens und
wartete pochenden Herzens. Was da mit Bas-
kenmützen oder Stahlhelmen vorüberlief, musterte
mich mit Argwohn, während ich mir die Grimasse
eines harmlosen Gaffers zu eigen machte. Mein
Ziel heiligte jedes Mittel. Auch war ich viel
entschlossener jetzt als gestern. Welch stärken-
des Gefühl, ein Stück Achse zu sein. Was konnte
mir Schlimmes begegnen? Meines Kopfes war
ich sicher das genügte. Was sonst noch an Ver-
antwortung meine Schultern eindrückte. ließ sich
schon tragen, mein Körper war danach gebaut.
Um 8 Uhr wiederholte sich das Lamento der
Trommeln und Trompeten. Kommandos, pras-
selnde Pr'sentiergriffe, dann bremste die mär-
chenhaft« Limousine, Ich svraW bintn dem.

Busch hervor, mischte mich unter die Uniformen
di« an die Wagentür stürzten. Der Greis kroch
aus dem Verschlag. Zuerst mit den viel zu dün-
nen Beinen, dann mit dem viel zu dicken Bauch.
Das Burgundergesicht schien guter Laune: Es lä-
chelte wieder hold und hausbacken väterlich. Es
lächelte von einem zum andern, bis so viel leut-
selige Heiterkeit zu brutaler Blässe erstarrte. Der
Alts batte meine ausgesvreizten Finger gesehen,'
„Fünf mal ein Mensch, Herr General!"
. Schon flogen mir die Fäuste der Offiziere in
den Nacken. Der Kommandeur schnickte mit der
Reitpeitsche und verschwand im Vestibül. Der-
weile doch, du bist so schön, dachte ich, da hielten
die Adjutanten mir die Handgelenke fest und
durchsuchten meine Taschen. Ergebnis: 5000 Fran-
ken!
„Ihr Eigentum?"
„Nein!"
„Wem ge-Zrt das Geld?«
„Dem General!"
Sie schleiften mich ins Haus, der Kommandeur
hörte den Skandal, blieb auf der Treppe stehen,
besah mich unschlüssig. Der Alte kämpfte, sein
Kinn zuckte, seine Kiefer zerkauten die eignen
Zähne. Drei scharfe Worte, und die Offiziere
brachten ihm das Geld zurück. Ich mußte dem
Kommandeur bis in den zweiten Stock folgen,
dort riegelte er hinter sich und mir das Zimmer
ab.
Schöpferische Pause.
Der Allmächtig, wanderte drei Schritte bin, drei
Schritte her. Alleweil mit martialischem Svoren-
geklirr. Hände auf dem Rücken. Pupillen zum
Teppich gerichtet. Den Schnurrbart zwischen den
Livven Dann baute er sich vor mir auf: „Soll ich
Ihnen einsverren?"
Ich schwieg und spreizte wieder schüchtern fünf
Finger aus. Die Vafedowaugen meines Gegners
quollen. Die Reitpeitsche flog knallend auf den
Schreibtisch,
MMWng fvlgy,
 
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