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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (Juli-August)

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Nr. 159-189 (1. - 31. Juli)
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Versinkende HeMMmev
Von Otto Schmieder

(Nachdruck verboten)
In der Nähe von AssuLn, der südlichsten Stadt
des eigentlichen Aegyvten, liegt das kleine Dorf
Schellal. Bis dorthin wandern gewöhnlich die
europäischen Touristen, um sich dann auf die in-
teressante und historisch berühmte Insel Philä
übersetzen zu lassen. Der Nilstrom ist hier 1170
Meter breit. Aus der Mitte ragt ein granitener
Felsblock von ungefähr SM Meter Länge und 150
Meter Breite, mit einigen Palmen und grünem
Gesträuch bewachsen. Zwischen diesen hindurch
schimmern die Mauern der Tempelruinen.
Schon der alte ägyptische Geschichtsschreiber
Herodot hat den Satz geprägt: „Aegyvten ist ein
Geschenk des Nils." Und damit batte er ganz recht.
Denn, wie vor Jahrtausenden, so hängt auch heute
noch zum groben Teil der Wohlstand des Landes
vom Fallen und Steigen des Stromes ad, von
dem aus unzählige Rinnen und Kanäle das frucht-
bare Land durchqueren. Und heute noch krächzen
und stöhnen neben den modernen Damvfpumven
die alten Schöpsanlagen der Bauern, genau wie
vor tausend Jahren. Weil nun die ganze ägyp-
tische Ernte und mit dieser die Lebensfäbrskeit
des Landes vom Steigen des Stromes abhängt,
wird der Nil der „heilige Strom" genannt.
Als England die Herrschaft über Aegypten ge-
wann, sah es natürlich in erster Linie darauf, aus
dem Lande wirtschaftlich möglichst viel herauszu-
holen. Der Engländer erkannte auch, daß hier der
Fortschritt der Technik die natürliche Bewässe-
rung der Nilniederungen regulieren könne, um
einerseits Verwüstungen durch zu starkes Steigen,
andererseits Verdauung durch ungenügende Was-
serzufuhr zu verhüten.
Mit dem Aufwand-von vielen Millionen wurde

Ueberreste römischer, griechischer und ägyptischer
Kultur, Inschriften in äthiovisvcher und koptischer
Sprache und Schriftzeichen. Dem groben Jsis-
temvel wurden durch die römischen Kaiser Ama-
sis, Augustus, Tiberius, Trajan und Hadrian,
Hallen, Tore und Kapellen hinrugefügt, die heute
noch in ihren Ruinen eine Herrlichkeit darstellen,
die wie Vineta durch den Staudamm fast ständig
unter Wasser getaucht sind.
Dah der herrliche Jsistempel beute noch so gut
erhalten ist, verdankt er dem Umstand, daß er
im Jahre 577 n. Ehr. in eine Kirche umgewan-
delt wurde. Die alten ägyptischen Malereien und
Skulpturen wurden mit Lehm und Mauerwerk
verdeckt und so ungewollt in ihrer ganzen Pracht
und Farbenfreudigkeit der Nachwelt erhalten.
Lange, hohe Säulenhallen säumen den Weg, der
von dem Ufer zu den gigantischen Hallen und
durch diese in den Hof des Jsistemvels führt. Das
Dach ist eingefallen und nur die hohen Mauern,
auf denen noch Reste des Steingebälks ruhen, wu-
chern empor. In bunter Bemalung, deren Haupt-
töne blau, rot, gold und grün sind, stehen die
Säulen Ehrenwache.
Aber viel stärker als das, was wir zu schauen
imstande sind, wirkt die Erinnerung, deren Zau-
ber sich mächtig den dem Untergang geweihten
Resten einstiger Pracht verbindet. Die alten Pha-
raonen, feinsinnige Griechen und gewaltige rö-
mische Herrscher, darunter auch Hadrian, der sei-

nem Liebling Antonius, der in den Fluten des
Nils ertrank, auf der Insel ein herrlich Grabmal
errichten lieb, Inder, Aegypter und Babyloner
riehen im Geiste vorüber, wenn man von dem
Eranitfelsen der Südspitze den Blick über die
zerfallenden Bauten schweifen läßt, die mit ihren
gewaltigen Ruinen schon seit Jahrtausenden ein-
dringlich die alte Wahrheit künden, daß alles
Irdische, alles von Menschenhand Geschaffene, ver-
gänglich ist.
So ragen dis wundervollen Reste der Tempel
aus dem fast das ganze Jahr überschwemmten Ei-
lande hervor-wie lange noch? Niemand
vermag es zu sagen, denn niemand weiß den
Tag, an dem diese Mauern mit den Palmen die-
ser einst so schönen Insel ganz in den Fluten des
Nils versinken werden, ein noch von den Pharao-
nen errichtetes Baudenkmal begrabend.
Und die Sonne, die einst schon auf die Arbeiter
herabschien, die diese Heiligtümer erbauten, sie
sah Millionen frommer Pilger zu diesen Stätten
wallen; sie sah das Kreuz des Erlösers dort pran-
gen und vergoldete mit ihren Strahlen die rum
zweiten Male verlassenen Heiligtümer. Sic
schaute auch herab auf die Architekten und Inge-
nieure Englands, die das AssuLnstauwerk erbau-
ten, und sie wird sich in den Fluten des Nils, in
den weiten Flächen des groben Tanasees spie-
geln, wenn Pkilae mit seinen Tempeln versun-
ken und auch das AssuLnstauwerk wieder zerfallen
sein wird.
Eine kurze Spanne einer neuen Zeitepoche wird
dann zu Ende sein, gerade so wie heute die ver-
sinkenden Heiligtümer auf Pbilae als letzte Kün-
der der Herrlichkeit der Pharaonen stehen.

Der Bauer
Von Reinhold Flamm.

deshalb bei AssuLn ein riesiges Stauwerk erbaut.
Dieses Stauwerk hat es auch ermöglicht, das
Kulturland bedeutend zu erweitern und den Er-
trag der ägyptischen Ernte um durchschnittlich 200
Millionen Mark jährlich zu steigern.
Diesen ungeheuer groben wirtschaftlichen Vor-
teilen gegenüber mußte darum auch der Protest
ohnmächtig verhallen, den die gesamte europäi-
sche, wissenschaftliche Welt gegen den Bau des
Stauwerkes einlegte, denn dadurch wurde ein Ju-
wel altägyptischer Baukunst, die herrlichen Tem-
pelruinen der Insel Philas dem Untergang ge-
weiht.
Auf dieser Insel wurde nach dem Glauben der
alten Aegypter der Sonnengott Osiris geboren
und soll auch dort begraben sein. Ihm, wie der
Göttin Isis, wurde ein grober Tempel erbaut.
Der prächtigste von diesen Tempeln ist der alte
Jsistempel, der von Ptolomäos I., Philadelvbos,
Nektanebos und Energetes III. in den Jahren
284—221 v. Ehr. erbaut wurde. Weiter war dem
römischen Kaiser Diokletian auf der Insel ein
Triumphbogen errichtet; Kaiser Tiberius besab
auf Philae eine Villa. Wir finden darum auf
der Insel und deren nächster Umgebung viele

„Dauer" kommt von Lauen, — und bauen heißt
so viel wie schaffen, formen, aufrichten, zusammen-
tragen, — alles in allem — Werte schaffen. Und
Bauer oder „Bur" bei uns im Schwarzwald zu
sein, besagt daß dieses Schaffen und Werken nicht
gerade leicht ist. Trotz der allseitigen Erkenntnis,
daß einzig und allein der Bauernstand der funda-
mentale Stand im gesamten Staatsleben ist, ist
der ureigenste Name dieses Standes, die selbst-
verständliche Bezeichnung „Bauer", zurückge-
drängt worden, trotzdem er ein Ehrenname im
wahrsten Sinne des Wortes bedeutet. In vielen
Gegenden hat er dem manchem Menschen vorneh-
mer scheinenden Namen „Landwirt" Platz machen
müssen, einem Namen, der der Tätigkeit seines
Trägers viel weniger gerecht wird und in vielen
Dingen färb- und wesenlos ist.
Gewiß! — Es gab eine Zeit, in der man dem
Wort „Bauer" eine Bedeutung unterschob, die
nicht gerade lieblich war. Das war damals, als
man bei uns im Lande jeden, der nicht gerade
mit den Wassern akademischer Bildung gewaschen
und mit den Salben von Titeln und Orden geölt
war, gerne als „Bauer" bezeichnete und ihn da-

mit als Ungebildeten und Unkultivierten brand-
marken wollte. Möglich, daß damals mancher
echte und rechte Bauer lieber ein „Landwirt" sein
wollte. — Und doch zu Unrecht, tausendmal zu
Unrecht! Landwirt konnte ein Jeder werden, der
guten Willens war und vielleicht auch noch
das nötige Geld dazu hatte. Als Bauer aber
mußte man zu allen Zeiten geboren sein, mußte
mit der Scholle verwachsen sein, einer Scholle, der
man diente und die man behütete. Als Bauer
mußte man der Ahnen Last, die nicht immer leicht
war, auf breite, nimmermüde Schultern zu neh-
men gewillt sein, mußte ein schweres Leben
lang auf sich tragen, um sie erst dem Jungen, —
dem kommenden Geschlecht, zu übergeben, wenn
die eigene Kraft, einem verglimmenden Lichte
gleich, zu Ende gehen wollte.
Bauer sein —, das hieb zu allen Zeiten Kämp-
fer sein. Ob das Jahr gut oder schlecht zu Ende
ging, ob Glück ger Unglück es gekennzeichnet
hatten, — immer wieder mußte ein neues begon-
nen werden aus dem altüberlieferten Pflichtge-
fühl heraus, das vom Vater immer auf den Sohn
überkommen war und jeden an die Scholle band.

Immer wieder mußte der Pflug durch Feld und
Acker geführt werden, immer wieder stand die
Verpflichtung des Bauern seiner Scholle, seiner
Heimat gegenüber allem voran.
Und warum sollte der ewig Rastlose, der ewig
Bauende, einen andern Namen tragen als den,
der ihm allein zukam, der allein für ihn und sei-
nen Stand geprägt war? — So mancher Schwarz-
waldhof hat den alten, trutzigen Hofnamen. Ein
jeder Bauer des Hofes trägt denselben Namen, ist
der Vergbauer, der Oberbauer, der Jungbauer, —
es die Vorfahren schon waren. Kein Mensch denkt
daran, den Bauern bei seinem Familiennamen zu
nennen. Und welche Sobbeit, welche Feierlichkeit
liegt doch in dem Grub, wenn sich die Bauern
treffen, wenn selbst der Bruder den Bruder nicht
mehr beim Vornamen nennt und ihn mit seinem
Hosnamen begrübt! —
Aber auf manchen Höfen und an Bauernorten,
denen kein solcher Hofnamen eigen ist, hat man
mit der Zeit vergessen, daß man — obwohl man
noch ein Bauer guten, alten Schlages ist — daß
man den alten, ehrenwerten Namen beibehalten
sollte. In Schriften aller Art, auf Wagenschildern,
auf Decken und Planen, überall, wo des Bauern
Name zu finden ist, bezeichnet er sich als Land-
wirt. Und wer. es nicht glauben will, der gehe
einmal auf den Gottesacker, dort steht es auf
Holzkreuzen, wie auf Grabsteinen, daß bei uns
nichtssagende Wort .Landwirt", das nach Fug
und Recht „Bauer" heißen sollte. Vielleicht be-
sinnt sich die heutige Generation wieder eher da-
rauf, dab ihr Name in Ehren gehalten werde, daß
einer, der seine Scholle bebaut, ein Bauer ist.
gleichgültig, ob er acht Stiere unter dem Joch
gehen bat oder ob er seine beiden einzigen Küh-
lem einspannt. Wer den Acker bebaut, wer pflügt
und sät und erntet, wer erdverbunden unseres
Herrgotts Erde bebaut, wer für des Himmels
Segen betet oder iy Sturm und Blitz um dis
Ernte bangt — der ist ein Bauer — trägt diesen
Ehrennamen zu Recht und hat keinen Grund, sich
seiner zu schämen.
Auf dem Kirchhof eines Schwarzwalddorfes
findet sich ein Grabhügel, der sich über einem
Toten wölbt, der lebenslang ein echter und rech-
ter Bauer war, der bis ins Hobe Alter seinem
Hofe vorstand und den der Tod von der Arbeit,
von Pflug und Acker weggeholt hatte. Auf sei-
nem Gedenkstein, unter dem Namen, steht in
schlichten Worten: Bauer im Wonnenbach.
Nicht mehr und nicht weniger. — Bauer war er
und wie er gelebt hatte, als rechter und einfacher
Bauer, so ist er gestorben und so wollte er begra-
ben sein,— so hat er auch seinen Namen mit ins
Grab genommen. Und hinter diesem schlichten
Stein mit dem einfachen und doch erhabenen
Namen vermeint man das gütige und hehre Ant-
litz des toten Bauern zu sehen, das Antlitz eines
Mannes, der im Leben und im Sterben nicht mehr
und nicht weniger war als ein echter Bauer, der
es von ganzem Herzen war und seinem Namen
Ehre machte. Sein Grabstein sei eine Mahnung
seinem Stande, — Bauer zu sein und zu blei-
ben.


52. Fortsetzung.
Das hörte sich an, als hätte ich mich durch mei-
ne Tagesreise schuldig gemacht.
„Noch mehr? Leute, redet, rodet...!"
„Hat deine Frau nix erzählt? Gestere abend
habbe se doch zwei Landjäger krank g'schosse und
verhaftet!"
„Wer?"
„Nu, wer! Die Franzose!"
„Wo? Warum? Weshalb? Pava Wendland, du
guckst unheimlich!"
„Nu, an der Pont. Wege die Sonderbündler.
Es war gemeldet worde, die mache nachts Uebun-
ge. Da sollte Sie zwei Landjäger Obacht gebe!"
Ich wußte genug. Nun lagen die Beamten ir-
gendwo im Gefängnis. Mein Landrat hatte plump
gearbeitet.
„Und die Sonderbündler?"
„Nu, freigelasse. Klar. Befehl vom General.
Ueberall spuke die Bandite. In Speyer und in
Aache, in Bonn und Trier. Lies doch die Zeitung.
Das gibt noch was!"
„Hast du denn nicht als Ortsvorsteher prote-
stiert?"
„Ich hab lang genug in Zweibrücke gehockt.
Manes, im November werb ich sechsunbsieb-
zia!"
Papa Weudlanb torkelte wieder in den Hof,
-er gestrige Tag saß ihm noch lähmend in
len Knochen. Und ich hatte geglaubt, in Most-

heim geborgen zu sein. Als gäbe es hier kei-
nen Untergang, keine Abgründe, keine Nie-
dertracht. Durfte ich meinem bißchen Glück
noch einmal unterwerfen? Ohne Kummer um
das, was am Körper von uns allen zehrte?
Die Tage vor meiner Hochzeit waren Ferien
gewesen, nun ging der Urlaub zu Ende, nun
mußte der Kopf ein für allemal aus dem Sand
gezogen werben. Ich warf mir Fahnenflucht
vor, weil ich sorglos gewesen war. Die Land-
jäger brummten jetzt in Mainz ober Zwei-
brücken, waren verwundet und hatten womög-
lich Familie.
Maria kroch aus der düsteren Ecke. Und
meinte etwas, was mich stolz machte: „Hättest
nicht fortgehen sollen. Sie Mostheimer haben
es alle gesagt!"
Die lieben Leute. Ich war ihr Schutzpatron
geworden. Maria suchte meine Hand. Ich ent-
zog sie ihr. Ich spielte mit Mordgebanken.
Für jeden Rheinländer, den die zivilen Ka-
naillen von Frankreichs Geld und Gnaden
ans Messer lieferten, sollten zehn der Ihrigen
fällig sein. Es konnte immer nur die Rich-
tigen treffen. Aber wem vertraute ich mich
an? In der Westmark gabs viel Groll, aber zu
wenig Zorn. Hätte ich doch nicht geheiratet.
Dann wäre ich jetzt ....
„Iß das Hasenbrot, Maria!"
t „Wo warst du so lange, Manes?"

„Nicht fragen, Maria!"
Sie schob das Käsebrot zurück und murrte.
Ich wollte die Faust auf den Tisch rammen,
da hing mir wieder mein guter Geist in den
Ohren: „Mariechen, iß das Hasenbrot und
frag nicht mehr. Komm auf den Schoß!"
Sie kam, verzog trotzig den Mund und
drehte mir einen Knopf von der Joppe.
„Es gibt Sachen, die Männersachen sind.
Verstehst du das, Maria? Ein Soldat hat
Dienstgeheimnisse!"
„Aber du bist doch kein Soldat mehr, Ma-
nes!"
„Seit gestern wieder, Maria!"
Da aß sie das Hasenbrot.
II.
Ein Brief.
Der erste, der mir am Morgen begegnete,
war ein französischer Offizier. Er grinste,
grüßte nicht, schon erkannte ich ihn: Dieser
Mann hatte im Dezember die hölzerne Ma-
donna Adam Ankers in die Ofentür gestoßen.
Monatelang war er kusch gewesen, nun stach
ihn wieder der Hafer. Er wußte wohl, was
sich vorgestern zugetragen hatte. Und er wuß-
te auch, daß er ein Bestandteil jenes Gewit-
ters war, das sich mit brutaler Folgerichtig-
keit im Westen verdichtete. Würben zündende
Schläge zur Erde fahren, — ihn konnten sie
nicht treffen.
Das Jahr ging zur Neige, der Kreuzweg
fing erst an. Zehn Monate hatten die Raub-
vögel gebraucht, um sich einzuhorsten, und die
Menschen am Rhein lebten im frommen Glau-
ben, es könnten sich keine tieferen Abgründe
mehr auftun. Ich wohnte zwar mit meiner
Familie in Mostheim, aber das war kein Le-
ben, man war nur vorhanden, und hielt sich
die Ohren zu, wenn das Glück zu flüstern
schien. Wir glaubten nichts mehr. Mostheini
war Deutschland. Was hier geschah, war nichts

Einzelnes und nichts Absonderliches. Der
Krieg fing erst an, vom Rhein bis nach Schle-
sien, von der Etsch bis an den Belt. Im Osten
die Geißeln der polnischen Amokläufer, bei
uns der Knebel einer besessenen Horde. Ein
geschwätziger Poilu hatte im Rausch verraten,
daß neue Parolen gekommen wären, von de-
nen die Bevölkerung kein Zuckerbrot zu er-
warten hätte. Der Anstoß? In Paris hatte
der Tiger geredet! Die Penetration paeifique
sei fruchtlos geblieben, jetzt finge man anders
an!
Pankraz Wenbland, auf seinem Posten als
Ortsvorsteher nur noch ein lächerlicher Schat-
ten, ergab sich dem Suff, dreimal schon zogen
wir ihn aus den Pfützen und brachten ihn
ins Bett. Freilich hatte er tüchtige Gesellen
im Geschäft, die sich auf den Weinbau verstanden.
Die Herbstlese frischte unsere müden Seelen für
einige Wochen auf, auch ich durfte im Bratmonat,
als die Ponte noch von einem amtlich bestellten
Lotsen gesteuert wurde, in den Wingert, um Trau-
ben zu schneiden und tropfende Rieven zu schlep-
pen. Da lernte ich kennen, was Edelreife, Edel-
fäule und Lederkrankheit sei, ich bemächtigte mich
der erdhaften Winzersvrache, die von jeder ge-
bräunten Frucht sagte, der Fuchs habe sie geleckt.
Der Herbst rostete allenthalben, es war die Zeit
der Aepfelkähne und Todesanzeigen, die Astern
rochen widerlich nach Begräbnis, alles lag krank
an der Grippe, jeden Abend bürstete mir Maria
den Altweibersommer von der Hose und fragte
immer dasselbe: „Wo hast du dich bcrumgetrie-
ben?"
Wir wurden sogar von Leitern Gefühlen be-
sucht, als um Sankt Kunibert und Narzissus die
Säue in den Ställen ferkelten. Um dieselbe Zeit
gab es Most, der keine Niere ärgerte. Nach dem
Most schäumte die Federweiße, Maria trank sie
in Litern für baren Champagner. Das gute
Weib glaubte halt alles, was ich zu seinem Besten
schwindelte. (Fortsetzung folgt.)
 
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