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Volksgemeinschaft: Heidelberger Beobachter, NS-Zeitung für Nordbaden (3) — 1933 (Juli-August)

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Nr. 159-189 (1. - 31. Juli)
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Sonntag, de« S. Juli 1S33


Der Volkskommissar für Transport-
wesen erklärte kürzlich auf einer Sitzung
des obersten Wirtschaftsrates in Mos-
kau, daß etwa 54 Prozent des rollenden
Materials und 40 Prozent des Ober-
baues der Sowjetbahnen dringend der
Ausbesserung bedürften.
Zn Odessa war Tanke Tanja erkrankt und
bat um Besuch. Papa Swetschin beschloß des-
halb, seine beiden Kinder Peter und Katharina
hinzuschicken. Bon ihrer Reise erhielt er eine
Reihe von Briefen, die hier in zeitlicher Ord-
nung aufgeführt sind.
Postkarte vom 4. August. Bahnhof
Brjansk.
Liebe Eltern! Unser Zug fährt großartig.
Gestern sind wir fahrplanmäßig von Moskau
abgefahren und mit nur 7 Stunden Verspä-
tung hier eingetroffen, In den Abteilen ist
eine Menge Platz, da die Reisenden, die es
eilig hakten mit Mietfuhrwerk vorausgefah-
ren sind. Peterchen hak eben gefrühstückt und
schläft jetzt. Biele Grüße von Eurer Katja.
PS. Vergeßt büke nicht, daß am 9. 8. die
Zuckerkarten fällig sind! — PPS. Drahtet
bitte Tanke Tanja unsere Abreise!
Postkarte vom 9. August. Bahnhof Nje-
schin. „
Liebe Eltern! Der Zug fährt tadellos,
wenngleich etwas langsam. Dafür hakten wir
auch diese ganzen Tage keinen Zwischenfall.
Immer, wenn der Zug auf der Strecke hält,
steigen wir aus, pflücken Blumen oder neh-
men in der Nähe schnell ein Bad. In Nje-
schii wird, glaube ich, die Lokomotive gründ-
lich überholt. Wir bleiben also einige Tage
hier und sind in ein nahes Hotel gezogen. Um
Tante Tanja eine kleine Freude zu machen,
haben wir 25 Pfund echte Njeschiner Gurken
gekauft, die sie so gerne ißt, und salzen sie
eben ein. Vergeßt nicht das Mehl auf Karte
11 zu holen! Peterchen hak ausgeschlafen und
ißt wieder mit gutem Appetit. Viele Grüße
Eure Katja.
Postkarte vom 16. August. Bahnhof Ko-
nolop.
Liebe Eltern! Verzeiht, daß ich so lange
nichts von mir hören ließ! Wir hakten hier
viel zu tun.. Zuerst verlor unsere Lokomotive
an einer Brücke den Schornstein. Wir muß-
ten olle suchen helfen. Bis wir ihn fanden,
verging ein halber Tag. Dann rollte das Hin-
terrad vom Gepäckwagen in den Wald. Es
gelang uns nur mit großer Mühe, es wieder
zu finden. Da wir jetzt immerzu an Wäldern
vorbeikommen, geht Peterchen oft auf die
Jagd. Wir haben uns während dieser Zeit
mit den anderen Fahrgästen recht gut ange-
freundek. Einmal geriet unser Zug sogar aus
dem Gleis, doch zum Glück bemerkten wir es
schon nach einer Stunde, sodaß niemand zu
Schaden kam. Jetzt ist alles wieder in Ord-
nung. Peterchen hat eben gegessen und schläft
wieder. Grüße und Küsse von Katja.
Postkarte vom 23. August. Bahnhof
Kijew.
Endlich in Kijew angekommen. Liebe El-
tern, wie herrlich ist der Dnjepr! Wie wun-
dervoll das alte Kijew, die Mutter der russi-
schen Städte! Wir bleiben hier drei Tage,

Von Peter Zekah.
Wenn einmal die Geschichte dieses Zeital-
ters geschrieben werden wird, wird man wie
von der Spätzeit des römischen Imperiums
sagen: „Sterndeukung und Wahrsagerei spiel-
ten eine große Rolle". Man wird aus ver-
staubten Archiven vergilbte Zeitungen holen
mit politischen Kindereien, die nicht mehr ver-
standen werden, mit Anzeigen von Zahnpasten
und Horoskopen, und wird sich den Menschen
vom Anfänge des zwanzigsten Jahrhunderts
rekonstruieren: ein Wesen, umratkerk von
Maschinen, Gymnastik treibend, mit wohlrie-
chenden Essenzen sich salbend, männlicherseiks
komische lange Beinröhren und weiblicherseits
erfreulich hygienische, hemdartige Zauküber-
würfe tragend, den kurz geschnittenen Kopf
angefüllt von Glaubenssätzen — von der
Macht dünner Metallscheiben oder staatlich
bedruckter Zettel, von dem Hansdampf in al-
len Gassen, dem „Aether", von den „Wellen",
den „Schwingungen" und von dem „Einfluß
der Sterne". And es ist durchaus nicht zu sa-
gen, welcher dieser Glaubenssätze den Zu-
kunfksmenschen anmuten wird.
Die Gegenwart ist sich nie im Klaren über
sich selbst,' die wenigsten wissen, welche große
Rolle die Astrologie heute noch (oder wieder)
>ei uns spielt. In London wohnt ein kleiner
Mann, von dem man sich erzählt, daß er die
Geschicke der Völker lenke? seine ärmliche
Bohnung ist so etwas wie ein geistiges Ab-
Rgequarlier für einheimische und durchrei-
rnde Diplomaten, die sich dort die Horoskope
für wichtige staatliche Schritte stellen lassen.
Eine Berliner Bühne hat ihren Aausastrolo-


von Pawel Pawlow.
da die Lokomotive wieder überholt werden
muß, und gehen in einen Gasthof.
Postkarte vom 27. August. Haltestelle Sa-
poroschje.
Liebe Eltern! Heute sind wir endlich ab-
gefahren. Unsere Lokomotive fährt jetzt fa-
belhaft, selbst die schnellsten Hunde bleiben zu-
rück. Peterchen schläft wieder einmal. Doch
ich kann nicht weiter schreiben, der Zug hüpft
plötzlich so sonderbar. Ob wir wohl wieder
aus dem Gleis geraten sind? In Eile viele
Grüße Katja.
Briet vom 7. September im grauen Um-
schlag. M-gangsork nicht vermerkt.
Liebe Eltern! Nun sitzen wir tatsächlich
fest. Etwa 200 Werst hinter der Schmerinka
blieb unser Zug plötzlich stehen. Nachfragen
ergaben, daß irgendeine Station den Zug nicht
annehmen kann. Wir liegen nun auf einem
Nebengleis und können weder vorwärts noch
rückwärts. Vor uns, hinter uns und auf al-
len Nebengleisen stehen lange Zugreihen. Wir
haben hier viele Bekannte aus Moskau an-
getroffen, die schon wochenlang vor uns ab-
gereist sind. Schreibt bitte an Tanke Tanja,
daß wir wahrscheinlich mit großer Verspätung
nach Odessa kommen. Die Verpflegung ist
ausgezeichnet, da die umliegenden Dörfer al-
les in Hülle und Fülle haben, was der Mensch
braucht. Besonders Butter, Eier und Geflü-
gel gibt es im Ueberfluß, weil doch nichts in
die Städte abgeführk werden kann. Wie
schade, liebe Eltern, daß Ihr nicht auch hier


seid! Euch würde eine kleine Mastkur gut
bekommen. Peterchen hat schon dreimal ge-
frühstückt und schläft wieder. Er muß jetzt
auf der unteren Bank unseres Abteils schla-
fen, da die obere Bank unter seinem Gewicht
zusammengebrochen ist. Ihr seht also, liebe
Eltern, daß es uns hier an nichts mangelt.
Viele Grüße und Küsse von Eurer Katja.
Langer Brief vom 25. Oktober.
Geliebte Eltern! Endlich ist alles einiger-
maßen ins Lot gebracht. Gestern fand die
Gründungsfeier unserer neuen Stadt „Prob-
kin" (Pfropfen) statt, die sich aus den hier
zusammengepfropften Zügen gebildet hat. Zu-
erst waren wir nur ein Dorf, doch hat sich
unsere Siedlung im Laufe der Wochen so
vergrößert, daß die Regierung uns gestern
Stadkrechke verlieh. Die Straßen unserer
neuen Stadt bestehen ausnahmslos aus lan-
gen Wagenreihen. Es gibt Straßen der Holz-
klasse und der Polsterklasse. Dann gibt es
noch gemischte Stadtviertel, die zum Teil aus
Personen-, zum Teil aus Gepäckwagen be-
stehen. Es gibt auch Geschäfksvierkel, die sich
aus den mit allerlei Waren angefüllten Gü-
terwagen zusammensehen. An den Straßen-
kreuzungen stehen die Lokomotiven, die jetzt
für den Koch- und Backbekrieb bestimmt sind.
Auf ihnen gibt es immer heiße Getränke,
Kaffee, Tee und Schokolade: und die Fami-
lien dürfen an Feiertagen hier ihre Kuchen
backen. Die Einwohnerzahl unserer Stadt ist


Herkunft der Ländernamen.
Die Namen der europäischen Nationen
stammen meist von besonderen Ursachen her.
Spanien, das alte Iberia oder Hispania vom
phönizischen spaniga, was „reich an Kanin-
chen" bedeutet, die in Spanien tatsächlich auch
heute noch in Unmengen vorhanden sind, hat
von diesem Kaninchenreichkum seinen Na-
men. Portugal, das alte Lusitania, erhielt
seinen Namen von einer Stadt Cale am
Duero, der gegenüber Porto (Oporto) liegt.
Als die Mauren aus dem Lande gejagt wa-
ren, zog man beide Städkenamen zusammen
und nannte das Land Porkocale, woraus spä-
ter Portugal wurde. Die Bezeichnung Ir-
land, das Caesar zuerst Hibernia nannte, ist
eine Umgestaltung des Wortes Erin, Land
des Westens. Frankreich gaben die germa-
nischen Franken, die es eroberten, den Na-
men. Früher hieß es Celta oder Gallia und
Gallia braccata, auf die von den Eingebo-
renen getragenen gestreiften Beinkleider hin-
deutend, im Gegensatz zu den römisch geklei-
deten Bewohnern von Oberitalien oder
Gallia togata. Holland, das alte Batavia,
wurde nach seiner tiefen „hohlen" Lage so
genannt. Skandinavien soll nach einigen
Sprachforschern ein Land bedeuten, dessen
Wälder verbrannt oder vernichtet sind. Der
Name Schweden ist von Scituna abgeleitet,
während Norwegen von Nordland kommt.

Preußen soll von Russia und dem slavischen
po (nahe, dicht bei) also „dicht bei Rußland"
Herkommen

Luftjagd auf Wölfe und Wilddiebe.
Das Flugzeug scheint auf dem besten
Wege zu sein, sich zu einem Mädchen für
alles gleich der Feuerwehr, nur in einem
weit wirkungsvolleren Maße zu entwickeln.
Erst kürzlich konnte man aus Rußland die
Kunde vernehmen, wie ein hilfsbereiter Flie-
ger einen von Wölfen verfolgten Bauer
rettete, indem er in die Tiefe ging und die
Raubtiere durch das Geräusch der Motoren
verscheuchte. Nun soll die Luftwaffe auch
zur Menschenjagd, natürlich nur auf Verbre-
cher, verwandt werden. Und zwar gegen die
Wilddiebe, die in den schwer zugänglichen
Gebieten Kanadas ihr Unwesen treiben. Diese
Gesetzesübertreter richten besonders unter dem
Bestand an kostbaren Pelztieren großen
Schaden an. Der Staakskommissar von To-
ronto hat nun Luftschiffe zu diesem Zwecke
mobil gemacht. Solche beflügelten Patrouillen
werden ja ohnehin bereits seit einiger Zeit
zur Aufspürung von Waldbränden in die rie-
sigen Forsten gesandt, so daß es also lediglich
eines Ausbaues dieses Dienstes bedarf. Im
Winker erhalten die Flugzeuge Schneeschuhe.
Die Wilddiebe müssen es schon recht schlau

kürzlich auf 30 000 Personen angewachsen,
wobei das frühere Zugpersonal, das jetzt Po-
lizeidienst versieht, noch nicht mikgezählk ist.
Die Ausschachtungen für den Bau einer Was-
serleitungsanlage haben begonnen, und zum
Ende des zweiten Fünfjahrplans sollen wir
auch ein Kraftwerk bekommen. Vorläufig
wird die Straßenbeleuchtung noch durch die
Bahnsignalapparate, Semaphore usw. besorgt.
Peterchen hak im nächsten Dorf Bretter ge-
kauft und baut mit Hilfe der anderen Fahr-
gäste ein Sommerhäuschen. Da wir schon
von Moskau ab im Zuge waren, gehören wir
zu den ältesten Bürgern und haben Aussicht,
einmal Ehrenbürger der Stadt Probkin zu
werden. Das Leben hier pulsiert immer stär-
ker. Im Schnellzugvierkel ist eine Sparkasse
eröffnet worden. Das Postamt hat sich im
Schlafwagenvierkel aufgekan. Peterchen ar-
beitet als Gehilfe des Buchhalters bei der
Sparkasse und ich als Kontoristin beim Ma-
gistrat, Abteilung zur Verschönerung der
Skadkanlagen. Ihr seht, wir haben uns gut
eingelebk. Neulich haben wir uns ein Fer-
kelchen gekauft, das wir im Tender der be-
nachbarten Lokomotive etwas aufmästen. Das
Klima ist mild. Lebensmittel sind genügend
da. Vorerst können wir noch nicht von hier
fort. Liebe Eltern, macht uns doch die Freude
und kommt zu Weihnachten zu uns! Bis
Schmerinka fahrt Ihr mit dem Zuge und von
dort mit Pferden die 200 Werst nach Prob-
kin. Nur müßt Ihr schon einige Wochen frü-
her von Moskau abreisen, sonst könnt Ihr
nicht zur Zeit hier sein. Es grüßt und küßt
Euch herzlich Eure Katharina. Unsere An-
schrift lautet: Stadt Probkin auf der Strecke.
Schnellzugstraße, Wagen Nr. 7. Peter und
Katharina Swetschin.

anskellen, wenn sie sich diesen furchtbaren Ver-
folgern entziehen wollen.
*
Was braucht ein Huhn an Vitaminen?
lieber die Bedeutung des Vitamins für
Federvieh haben kürzlich die amerikanischen
Forscher Sherwood und Fraps aufschlußreiche
Untersuchungen angestellt. Sie teilten ihre
Versuchstiere, weiße Leghornhühner, in drei
Gruppen, die sich nur durch die Art des ihnen
gereichten Futters unterschieden. Dieses war
durch Zusatz von gelbem Mais so bemessen,
daß die erste Gruppe 270, die zweite Gruppe
120 und die letzte überhaupt kein Vitamin X,
in Sherwood-Einheiken ausgedrückk, erhielt.
Die größte Gewichtszunahme zeigten die Hüh-
ner, die am meisten gelben Mais mit ihrem
Futter zu sich genommen hakten: sie legten
auch die meisten Eier. In allen drei Gruppen
ging der Vikamingehalt der Eier allmählich
zurück, wie durch Versuche mit Ratten fest-
gestellt werden konnte. Die genannten For-
scher glauben hieraus den Schluß ziehen zu
können, das ihren Hühnern verabfolgte Fut-
ter sei nicht genügend reich an Vitamin ge-
wesen. Die geringste erforderliche Menge
wird von ihnen mit 33 Vitamin-Einheiten
je Tag angegeben, die allein für den Aufbau
des Körpers Verwendung finden, während
weitere 6,3 Einheiten für die Erzeugung von
je einer Einheit in einem Gramm Eidotter
nötig sein sollen.

Her rur Killer-öuZevä!

gen, und jede Premiere wird nach dem gün-
stigsten Sternenskande angesehk. Ein bekann-
ter Mediziner in Wien läßt sich zunächst die
Geburtsdaten seiner Patienten sagen, ehe er
die Diagnose stellt.
Das Mittelalter hak nicht aufgehörk. Mit-
ten in die grelle Welt unserer mechanischen
Begriffe fällt das blaue Licht des Mystifizis-
mus, des Glaubens an den Geist und an die
Geister. Denn Astrologie ist urspünglich Gei-
sterglaube, Glaube an persönliche Gottheiten,
die, leuchtend über uns, die Erdgeborenen re-
gieren. Je nach dem geistigen Stande des
Gläubigen wird der Skernengott muskelkräf-
tiger Dämon, der zum Danke für die Gabe,
die Geschäfte des Opfernden besorgt oder dem
Geizigen tückisch schadet, oder aber er wird
ein geistiger Strahlensender, dessen Persönlich-
keit sich in die „Energie des Lichtes" verliert.
Man muß heute kein Hottentotte sein, um an
die Energie des Lichtes glauben zu dürfen
und somit an die uns berührenden Kraftfelder
der Gestirne.
Die Abhängigkeit des Menschen vom Stand
der Sonne auf der Skernenuhr der Tierkreis-
zeichen ist die Haupkerkennknis, welche die
Astrologen predigen. Für sie wirkt dex Rhykh.
mus des Sonnenkonzerks bei der Geburt
grundlegend für das ganze Leben. Man
braucht sich nicht, wie es viele moderne Astro-
logen tun, auf die Strahlungs- und Wellen-
Lehre zu berufen, um die Abhängigkeit der
Geschöpfe von der Sonne zu beweisen, ein-
fache Naturbetrachkung kann schon feststellen,
daß Frühjahrskatzen anders ausfallen als
Sommerkatzen, daß die Bewegungen der
Pflanzen gänzlich von der Sonne bestimmt
werden. Der Film „Das Blumenwund:r"

hak diese Abhängigkeit so eindrucksvoll an-
schaulich gemacht, indem bei der Aufnahme
die Entwicklungszeit der Pflanzenwelt zum
Tempo der Tierwelt verkürzt und ein Puls-
schlag einem Sonnenumlauf gleichgesetzt wurde.
Die Pflanzen scheinen hier demonstrativ die
Abhängigkeit der Wesen vom Lichte, von den
Gestirnen beweisen zu wollen. Freilich geht
der Anspruch der Astrologen viel weiter. Sie
kri'en das Jahr in 12 Abschnitte An, die jedoch
nicht mi' den Monaten m'ammenfallen, je
nach der Wanderung der Sonne durch die
Tierkreiszeichen. Die Sonne geht durch die
Zeichen Steinbock (22. 12. bis 20. 1.), Wasser-
mann t21. 1 bis 19. 2.), Fische (20. 2. bis
21. 3l. Widder (21. 3. bis 21. 4.), Stier (22.
4. bis 21. 5.), Zwillinge :22. 5. bis 21. 6.),
Krebs 22. 6. bis 22. 7.), Löwe (23. 7. bis 23.
8.), Jungfrau (24. 8. bis 22. 9.), Waage (23. 9.
bis 23. 10.), Skorpion (24. 10. bis 22. 11.),
Schütze (23. 11. bis 21. 12.). Die Astrologen
behaupten nun, daß die Stellungen von Son-
ne und Planeten, diese aus vielen Kräften
zusammengesetzten Kraftfelder, die unter den
Tiernamen der Kreise zusammengefaßt werden,
den unter ihnen Geborenen typische Charak-
tereigenschaften verleihen. Sie keilen demnach
die Menschen in 12 Lharakkerkypen ein, die
sie schon äußerlich glauben erkennen zu kön-
nen, da ja der Charakter den Körper forme.
Sie sprechen von „Widdern" und „Fischen"
und „Krebsen" und meinen Menschen. Als
eine Bestätigung ihrer Behauptung führen sie
die Aehnlichkeit der inneren Struktur geistiger
Werke an, die von Persönlichkeiten des glei-
chen Typus geschaffen wurden. Als eine be-
sondere Eigenschaft der Krebsgeborenen zum
Beispiel wird der Drang angegeben^ sich in

vergangene Zeiten zu versetzen, schwärmerisch
fremde Kulturstufen zu durchfühlen und in-
stinktiv geistige Zusammenhänge zu erfassen.
Man vergleiche daraufhin die Werke einiger
Krebsgeborenen: Graf Hermann Keyserling,
Karl Ludwig Schleich, Sanskrikforscher Büh-
ler, Graf Gobineau, Philosoph Vischer, Rous-
seau.
Man wird vielleicht nicht umhin können,
die Astrologie so wie die Handlesekunds, die
Chirologie, für die Lharakterdeukung als för-
derlich anerkennen zu müssen. Sie erhebt je-
doch den Anspruch auf Wahrsagung. Ohne
die Möglichkeit bestreiken zu wollen, daß große
Ereignisse ihren Schatten vorauswerfen kön-
nen, muß man feststellen, daß hier die Gefahr
der Charlakanerie einsehk, der Ausbeutung
durch findige Seelenspekulanken, deren un-
redliche Ankenntnis durch das Halbdunkel die-
ses Gebietes dem Zugriff verborgen bleibt.
Besonders Amerika leistet darin Großes. Für
fünf Zehnpfennigmarken versprechen impo-
nierend klingende Firmen genaue Horoskope
und schicken den Dummen nach Einsendung
des Betrages wertlose Massenfabrikate. Ein
Horoskop zu stellen, erfordert viel Wissen,
Bildung und Zeit. Mik der Möglichkeit muß
gerechnet werden, daß exaktere Forschungen
auch auf dem Gebiete der Astrologie vieles
bestätigen werden, was man bisher nur in-
tuitiv erkannte, bis dahin begebe man sich
mit Vorsicht auf dieses fragliche Gebiet oder
vermeide es ganz. Denn selbst die Astrologie
lehrt, daß die Sterne des Weltalls nicht die
allein Bestimmenden unseres Schicksals sind,
sondern auch die Sterne in unserer Brust, und
daß ein guter Mille manch böses Sternen-
schicksal überwindet.
 
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