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1890/1930
VOLKSSTIMME / JUBILÄUMS-AUSGABE
1890/1930
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Straße in aer Gartenstadt Waidhof
tragen von hohen idealen, sozial-ethischen Gedanken wurde
nach modernsten Gesichtspunkten eufgestellt, besonder*
auch, was die Teilung von Industrie- und Wohngebieten mit
den verlangten Sport- und Spielplatzanlagen, Grünanlagen,
weiter die Lösung des Verkehrsproblems, anbelangt.
Rücksichtslos wurde mit dem Alten gebrochen. Die For-
derung, der werktätigen Bevölkerung eine menschen-
würdige Wohnung zu schaffen, fand endlich Aner-
kennung. Der Idealgedanke allerdings, jedem das eigene
Heim mit einem Gärtchen zu verschaffen, ließ sich wegen der
fehlenden Mittel nur in geringem Ausmaße verwirklichen,
wenn auch Genossenschaften, wie die der Kriegsbeschädig-
ten, die Genossenschaft für Beamte und die Gartenvorstadt-
genossenschaft an dem eigenen Heim bezw. Einfamilienhaus
in Miete bis heute noch festhalten, was besonders bei letzt-
genannter Genossenschaft durch vorhandene eigene Mittel
bzw. durch die Kriegsrentenabfindung möglich ist.
Dafür entstanden, dem Wohnungsbedürfnis dieser breiten
Masse gerecht zu werden, einige Großsiedlungen, zunächst
der „Erlenhof" an der Waldhofstraße, erbaut von der
Gemeinnützigen Baugesellschaft, aus Mitteln der Wohnungs-
gabe,, kurz danach die „P f a I z p I a t z s i e d I u n g" auf dem
Lindenhof, erbaut von der „Gagfah" und „Heimat"; außer-
dem Wohnungsanlagen des Spar- und Bauvereins auf dam
Lindenhof. Die ersteren sind Mönumentalanlagen, um große,
schöne Innenhöfe gelagert (der Pfaizplatz hat sogar eine
Sportanlage), durchflutet von Licht, Luft und Sonne. Die Woh-
nungen sind klar und zweckmäßig, den Bedürfnissen wirklich
angepaßt, gut durchlüftet und beleuchtet, mit Bädern und
allen Zweckmäßigkeitseinrichtungen versehen. Die Dach-
stockwohnungen sind gefallen, die früher üb-
lichen Trennungsmauernzwischer den Grund-
stücken ebenso. Die Anlagen stellen den Ausdruck
eines starken Zusammengehörigkeitsgefühles dar.
Wir schreiben das Hahr 1930. Der Gemeinschafts-
gedanke verschafft sich mehr und mehr Geltung. Genos-
Doch noch vor diesem erleben wir, wie eine bisher automa-
tische Macht sich darauf besinnt, daß das Volk, das so ge-
blutet hat, ein Aequivalent für die gebrachten Opfer haben
müsse und hören die Worte: „ledern Deutschen das
eigene Heim auf eigener Scholl e!" Der Sied-
lungsgedanke marschiert! — Insbesondere schlos-
sen sich die Kriegsverletzten und Kriegerhinter-
bliebenen auch hier zu einer Genossenschaft zusammen
und setzten sich energisch für die Durchführung der ihnen ge-
machten Versprechungen ein. — Siedlungskomplexe, wenn
auch in kleinem Umfange, In der Neckarstadt, Käfertal, Feu-
denheim und Rheinau, entstehen in schwerster Zeit der In-
flation. Zu gleicher Zeit ungefähr eine geschlossene Woh-
nungssiedlung am Reiherplatz, später die Hochufersiedlung
hier.
Die Stadt tritt zum erst en Male a I 9 Bauherr
auf diesem Gebiete auf. Die Wohnungsverhältnisse werden
hier bereits nach modernen und sozial-ethischen Gesichts-
punkten zu lösen versucht. Wir finden neben Bad und Abort
die Spülküche, Kleintierställe, kleine Gärten im Ein- und
Mehrfamilienhaus.
Und nun noch am Endel „Zehn Jahre lang hat das gesamte
Wohhbauwesen geruht, fast nichis war geschehen, den Strom
der aus dem Krieg Zurückkehrenden aufzunehmen. Für die
vielen Kriegsgetrauten bestand nur Möglichkeit, Unterkom-
men zu finden in Altwohnungen, entweder bei Verwandten,
den Eltern oder als Untermieter. Zustände, die endlich dazu
führten, die Wohnungsämter zu schaffen. — Konnten, wie ge-
sagt, besonders ein Teil der Kriegsverletzten und Hinter-
bliebenen durch die ö fonds perdu geschaffenen Siedlungs-
häuser untergebracht werden, so waren doch immer noch
viele Tausende ohne Wohnungl —
Diese Menschen, die aus dem Feld zurückkamen, waren
aber Innerlich freier geworden, sie hatten sich auf Ihre
Menschenrechte besonnen.
In der großen Gesamtheit der Bevölkerung ließ sich der
starke Wille feststellen, die Wohnungsverhältnisse
zu bessern. Man erkannte die Unzulänglichkeit der alten
Wohnungsunterkünfte, und so reiften eine Anzahl Schöpfun-
gen, die auf das Wohnungsbedürfnis besonders des werk-
tätigen Volkes eingingen und mit Energie, befruchtet von
neuen Ideen, die Lösung dieser brennendsten Frage an-
strebten.
Neue Ideen befruchteten das gesamte Bauwesen. Ein groß-
zügiger General-Bebauungsplan für Groß-Mannhelm, ge-
Der Reiherplatz, oben der Pfalzplatz
•enschaften wetteifern um dte Palme. Eine ganze weitere
Anzahl Siedlungen sind aus dem Boden gewachsen, von
denen noch die der Gemeinnützigen Baugesellschaft, des-
gleichen der „Gagfah" und „Heimat" an den Kasernen und
der Kronprinzenstraße genannt seien.
Trotz aller Anstrengung Ist es aber bis heute noch nicht
gelungen, für die Mindestbemittelten Wohnungen für er-
schwingliche Mieten zu schaffen; dies wird auch solange
nicht möglich sein, bisdieGrundursache der hohen
Mieten beseitigt Ist, das teure Baugeld.
Wie wünschenswert wäre es doch, wenn es möglich wäre,
solch Ideale Lösungen zu schaffen, wie die Stadtgemeinde
Mannheim, für kinderreiche Familien und alte
Leute bei der Gartenstadt Mannheim-Waldhof zur Ausfüh-
rung brachtel Wahrhaft eine Kulturtatl
Den Wohnungsuchenden selbst sei aber von dieser Stelle
aus zum Schlüsse die dringende Mahnung zugerufen, noch
mehr als bisher aktiv an der Lösung des Wohnungsproblems
teilzunehmen. —•
Die Großsiedlung Erlenhof
DER GESCHKFTSHAUSBAU
Nicht minder bedeutungsvoll als der moderne Wohnhaus-
bau für das Gesicht der werdenden Großstadt ist der G e -
schäftshausbau. — Haben aufblühende Industrie und
Handel durch Schaffung von Verdienstmöglichkeit für weite
Kreise, insbesondere natürlich der werktätigen, zur Steige-
rung der Bevölkerungsziffer hauptsächlich beigetragen, so
war die stetig wachsende Einwohnerzahl andererseits der
Hauptfaktor für die Entwicklung unseres heutigen modernen
Geschäftshausbaues.
Die verschiedensten Bedürfnisse für eine Stadt von rund
90 000 Einwohnern um 1890 zu befriedigen, mochte wohl
relativ einfach gewesen sein. Vom eigentlichen Geschäfts-
haus konnte man um diese Zeit noch nicht reden. Dieses
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