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Das Weltbild

schnitts ausfüllt. Manche Mythen haben nur die Aufgabe, Lücken zu
schließen. Sie sind das Erzeugnis eines religiösen Denkens, das sich
auf das bereits erreichte besinnt. Der Mythos von Baldr hingegen
weist in die Zukunft; er erschafft neue Möglichkeiten, er kann den An-
stoß geben zur Durchführung von Gedankengängen, die bis zu ihm
niemand vermutete. Selbst wenn das Christentum an dem Entstehen
dieser Schöpfung einen größeren Anteil gehabt haben sollte, als wir
es bisher festzustellen vermochten, so ist dasselbe Christentum aber
auch der Anlaß dazu gewesen, daß diese Nachblüte im Reim vernichtet
wurde, wenn das sterbende Heidentum noch imstande war, einen
solchen Schwanengesang anzustimmen, so wird dadurch der Beweis
erbracht, wie schöpfungskräftig es in seiner Blütezeit gewesen sein
muß.
Die germanische Weltanschauung
Das Weltbild
olange der Mensch noch nicht zu einer Weltvorstellung gelangt
ist, die sich auf dem Wandel der Planeten aufbaut, so stehen
ihm, wenn er sich von dem weltganzen eine Vorstellung machen will,
zwei Auffassungen offen: die eine im wagerechten (horizontalen), die
andere im senkrechten (vertikalen) Sinne. Beide Auffassungen schließen
sich keineswegs gegenseitig aus; sie können sich vielmehr in mancher
Hinsicht ergänzen. Sie bestehen demnach in den gleichen Zeitabschnitten
nebeneinander, ohne daß man das Gefühl hätte, die zwischen bei-
den Vorstellungen vorhandenen inneren Widersprüche wären als
störend empfunden worden. Indessen ergibt sich aus den überlieferten
Quellen eine so weitgehende Verwirrung, daß es unmöglich er-
scheint, die mannigfachen, aus so verschiedenartigem Ursprung ableit-
baren Angaben zu einem geschlossenen Weltbilde zu vereinigen. Be-
mühungen in dieser Richtung haben auch bei den Nordgermanen nicht
gefehlt. Aber gerade die Bequemlichkeit, mit der man sich damals über
einen anscheinend unüberbrückbaren Widerspruch hinwegsetzte, die
Leichtigkeit, mit der man zu einer Formel gelangte, die ein zusammen-
hängendes und anscheinend lückenloses Bild wenigstens annehmbar
 
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