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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Editor]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 1.1898

DOI issue:
Heft 1 (Januar 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6363#0010
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Wirwollen aber keine langathmigeProgramm-
musik machen. Auch in diesem einleitenden Auf-
satz nicht. Was im Einzelnen zu behandeln ist,
wird an geeigneter Stelle besprochen. Geredet und
beschlossen ist schon genug. Jetzt gilt es Thaten.

Wir brauchen dabei in erster Linie die not-
wendigen Kräfte der Zerstörung und Vernichtung.
Auf morschem Untergrund kann man nicht bauen,
neuen Wein nicht in alte Schläuche fassen. Dann
aber, wenn der Boden vorbereitet, geackert und
gerodet ist, brauchen wir die Macht der segen-
spendenden Sonne, der aufbauenden Arbeit, die
Kräfte des Schaffens und des Erhaltens. Aller-
dings hat diese, wie jede aufbauende Thätigkeit,
die Wegräumung des Hinderlichen zur Voraus-
setzung; aber unsinnig ist es, zu behaupten, dass
die heutige Kunst destructive Tendenzen verfolge,
Form und Farbe auflöse, keine Achtung vor der
Vergangenheit habe und die Umwälzung alles Be-
stehenden predige. Die Kunst will überhaupt nicht
predigen. Schaffen will sie. Jede Kunst ist ihrem
innersten Wesen nach aufbauend, nicht nieder-
reissend. Jeder echte Künstler ehrt und achtet des-
halb die grossen alten Meister, liebt sie mit kind-
licher Ehrfurcht, neigt sich vor ihnen in aufrich-
tiger Bewunderung.

Wer auf die Alten schilt, ist ein Hanswurst.
Hanswürste haben von altersher jede Weltbewe-
gung begleitet. Sie begleiten auch die heutige = wie
der Narr dem Zuge des Königs folgt oder voran-
tanzt. Wenn die Helden zum Tournier reiten, ras-
seln die Schildträger mit den Lanzen. Sobald aber
die Ritter den Kampfplatz betreten, hört der Lärm
auf und die eigentliche Arbeit beginnt. Von den
Knappen und Schildträgern sieht man dann nichts

mehr. >!öN>3>§CB>i^>3C^^

ABER JEDE ZEIT HAT IHR EIGENES
EMPFINDEN. Das Kunstempfinden UNSERER
ZEIT zu wecken, anzuregen und zu verbreiten
ist unser Ziel, ist der Hauptgrund, weshalb wir
eine Zeitschrift herausgeben. Und allen, die dem
gleichen Ziele entgegenstreben, wenn auch auf an-
deren Wegen, reichen wir freudig die Hand zum

Bunde. >£3>»^>SCg>g3>£3>33>SCB>^^

WirwolleneineKunstohneFremdendienerei,
aber auch ohne Fremdenfurcht und ohne Fremden-
hass. Die ausländische Kunst soll uns anregen, uns
auf uns selbst zu besinnen; wir wollen sie aner-
kennen, bewundern, wenn sie es wert ist; nur
nachmachen wollen wir sie nicht. Wir wollen
ausländische Kunst nach Wien ziehen, nicht um
Künstler, Gelehrte und Sammler allein, um die
grosse Masse kunstempfänglicher Menschen zu
bilden, damit der schlummernde Trieb geweckt
werde, der in jede Menschenbrust gelegt ist, nach
Schönheit und Freiheit des Denkens und Fühlens.

Und da wenden wir uns an euch alle, ohne
Unterschied des Standes und des Vermögens. Wir
kennen keine Unterscheidung zwischen „hoher
Kunst" und „Kleinkunst", zwischen Kunst für
die Reichen und Kunst für die Armen. Kunst ist
Allgemeingut. >83>S3^3>S3>rB>33>33>S3>33^

Denn brechen wollen wir endlich mit der alten
Gepflogenheit österreichischer Künstler, über das
mangelnde Kunstinteresse des Publicums zu kla-
gen, ohne einen Versuch zum Wandel zu machen.
Mit feurigen Zungen vielmehr euch immer und
immer sagen, dass die Kunst mehr ist, als ein äus-
serer, pikanter Reiz, mehr als ein blosses entbehr-
liches Parfüm eures Daseins, dass sie vielmehr die
nothwendige Lebensäusserung eines intelligenten
Volkes ist, so selbstverständlich und unentbehr-
lich, wie Sprache und Sitte. Bitten wollen wir euch
um die Brosamen der Zeit, die vom Tische eures
oft so prunkvollen und doch armen Lebens ab-
fallen; und wenn ihr uns nur einmal diese Bro-
samen eurer Zeit schenkt, wenn ihr uns nur den
kleinen Finger reicht, dann wollen wir diese kur-
zen Minuten mit einer Wonne und Herrlichkeit
erfüllen, dass euch die ganze trostlose Ode eures
bisherigen Lebens vor Augen trete, dann wollen
wir bald eure ganze Hand, euer Herz, euch selbst
haben! >§3>SC8>B3>»S3>33>§3^^

Und so einer unter euch sage: „Aber wozu
brauche ich denn Künstler? Ich mag keine Bil-
der", dann wollen wir ihm antworten: „Wenn
du keine Bilder magst, so wollen wir dir deine
Wände mit herrlichen Tapeten schmücken; du
 
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