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Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession [Editor]
Ver sacrum: Mittheilungen der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs — 1.1898

DOI issue:
Heft 2 (Feburar 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6363#0049
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gut Harmonien in roth und
schwarz, blau und silber,
grün und rosa, wie in C moll
oder Es dur! Solche Far-
benwerte allein bieten eine
Fülle von dankbaren Mo-
tiven für neue und eigen-
artige Costüme. Dochlässt
sich auch schon in der ein-
fachen Liniensprache, in
schwarz und weiss, etwas
ausdrücken. Ein Kleid, das
senkrecht gestreift ist, wirkt
doch ganz anders, als ein
wagrecht oder schräg ge-
streiftes! Und dann: „Eines
schickt sich nicht für alle!"
Gegen diesen „§ X44 der
Kleiderfrage wird nach wie
vor in unglaublicher Weise
gesündigt. Wenn beispiels-
weise eine Dame mit einem
länglichen, schmalen Ge-
sichteine thurmhohe Kopf-
zierde im illustrierten Jour-
nal findet, unter der ein
niedliches, rundes Mode-
puppengesicht schalkhaft
und „so anmuthig" hervor-
guckt, und sie macht's ein-
fach nach, so muss sie die
Folgen tragen und darf sich
nicht wundern = wenn alle
Vögelein ängstlich davon-
fliegen !

Welche Auswahl bieten
Blumenmotive, wenn sie
neu und originellbehandelt
werden! Weshalb behän-
gen sich unsere Damen

noch immer mit „Kunst-
blumen", anstatt sich der
prachtvoll stilisierten Blu-
men der modernen Stoffe
und Gewebe zu bedienen,
indem sie dieselben als Ap
plicationsmaterial verwer-
ten und die Wirkung ihres
Costüms von der freien Er-
findung ihres eigenen indi-
viduellen Geschmacks ab-
hängig machen? Stattsich
die Moden aufzwingen zu
lassen, sollten geist- und ge-
schmackvolle Frauen sie
selbst machen. Nur Muth,
meine Damen! Mit der
Zeit wird die Selbständig-
keit schon kommen und
gerade diese SELBSTÄN-
DIGE BETHÄTIGUNG
DES INDIVIDUELLEN
GESCHMACKS thut

noth. Wenn nur einmal
Muth, Lust und Liebe vor-
handen, so könnten sie ge-
wiss auch in Toiletten- und
Costümfragen „die Fittigc
zu grossen Thaten" wer-
den ! Und die Folgen davon
würden kaum ausbleiben,
weil solche Anregungen
auf die allgemeine Ausbil-
dung und Entwicklung des
selbständigen Geschmacks
auch in anderen Kunst-
fragen ganzvon selber ihren
günstigen Einfluss fühlbar
machen müssten.

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