VER SACRUM.
Gustav Klimt. Aus
„Allegorien", neue
Folge. Verlag von
Gerlaeh & Schenk.
SYMBOLISTIK
VOR HUNDERT JAHREN.
Alle heiligen Spiele der Kunst sind
nur ferne Nachbildungen von dem
unendlichen Spiele der Welt, dem
ewig sich selbst bildenden Kunst-
werk. Mit anderen Worten: Alle
Schönheit ist Allegorie.
FRIEDRICH SCHLEGEL.
Aus einem noch
unvollendeten
Werke über die
Romantik von
Dr. Ricarda Huch.
Können Sie ihm den Unterschied zwischen allegorischer
und symbolischer Behandlung begreiflich machen,"
schrieb Goethe anSchelling inBezug auf einen jungen
Maler, Namens Martin Wagner, „so sind Sie sein Wohl-
thäter, weil sich um diese Axe soviel dreht." Ob und wie
Schelling das ausgeführt hat, weiss ich nicht zu sagen.
Zwei Zeitgenossen aber, Tieck und der Ästhetiker Solger,
welche ebenfalls über das Verhältnis dieser Begriffe viel
nachgedacht hatten, kamen zu dem folgenden Schlüsse:
Der Punkt, wo Philosophie, Religion und Poesie sich be-
rühren, ist die Mystik. Mystik, so könnte man etwa das,
was sie meinten, zutreffend ausdrücken, ist das unmittel-
bare Gefühl des Einsseins mit der Welt und Gott. Kunst
ist angewandte Mystik. Auf bewusst angewandter Mystik
beruht die Allegorie, auf unbewusst angewandter die Sym-
bolik. „Beide haben ihre Grenze," so heisst es in Solgers
eigenen Worten, „wo die Allegorie in blosses Verstandes-
spiel und die Symbolik in Nachahmung der Natur über-
geht." Zwischen diesen beiden äussersten Punkten geht
denn in der That die Wellenbewegung der Künste auf
und nieder.
Bemerkenswert ist, dass Solger keineswegs das Alle-
gorische gänzlich verwirft. Wie sollte er auch, als Zögling
der Romantiker, die der vom Bewusstsein geleiteten Kunst
das Wort redeten, ja, für die das bewusst - unbewusste
Schaffen der Höhepunkt der Kunst war. Erst da, wo die
Allegorie in Verstandesspiel übergeht, verlässt sie das
Gebiet der Kunst. So einfach und schlagend diese Fassung
des Unterschiedes zwischen Allegorie und Symbolik ist,
so schwierig ist doch die Anwendung im einzelnen Falle,
ebenso schwierig, wie die unendlich vielen, unendlich feinen
Übergänge aus dem Unbewussten im Bewusstsein zu er-
kennen sind.
Dass jeder grosse Künstler Symboliker gewesen sei
und sein müsse, durften die Romantiker, nach dieser Er-
klärung des Begriffes, füglich behaupten. Für den Materia-
Gustav Klimt. Aus
„Allegorien", neue
Folge. Verlag von
Gerlaeh & Schenk.
SYMBOLISTIK
VOR HUNDERT JAHREN.
Alle heiligen Spiele der Kunst sind
nur ferne Nachbildungen von dem
unendlichen Spiele der Welt, dem
ewig sich selbst bildenden Kunst-
werk. Mit anderen Worten: Alle
Schönheit ist Allegorie.
FRIEDRICH SCHLEGEL.
Aus einem noch
unvollendeten
Werke über die
Romantik von
Dr. Ricarda Huch.
Können Sie ihm den Unterschied zwischen allegorischer
und symbolischer Behandlung begreiflich machen,"
schrieb Goethe anSchelling inBezug auf einen jungen
Maler, Namens Martin Wagner, „so sind Sie sein Wohl-
thäter, weil sich um diese Axe soviel dreht." Ob und wie
Schelling das ausgeführt hat, weiss ich nicht zu sagen.
Zwei Zeitgenossen aber, Tieck und der Ästhetiker Solger,
welche ebenfalls über das Verhältnis dieser Begriffe viel
nachgedacht hatten, kamen zu dem folgenden Schlüsse:
Der Punkt, wo Philosophie, Religion und Poesie sich be-
rühren, ist die Mystik. Mystik, so könnte man etwa das,
was sie meinten, zutreffend ausdrücken, ist das unmittel-
bare Gefühl des Einsseins mit der Welt und Gott. Kunst
ist angewandte Mystik. Auf bewusst angewandter Mystik
beruht die Allegorie, auf unbewusst angewandter die Sym-
bolik. „Beide haben ihre Grenze," so heisst es in Solgers
eigenen Worten, „wo die Allegorie in blosses Verstandes-
spiel und die Symbolik in Nachahmung der Natur über-
geht." Zwischen diesen beiden äussersten Punkten geht
denn in der That die Wellenbewegung der Künste auf
und nieder.
Bemerkenswert ist, dass Solger keineswegs das Alle-
gorische gänzlich verwirft. Wie sollte er auch, als Zögling
der Romantiker, die der vom Bewusstsein geleiteten Kunst
das Wort redeten, ja, für die das bewusst - unbewusste
Schaffen der Höhepunkt der Kunst war. Erst da, wo die
Allegorie in Verstandesspiel übergeht, verlässt sie das
Gebiet der Kunst. So einfach und schlagend diese Fassung
des Unterschiedes zwischen Allegorie und Symbolik ist,
so schwierig ist doch die Anwendung im einzelnen Falle,
ebenso schwierig, wie die unendlich vielen, unendlich feinen
Übergänge aus dem Unbewussten im Bewusstsein zu er-
kennen sind.
Dass jeder grosse Künstler Symboliker gewesen sei
und sein müsse, durften die Romantiker, nach dieser Er-
klärung des Begriffes, füglich behaupten. Für den Materia-